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L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde der NN in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 19. Juni 1990 (ohne Geschäftszahl), betreffend Pensionsansprüche, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.510,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführerin wurde von den Wiener Stadtwerken - Generaldirektion Zentralverwaltung/Pensionsabteilung mit Bescheid vom 7. Mai 1973 mit Wirkung vom 1. Mai 1973 ein Witwenversorgungsgenuß nach ihrem verstorbenen Ehegatten, einem öffentlich-rechtlich Bediensteten der Wiener Stadtwerke-Verkehrsbetriebe, zuerkannt.
Am 30. April 1973 hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf bargeldlose Pensionszahlung an die Wiener Stadtwerke-Verkehrsbetriebe/Pensionsabteilung gerichtet, in dem sie um Überweisung der ihr zustehenden Leistungen auf ein bestimmtes Konto der Ersten Österreichischen Spar-Casse ersuchte. Dieser Antrag enthält folgende Erklärung:
"Ich erkläre, daß ich über dieses Konto allein verfügungsberechtigt bin und auch in Zukunft niemand anderen zur Verfügung ermächtigen werde.
Ich erkläre mich damit einverstanden, daß von der anweisenden Stelle zu Unrecht auf dieses Konto überwiesene Beträge auf Grund der von diesen einlangenden Lastschriften wieder abgebucht werden.
Ich nehme zur Kenntnis, daß mir auf gutgeschriebene Beträge erst ab Valutatag ein Rechtsanspruch zusteht und erkläre mich damit einverstanden, daß die meinem Konto gutgeschriebenen Beträge an die anweisende Stelle rücküberwiesen werden können, wenn nach den für mich geltenden sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen die pensionsüberweisende Stelle eine Rücküberweisung verfügt, oder die anweisende Stelle den Bezug noch vor dem Valutatag rückgerufen hat, bzw. die Gutschrift nach meinem Ableben oder mein Ableben vor dem Valutatag erfolgt ist."
Das kontoführende Kreditinstitut teilte der Pensionsabteilung der Wiener Stadtwerke am 18. Oktober 1983 mit, daß die zur Anweisung gebrachten Witwenversorgungsbezüge seit 6. August 1981 nicht mehr behoben worden seien. Die bezugsanweisende Stelle stellte hierauf mit Wirkung vom 31. August 1981 den Versorgungsbezug der Beschwerdeführerin ein und rief die nach diesem Zeitpunkt auf das Girokonto der Beschwerdeführerin überwiesenen Pensionsbezüge für die Zeit von September 1981 bis November 1983 im Ausmaß von S 243.762,34 zurück.
Mit Schreiben vom 14. Juli 1988 teilte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin der pensionsanweisenden Stelle mit, die Beschwerdeführerin sei verreist gewesen und nunmehr an ihren Wohnort zurückgekehrt. Er ersuchte die "rückgerufenen Pensionsbeiträge" sowie die seit Dezember 1983 fällig gewordenen und weiter fällig werdenden Pensionsbeträge auf ein bestimmtes Konto des genannten Kreditinstitutes zur Überweisung zu bringen.
Mit Schreiben vom 9. August 1988 teilte die pensionsanweisende Stelle der Beschwerdeführerin mit, daß der Anspruch auf rückständige Leistungen nach Ablauf von drei Jahren gemäß § 39 der Pensionsordnung 1966 (PO) verjährt sei. Eine Nachzahlung der Versorgungsbezüge erfolge nur für den Zeitraum von drei Jahren ab dem Beanspruchungszeitraum, das sei ab 1. Juli 1985.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 1989 stellte die Generaldirektion der Wiener Stadtwerke - Zentralverwaltung/Pensionsabteilung - fest, daß die Pensionsbezüge der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 1. September 1981 bis 30. November 1983 in der Höhe von S 243.762,34 verjährt seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend wird im wesentlichen ausgeführt, die Behörde erster Instanz habe nach der Mitteilung des Kreditinstitutes, wonach die Beschwerdeführerin die Witwenversorgungsbezüge seit 6. August 1981 nicht mehr behoben habe, erhoben, daß die Beschwerdeführerin sich von ihrem Wohnsitz nach "unbekannt" abgemeldet habe. Da nach der Beschwerdeführerin wegen eines gegen sie erlassenen Haftbefehles international gefahndet worden sei, habe angenommen werden können, daß sie sich im Ausland befinde. Die Beschwerdeführerin habe keine Lebensbestätigung nach § 34 Abs. 5 PO, die in einem solchen Fall für den Weiterbezug des Witwenversorgungsgenusses erforderlich wäre, vorgelegt, weshalb die Anweisung dieser Bezüge gemäß Abs. 6 der genannten Bestimmung bis zum Einlangen einer solchen Bestätigung ausgesetzt worden sei. Da die Einstellung der Bezugsanweisungen mit Wirksamkeit vom 31. August 1981 verfügt worden sei, habe die Pensionsabteilung der Wiener Stadtwerke alle nach diesem Zeitpunkt auf das Girokonto der Beschwerdeführerin überwiesenen Beträge rückgerufen. In der Berufung habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, daß die im erstinstanzlichen Bescheid genannten Witwenversorgungsbezüge zunächst dem Pensionskonto gutgeschrieben worden und nach dem Valutatag in das Eigentum der Beschwerdeführerin übergegangen seien. In der Folge hätten die Wiener Stadtwerke ohne Rechtsgrund durch den Rückruf der Bezüge in ihr Eigentum eingegriffen. Es stünde ihr daher ein Rückforderungsanspruch nach bereicherungsrechtlichen Regeln zu. Dazu führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe es trotz ihres dauernden Aufenthaltes im Ausland unterlassen, die nach § 34 Abs. 5 PO erforderlichen Lebensbestätigungen vorzulegen. Durch die Nichtbekanntgabe der Abmeldung von ihrer bisherigen Wohnadresse habe sie überdies gegen § 37 Abs. 1 PO verstoßen. Da die Beschwerdeführerin ihre Pensionsbezüge zuletzt am 6. August 1981 behoben habe und ab diesem Zeitpunkt ihre Übersiedlung ins Ausland angenommen werden müsse, hätten alle danach angewiesenen Bezüge in Ermangelung der erforderlichen Bestätigungen gemäß § 34 Abs. 4 PO nicht mehr angewiesen werden dürfen. Die pensionsanweisende Stelle habe jedoch erst am 18. Oktober 1983 durch eine Mitteilung des kontoführenden Kreditinstitutes davon Kenntnis erlangt und danach die Anweisung der Bezüge rückwirkend ab 1. August 1981 mangels Vorliegen der erforderlichen Lebensbestätigungen eingestellt und die zum damaligen Zeitpunkt zu Unrecht überwiesenen Beträge, somit alle Bezüge bis 30. November 1983, rückgerufen. Einer Aufforderung zur Vorlage von Lebensbestätigungen bedürfe es nach § 34 Abs. 4 PO nicht. Rechtsgrundlage für den Rückruf der überwiesenen Bezüge sei die Erklärung der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf bargeldlose Überweisung, worin sie sich damit einverstanden erklärt habe, daß die ihrem Konto gutgeschriebenen Beträge an die anweisende Stelle rücküberwiesen werden können, wenn nach den für sie geltenden sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen die pensionsanweisende Stelle eine Rücküberweisung verfüge. Bei Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Anspruches, hier eines solchen auf Witwenversorgungsgenuß nach der PO, bleibe kein Raum für die Anwendung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften. Es seien daher die Normen dieses Wiener Landesgesetzes als sozialversicherungsrechtliche Vorschriften anzusehen.
Der von der Beschwerdeführerin gerügte Mangel, der Rückruf der Pensionszahlungen hätte bescheidmäßig ausgesprochen werden müssen, sei nicht begründet, weil die von der Beschwerdeführerin abgegebene Erklärung, wonach sie sich unter bestimmten Voraussetzungen mit einer Rücküberweisung der ihrem Girokonto gutgeschriebenen Beträge einverstanden erklärt habe, eindeutig dem Bereich des Privatrechts angehöre. Im Rahmen einer solchen privatrechtlichen Vereinbarung bleibe für eine Erledigung mittels Bescheid, also durch einen Rechtsakt der Hoheitsverwaltung, kein Raum. Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Rückforderungsanspruch auf die rückgerufenen Pensionsbeträge sei unbegründet, weil gemäß § 39 Abs. 1 PO der Anspruch auf rückständige Leistungen und das Recht auf Rückforderung zu Unrecht entrichteter Leistungen nach Ablauf von drei Jahren nach ihrer Entstehung verjähre. Soweit dieser Anspruch auf privatrechtliche Grundlagen gestützt werde, könne er nicht zum Gegenstand dieses Verwaltungsverfahrens gemacht werden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 24. September 1990 die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof brachte die Beschwerdeführerin ergänzend vor, sie sei in dem ihr gemäß §§ 14 ff PO zustehenden Recht auf Zahlung von Witwenversorgungsbezügen verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:
Der Beschwerdeführerin steht auf Grund der Pensionsordnung 1966, LGBl. für Wien Nr. 19/1967, in der Fassung der 7. Novelle, LGBl. Nr. 34/1986 (PO), als Witwe gemäß § 1 Abs. 4 leg. cit. ein Anspruch auf Versorgungsbezüge zu.
Gemäß § 34 Abs. 1 PO sind Geldleistungen dem Anspruchsberechtigten oder seinem gesetzlichen Vertreter im Wege der Post im Inland an die Adresse seines Wohnsitzes oder seines gewöhnlichen Aufenthaltes zuzustellen. Auf Verlangen des Anspruchsberechtigten oder seines gesetzlichen Vertreters kann die Auszahlung auch durch Überweisung auf ein Scheck- oder Girokonto bei einem inländischen Kreditinstitut erfolgen; in diesem Fall können auch die Abrechnungsbelege im Wege des Kreditinstitutes ausgefolgt werden. Nach Abs. 5 desselben Paragraphen muß der Anspruchsberechtigte, der seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, alljährlich bis längstens 1. März eine amtliche Lebensbestätigung nach dem Stand vom 1. Jänner desselben Jahres und, wenn er die Haushaltszulage bezieht, eine amtliche Bestätigung über seinen Familienstand, der Ruhegenußempfänger auch den Nachweis über den ungeänderten Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft der Dienstbehörde vorlegen. Der überlebende Ehegatte und der frühere Ehegatte, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, müssen außerdem alljährlich bis zu demselben Zeitpunkt eine amtliche Bestätigung darüber beibringen, daß sie nicht wieder geheiratet haben.
Wenn die amtlichen Bestätigungen nicht rechtzeitig vorgelegt werden, ist bis zu ihrem Einlangen mit der Zahlung auszusetzen (Abs. 6).
Gemäß § 39 Abs. 1 PO verjähren der Anspruch auf rückständige Leistungen und das Recht auf Rückforderung zu Unrecht entrichteter Leistungen nach Ablauf von drei Jahren nach ihrer Entstehung. Nach Abs. 3 dieses Paragraphen sind die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung mit der Maßgabe, daß die Geltendmachung im Verwaltungsverfahren einer Klage gleichzuhalten ist, anzuwenden.
Keiner der hier von der Behörde angewendeten Normen ist zu entnehmen, daß eine gesonderte Feststellung des Eintrittes der Verjährung zulässig wäre.
Mangels einer dem § 228 ZPO vergleichbaren Norm ist es strittig, ob im Verwaltungsverfahrensrecht Feststellungsbescheide zulässig sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können die Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Feststellungsbescheide erlassen, wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei liegt und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1987, Zl. 86/12/0147, Slg. N.F. Nr. 12.586/A). Für einen Feststellungsbescheid ist jedoch dort kein Raum, wo ein Leistungsbescheid möglich ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1986, Zl. 86/01/0175, Slg. N.F. Nr. 12.354/A, und die dort zitierte Lehre und Rechtsprechung). Kann die Frage, die im Verwaltungsverfahren strittig ist, im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens entschieden werden, dann ist, im Sinne dieser Rechtsprechung, die Erlassung eines Feststellungsbescheides unzulässig (vgl. auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1987, Zl. 87/12/0095, vom 30. April 1984, Zl. 83/12/0093, vom 13. Oktober 1986, Zl. 85/12/0122 und Zl. 85/12/0106, vom 6. Februar 1989, Zl. 87/12/0112, vom 19. März 1990, Zl. 88/12/0103, vom 8. April 1992, Zl. 87/12/0136 und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1977, Slg. 8.047).
Auf dem Boden der dargestellten Rechtsprechung beider Gerichtshöfe öffentlichen Rechts erweist sich die Erlassung des angefochtenen Feststellungsbescheides durch die belangte Behörde als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil die Frage der Verjährung des von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Anspruches nicht Gegenstand gesonderter Feststellung sein darf. Das öffentliche Interesse spricht in einem solchen Fall keineswegs dafür, nicht über den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Leistungsanspruch abzusprechen. Im Sinne der zitierten Judikatur hätte vielmehr in dem für den geltend gemachten Leistungsanspruch vorgesehenen Verfahren entschieden werden müssen.
Der angefochtene Bescheid mußte schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei Schriftsatzaufwand im Umfang des Begehrens, Ersatz für Gebühren hingegen nur im Umfang der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof entstandenen Gebührenpflicht zuerkannt werden konnte.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990120274.X00Im RIS seit
25.01.2001