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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
PaßG 1969 §18 Abs1 litd;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des E in H, BRD, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. März 1992, Zl. 9.560.278/13-III/12/92, betreffend Versagung eines Reisepasses sowie Entziehung eines Reisepasses und eines Personalausweises, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 24. März 1992 wurde zum einen der Antrag des Beschwerdeführers vom 25. März 1991 auf Ausstellung eines österreichischen Reisepasses gemäß § 18 Abs. 1 lit. d und e des Paßgesetzes 1969, BGBl. Nr. 422, (PaßG) abgewiesen, zum anderen der dem Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Linz am 10. April 1986 mit Gültigkeitsdauer bis 10. April 1996 ausgestellte österreichische Reisepaß Nr. P 0898527 und der ihm von derselben Behörde am 23. November 1988 mit Gültigkeitsdauer bis 23. November 1998 ausgestellte österreichische Personalausweis Nr. 4,848.096 gemäß § 19 Abs. 1 iVm § 18 Abs. 1 lit. d und e PaßG, hinsichtlich des Personalausweises außerdem unter Bedachtnahme auf § 31 Abs. 2 leg. cit., entzogen. Unter einem wurde die mit dem erstinstanzlichen Entziehungsbescheid ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer allenfalls dagegen erhobenen Berufung bestätigt.
Begründend führte die belangte Behörde, soweit für die Erledigung der Beschwerde von Belang, folgendes aus: Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Amtsgerichtes Köln vom 21. Juni 1991 (rechtskräftig geworden am selben Tag) wegen gemeinschaftlicher fortgesetzter unerlaubter Einfuhr von Suchtgift in die Bundesrepublik Deutschland nach dem Deutschen Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden (wobei die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden sei). Der Beschwerdeführer sei für schuldig befunden worden, mit einem Komplizen erstmals im März 1990 eine Fahrt nach den Niederlanden unternommen, dort von einem Unbekannten ca. 40 Gramm Kokain erworben und dieses Suchtgift an zwei Personen übergeben zu haben, die es sodann in die Bundesrepublik Deutschland geschmuggelt hätten. Bis Ende Dezember 1990 seien vom Beschwerdeführer mit seinem Komplizen insgesamt sechs derartige Schmuggelfahrten in die Niederlande unternommen worden; bei jeder dieser Fahrten seien vom Beschwerdeführer und seinem Komplizen 40 Gramm Kokain, bei der letzten Fahrt 1 kg Haschisch, gekauft und von denselben Personen nach Deutschland geschmuggelt worden. In Köln hätten der Beschwerdeführer und sein Komplize das geschmuggelte Suchtgift zum Verkauf übernommen.
Unter Zugrundelegung dieses strafgerichtlichen Urteiles sei die belangte Behörde der Ansicht, daß vom Beschwerdeführer Tatsachen im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. d und e iVm § 19 Abs. 1 (und § 31 Abs. 2) PaßG gesetzt worden seien. Im Hinblick auf die mittäterschaftliche Veranlassung des Suchtgiftschmuggels, dessen Organisierung sowie die hievon betroffenen großen Mengen von Kokain und Haschisch könne eine künftige Gefährdung der inneren Sicherheit Österreichs (der Volksgesundheit) durch den Beschwerdeführer nicht ausgeschlossen werden; vielmehr komme eine solche Annahme aufgrund der strafgerichtlich geahndeten Verhaltensweisen durchaus begründet in Betracht. Der Umstand, daß das Gericht die Vollstreckung der Freiheitsstrafe auf Bewährung ausgesetzt habe, vermöge daran nichts zu ändern; die Kriterien der Drogenabhängigkeit und der "Drogenfreiheit" seien in diesem Zusammenhang nicht von "primärer Bedeutung"; daß der Beschwerdeführer bis zu seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Köln unbescholten gewesen sei, könne sich nur auf die Dauer des Vorenthaltes der Reisedokumente auswirken.
Da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch der Umstand, daß durch die Entziehung oder Versagung eines Reisedokumentes für den Betroffenen nachteilige persönliche oder wirtschaftliche Folgen entstehen könnten, eine andere rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes nicht erlaube, obliege es der belangten Behörde lediglich, anhand der vorhandenen Beweismittel festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine Paßversagung und die Entziehung der Reisedokumente - es handle sich hiebei nicht um eine Ermessensentscheidung - beim Beschwerdeführer auch derzeit (im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) noch gegeben seien. Dies sei der Fall.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren, den bekämpften Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die in der Beschwerde bekämpfte Unzuständigkeit der belangten Behörde liegt nicht vor, ist doch der Fertigungsklausel des angefochtenen Bescheides zweifelsfrei zu entnehmen, daß im Gegenstand der Bundesminister für Inneres und nicht, wie der Beschwerdeführer meint, das Bundesministerium für Inneres (im Instanzenzug) entschieden hat.
2. Gemäß § 18 Abs. 1 PaßG ist u.a. die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn (lit. d) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Paßwerber den Reisepaß benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten oder zu umgehen oder (lit. e) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß durch den Aufenthalt des Paßwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.
Nach § 19 Abs. 1 leg. cit. ist ein Reisepaß zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses gerechtfertigt hätten oder rechtfertigen würden.
Zufolge des § 31 Abs. 2 leg. cit. sind u.a. auf die Entziehung von Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen österreichischen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sinngemäß anzuwenden.
3.1. Das unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit erstattete Beschwerdevorbringen läßt sich wie folgt zusammenfassen: Die belangte Behörde habe verkannt, daß eine einmalige strafgerichtliche Verurteilung wegen Verstoßes gegen suchtgiftrechtliche Bestimmungen für sich allein nicht die Annahme rechtfertige, der Beschwerdeführer werde auch künftig gleichartige Handlungen begehen. Vielmehr sei zur Erstellung einer Prognose, daß der Beschwerdeführer seinen Reisepaß dazu benützen werde, um Zollvorschriften zu übertreten oder zu umgehen, bzw. daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Ausland die Sicherheit der Republik gefährden würde, auf Umstände "in und um die Person des Täters" Bedacht zu nehmen (z.B. bisherige Unbescholtenheit, Grad des Verschuldens, Wohlverhalten seit der Tat, Wegfall der eigenen Drogenabhängigkeit). In diesem Sinne seien - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - auch die persönlichen und wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Eine Gefährdung der Sicherheit der Republik Österreich durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Ausland sei deshalb nicht gegeben, weil sich der Beschwerdeführer nicht zu Zwecken des Suchtgiftankaufes im Ausland befinde, sondern dort seit mehreren Jahren seinen ordentlichen Wohnsitz habe, verheiratet sei und einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgehe. Verfehlt sei auch die Ansicht der Behörde, die Volksgesundheit werde dadurch gefährdet, daß jemand im Ausland Suchtgiftgeschäfte anbahne bzw. gekauftes Suchtgift durch andere Personen über die Grenze bringen lasse; dies werde nur dann der Fall sein, wenn die im Ausland getätigten Suchtgiftgeschäfte auch einen Bezug zur Republik Österreich aufwiesen.
3.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde ihre rechtliche Beurteilung in sachverhaltsmäßiger Hinsicht nicht auf eine "einmalige" strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Verstoßes gegen suchtgiftrechtliche Bestimmungen "für sich allein" gestützt. Sie hat es vielmehr - zu Recht - als bedeutsam erachtet, daß der besagten Verurteilung des Beschwerdeführers insgesamt sechs Fahrten in die Niederlande zum Zweck des Erwerbes und der gesetzwidrigen Verbringung von Suchtgift in jeweils erheblicher Menge in die Bundesrepublik Deutschland zugrunde lagen. Insoweit hat die belangte Behörde durchaus, wenn auch nicht in der von der Beschwerde postulierten Weise, auf konkrete Umstände Bedacht genommen, die eine tragfähige Grundlage für die von ihr getroffene Annahme im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. d und e PaßG bilden. Daß der Beschwerdeführer das von ihm erworbene Suchtgift jeweils nicht selbst, sondern durch Dritte über die Grenze hat schmuggeln lassen, ändert nichts daran, daß er durch Übernahme dieses Schmuggelgutes in Deutschland zum Verkauf Handel mit Suchtgift in größerer Menge betrieben hat. Solcherart aber hat der Beschwerdeführer eine Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. d wie auch im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. e PaßG gesetzt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1992, Zl. 91/19/0137, und die dort zitierte Rechtsprechung). Der damit gerechtfertigten Annahme im Sinne dieser Bestimmungen steht keineswegs entgegen, daß der Beschwerdeführer diesen Suchtgifthandel nicht nach Österreich ausgedehnt hat; dies gilt auch für den Umstand, daß der Beschwerdeführer seit mehreren Jahren seinen ordentlichen Wohnsitz in Deutschland hat und dort einer Erwerbstätigkeit nachgeht (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1989, Zl. 88/01/0251).
Was die Ansicht des Beschwerdeführers anlangt, die Behörde hätte bei der Versagung bzw. beim Entzug eines Reisepasses auch auf die persönlichen und wirtschaftlichen Interessen des Betroffenen Rücksicht zu nehmen, so ist der Beschwerde zu erwidern, daß die dieser Meinung entgegenstehende Auffassung der belangten Behörde die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich hat, derzufolge im Gesetz eine Bedachtnahme auf derartige Interessen (die durch die Maßnahme der Versagung bzw. der Entziehung des Reisepasses beeinträchtigt werden könnten) nicht vorgesehen ist (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl.88/01/0251).
Auch die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers bis zu seiner in Rede stehenden strafgerichtlichen Verurteilung und sein (behauptetes) Wohlverhalten seit der letzten Tat lassen die im § 18 Abs. 1 lit. d und e PaßG jeweils umschriebene Annahme seitens der belangten Behörde nicht als ungerechtfertigt erscheinen. Insbesondere vermochte die nur kurze Zeit von ca. 15 Monaten, die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides seit dem letzten der der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zugrundeliegenden deliktischen Verhalten verstrichen war, den von der belangten Behörde aus dem festgestellten Handel des Beschwerdeführers mit Suchtgift in größerer Menge in Verbindung mit der Erfahrungstatsache, daß bei einem derartigen Delikt die Gefahr der Wiederholung besonders groß ist (vgl. das hg. Erkenntnis Zl. 91/19/0137), zu Recht abgeleiteten Schluß auf die Verwirklichung der Tatbestände des § 18 Abs. 1 lit. d und e PaßG nicht entscheidend zu beeinflussen. Gleiches gilt für den Umstand, daß die Vollstreckung der Haft zur Bewährung ausgesetzt worden war, zumal die bei dieser Entscheidung für das Gericht maßgeblichen Gesichtspunkte der Strafrechtspflege nicht identisch sind mit den die Entscheidung der Paßbehörden im Verfahren betreffend Paßversagung und Paßentziehung bestimmenden Aspekte sicherheitspolizeilicher Überwachung.
4.1. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, der Bescheid sei nicht ordnungsgemäß gefertigt. Weiters wird gerügt, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich des "Paßantragsverfahrens" zur Kenntnis zu bringen. Ferner sei der Sachverhalt insofern ergänzungsbedürftig geblieben, als von der Behörde kein ärztliches Gutachten über die positiv absolvierte Drogentherapie des Beschwerdeführers eingeholt worden sei. Schließlich fehle eine Begründung dafür, warum die belangte Behörde der Ansicht des Amtsgerichtes Köln, welches eine gegenteilige Prognose erstellt und deshalb die Strafe ausgesetzt habe, nicht gefolgt sei.
4.2. Diesem Vorbringen ist im einzelnen folgendes entgegenzuhalten: Die Fertigung des bekämpften Bescheides mit "Für den Bundesminister: i.A. ..." begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Völlig verfehlt wäre jedenfalls die vom Beschwerdeführer für erforderlich erachtete Fertigung "Für das Bundesministerium für Inneres, Der Bundesminister, f.d.R.d.A. bzw. i.A. ...", also die Fertigung der Behörde für ihren Hilfsapparat. Mit der Rüge des Beschwerdeführers, es sei ihm das Ermittlungsergebnis im Verfahren betreffend die Ausstellung eines Reisepasses nicht zur Kenntnis gebracht worden, ist für sich allein betrachtet - unter der Annahme des Zutreffens dieser Behauptung - kein wesentlicher Verfahrensmangel dargetan; hiezu hätte es konkreter Ausführungen darüber bedurft, was der Beschwerdeführer zur Stützung seines Standpunktes vorgebracht hätte, wenn ihm das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden wäre. Auch daß kein ärztliches Gutachten über die (behauptetermaßen) positiv absolvierte Drogentherapie eingeholt worden sei, würde nicht entscheidend ins Gewicht fallen, da das in der Beschwerde darauf zurückgeführte zwischenzeitliche "Wohlverhalten" des Beschwerdeführers sich, wie bereits dargetan, auf einen viel zu kurzen Zeitraum erstreckt, um die belangte Behörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangen zu lassen. Was schließlich den behaupteten Begründungsmangel anlangt, so genügt es, auf das oben am Ende von II.3.2. Gesagte zu verweisen, um jenen als unerheblich zu erkennen.
5. Mangels jeglicher Konkretisierung der in der Beschwerde gemachten Anregung, besteht für den Verwaltungsgerichtshof kein Anlaß, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf "Überprüfung des PaßG im Hinblick der ausreichenden Bestimmtheit" zu stellen.
6. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den zur hg. Zl. AW 92/18/0066 protokollierten Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180173.X00Im RIS seit
06.08.2001Zuletzt aktualisiert am
21.10.2010