Index
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler, den Vizepräsidenten Dr. Jabloner sowie die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Giendl als als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der J F in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der NÖ Lreg vom 7.10.1988, Zlen. R/1-V-87145/1, R/1-V-87145, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mP: 1. J S in B, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in B, 2. Stadtgemeinde B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in B), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,--, der mitbeteiligten Partei J S Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- und der mitbeteiligten Stadtgemeinde B Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Stadtgemeinde wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde erteilte der erstmitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 13. August 1971 die Bewilligung zum Neubau eines Rinderstalles mit Futterlager, Düngerstätte und Jauchegrube auf dem Grundstück Nr. 75, KG B. Laut den Planunterlagen und der Niederschrift über die Bauverhandlung vom 28. Juli 1971 - beides Bestandteile des Bescheides - sollte das Stallgebäude eine Größe von 11,50 m x 5,70 m und eine Höhe von 7,90 m an der Anrainergrundgrenze erhalten und abweichend vom Lageplan laut Punkt 5. der Niederschrift "im Bereich des Nebengebäudes des Anrainers S F" errichtet werden. Dieser Bescheid wurde - jedenfalls nach Auffassung der belangten Behörde - rechtskräftig.
2. Da der Erstmitbeteiligte das bewilligte Bauwerk nicht konsensmäßig errichtete, kam es - nach einer Reihe von hier nicht näher darzustellenden Verfahrensakten - schließlich zu einem Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 26. Juni 1987, mit dem einer Berufung der erstmitbeteiligten Partei Folge gegeben, ihr eine Verlängerung der Bauvollendungsfrist und die Abweichung vom genehmigten Projekt bewilligt wurde. Da bei der Ausfertigung dieses Bescheides irrtümlich eine Seite fehlte, erließ der Gemeinderat einen weiteren - berichtigenden - Bescheid vom 13. Oktober 1987.
3. Gegen den berichtigten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung. Sie begründete diese im wesentlichen damit, daß die Baubehörde die Sache nach dem Gesetz und unter Berücksichtigung (ihrer) Parteirechte in jeder Richtung neu hätte prüfen müssen. Weiters wäre neuerlich eine Bauverhandlung an Ort und Stelle durchzuführen gewesen, um eine Feststellung der aktuellen Gegebenheiten unter Wahrung (ihrer) Parteienrechte zu gewährleisten.
4. In weiterer Folge wurde der Bauakt der bautechnischen Abteilung der belangten Behörde zur Erstellung eines Gutachtens übermittelt. Es sollte geprüft werden, ob das Vorhaben, das in den Plänen vom März 1976 enthalten sei, gegenüber dem mit Bescheid vom 13. August 1971 genehmigten Vorhaben als im wesentlichen gleichartig zu beurteilen sei, sodaß es sich bei dem Plan vom März 1976 um einen Auswechslungsplan mit nur geringfügigen Abänderungen handelte oder ob dieses Vorhaben als etwas anderes als das im Jahre 1971 bewilligte Vorhaben anzusehen sei.
Das folgende Gutachten vom 1. März 1988 stellte fest, daß es sich um wesentliche Änderungen handelte, für die eine neuerliche Baubewilligung erforderlich sei. Dazu erstattete die mitbeteiligte Gemeinde am 23. August 1988 eine Stellungnahme, in der primär die Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Erhebung von Einwendungen bestritten wird. Die Beschwerdeführerin bzw. ihr Rechtsvorgänger hätten sich bereits im Jahre 1971 durch Nichtteilnahme an der Bauverhandlung sowie Nichtergreifen eines Rechtsmittels gegen die Baubewilligung vom 13. August 1971 der Berechtigung zur Erhebung von Einwendungen begeben. Alle folgenden Versuche, auf die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin doch Rücksicht zu nehmen und einen Vergleich zu erreichen, hätten sich nicht aus einer rechtlich gebotenen Berücksichtigung der Sphäre der Beschwerdeführerin ergeben. Im übrigen wird in der Stellungnahme dem Gutachten des bautechnischen Sachverständigen der belangten Behörde entgegengetreten und zusammenfassend festgestellt, daß keine so wesentlichen Änderungen vorliegen, daß die Benützungsbewilligung gemäß § 111 Abs. 1 der NÖ Bauordnung nicht erteilt werden könnte. In der Folge kam es zu einer mündlichen Verhandlung am 29. August 1988. Dabei wurden von den Teilnehmern der Bauverhandlung vom 28. Juli 1971 der Bauwerber und der damalige Vizebürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde beigezogen. Beide erklärten übereinstimmend, daß die Auflage Punkt 5 dieser Verhandlungsschrift und somit der Baubewilligung vom 13. August 1971 so gemeint gewesen sei, daß anstelle eines baufälligen Holzgebäudes, welches an der Rückseite des Nebengebäudes auf dem Grundstück F in einer um etwa um 1 m geringeren Länge situiert war, das neue Stallgebäude errichtet werden sollte. Die Lage dieser Gebäude sei der im Gemeindeakt enthaltenen Kopie des Katasterplanes sowie dem Blatt 3 des Bebauungsplanes der Stadtgemeinde B zu entnehmen. Die Ausführungen in der Verhandlungsschrift vom 4. Juli 1974 beschrieben die Abänderungen des Bauvorhabens, die einerseits durch die Auflage 5 bedingt und andererseits durch den Bauwerber selbst hinsichtlich der Lage vorgenommen worden wären. Mit Schriftsatz vom 15. September 1988 erstattete die Beschwerdeführerin eine Äußerung zum Ergebnis der mündlichen Verhandlung. In dieser Äußerung wird erstmals das für die nunmehrige Beschwerdebegründung vor dem Verwaltungsgerichtshof wesentliche Argument verwendet, die ursprüngliche Baubewilligung sei mangels der erforderlichen Bestimmtheit nicht wirksam. Dies im Hinblick darauf, daß die Formulierung "der Rinderstall ist im Bereich vom Nebengebäude des Anrainers F zu errichten", keine ausreichend genaue Situierung angebe, umsomehr als dies auch nicht mit einer entsprechenden Plandarstellung verbunden gewesen sei.
5.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung insoweit stattgegeben, als der Berufungsbescheid bezüglich der Verlängerung der Bauvollendungsfrist behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Stadtgemeinde verwiesen wurde; im übrigen wies die belangte Behörde die Vorstellung ab.
5.2. In dem für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nunmehr wesentlichen Punkt der Qualifikation des Bescheides ex 1971 baut die Begründung der belangten Behörde auf dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 29. August 1988 auf. Die Abweichung vom Plan des Gebäudes hinsichtlich seiner Lage sei gemäß Punkt 5. der Verhandlungsschrift vom 28. Juli 1971 erfolgt und somit von der Baubewilligung ex 1971 umfaßt. Zwar sei diese projektsändernde Auflage undeutlich abgefaßt, sodaß der Inhalt der Baubewilligung nicht ohne weiteres erkennbar sei, es sei aber die Baubewilligung aus dem Jahr 1971 dem damaligen Alleineigentümer der Nachbarliegenschaft, Herrn S F, am 20. August 1971 durch Hinterlegung zugestellt worden und ihm gegenüber sowie auf Grund der dinglichen Wirkung von Baubewilligungsbescheiden nunmehr auch gegenüber der Vorstellungswerberin in Rechtskraft erwachsen. Wenn nun auf Grund der undeutlichen Formulierung des Punktes 5. der Niederschrift für den Anrainer der Inhalt der Baubewilligung nicht verständlich gewesen wäre, so wäre es an ihm gelegen, mit einer Berufung gegen diesen Bescheid seine Rechte geltend zu machen, damit schon damals im Rahmen eines Berufungsverfahrens eine Klarstellung der bewilligten Situierung des Gebäudes hätte erfolgen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin sieht den angefochtenen Bescheid als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet an und beantragt seine Aufhebung, soweit mit dem angefochtenen Bescheid der Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde nicht zur Gänze behoben wird, in eventu wird der angefochtene Bescheid zur Gänze angefochten.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. In dieselbe Richtung gehende Gegenschriften wurden auch von der erstmitbeteiligten Partei und der mitbeteiligten Stadtgemeinde erstattet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdebegründung konzentriert sich darauf, daß die ursprüngliche Baubewilligung vom 13. August 1971 gegenüber der Beschwerdeführerin unwirksam sei. Es sei unzutreffend, daß die Beschwerdeführerin (bzw. ihr Ehemann) sich des Rechtes auf Einwendungen wegen der Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte dadurch begeben hätten, daß die Baubewilligung vom 13. August 1971 unangefochten geblieben sei. Dies sei verfehlt, weil eine Entscheidung nur den aus ihr selbst hervorgehenden Inhalt und keineswegs einen solchen Inhalt haben könne, der erst durch Akteneinsicht erschlossen werden muß. Gerade dies wäre jedoch in concreto erforderlich gewesen. Nicht einmal das wohl als absolutes Minimum vorauszusetzende Erfordernis sei erfüllt, daß aus dem Bewilligungsbescheid vom 13. August 1971 hervorginge, daß überhaupt eine Änderung im Bezug auf das Ansuchen vom 8. Juli 1971 eingetreten sei. Hieße es in diesem Bescheid wenigstens, daß über das "in der Bauverhandlung modifizierte" Ansuchen vom 8. Juli 1971 stattgebend entschieden worden sei, so hätte der Ehemann der Beschwerdeführerin als Bescheidempfänger wenigstens die Möglichkeit gehabt, grundsätzlich zumindest den Gedanken ins Auge zu fassen, daß eine solche Modifizierung seine Interessen berühren könnte. Tatsächlich fehlte jedoch ein solcher Hinweis, sodaß selbst ein solcher Ansatzpunkt für weitere Überlegungen nicht gegeben gewesen sei. Die bloße Bezugnahme auf "die Ergebnisse der Bauverhandlung vom 28. Juli 1971" könnte keinesfalls ausreichen, da dies eine ganz übliche Floskel sei, die selbst bei großer Aufmerksamkeit und Fachkenntnis einen Nachbarn nicht auf die Idee bringen würde, daß im Bezug auf seine Interessenlage eine ganz radikale und entscheidende Änderung des Bauvorhabens eingetreten sein könnte. Hinzu komme, daß die Ausführungen in der Niederschrift selbst ebenfalls unbestimmt seien, da die Angabe "im Bereich vom Nebengebäude des Anrainers F" völlig unzureichend sei. Aus diesen Erwägungen zieht die Beschwerdeführerin den Schluß, daß mit dem Bescheid vom 13. August 1971 überhaupt keine wirksame und vollziehbare Entscheidung gegeben sei. Dies jedenfalls nicht in Ansehung der Rechte der Beschwerdeführerin, da die Berührung dieser Rechte im Hinblick auf die Bezugnahme auf das "Ansuchen vom 8. Juli 1971", welches eine ganz andere Bausituierung vorsah, überhaupt nicht erkannt werden konnte.
Daraus zieht die Beschwerdeführerin den weiteren Schluß, daß eine Verlängerung der Baubewilligung deshalb ausgeschlossen sei, weil es eine rechtswirksame Baubewilligung überhaupt nicht gegeben habe. Ginge man davon aus, daß im Zuge des weiteren Verfahrens eine Sanierung dieses Mangels hätte erfolgen können, so hätte dies wiederum die Möglichkeit der Geltendmachung der Nachbarrechte der Beschwerdeführerin bewirkt.
Den Kern ihres Beschwerdevorbringens zusammenfassend hält die Beschwerdeführerin fest, daß eine Baubewilligung für das gegenständliche, weitgehend bereits errichtete Gebäude, jedenfalls aber für dessen Standort an ihrer Grundstücksgrenze überhaupt nie in wirksamer Form existierte und daher auch nicht verlängert werden konnte. Die Erteilung einer derartigen Baubewilligung sei unzulässig und es hätte diese daher auch nicht verlängert werden dürfen.
Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin im wesentlichen geltend, daß sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit der Zulässigkeit der Bauführung auseinandergesetzt habe.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes läßt die Beschwerdebegründung zwei unterschiedliche Deutungen zu: Zum einen die Behauptung, daß der entsprechende Spruchteil des Bescheides ex 1971, und zwar der Satz "Der Rinderstall ist im Bereich vom Nebengebäude des Anrainers F zu errichten" keine Norm darstelle und somit auch nicht rechtskräftig geworden sei; zum andern kann man das Beschwerdevorbringen auch dahingehend verstehen, daß dieser - unbestrittenermaßen interpretationsbedürftige - Spruchteil jedenfalls nicht den Inhalt hätte, den ihm die Baubehörde im fortgesetzten Verfahren beigemessen hat.
Soweit es die Frage der "absoluten Nichtigkeit" betrifft, so sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß dazu, dieser Erwägung näherzutreten. Unzweifelhaft liegt bei dem in Rede stehenden Satz eine Norm, nämlich eine der erstmitbeteiligten Partei erteilte Erlaubnis, vor. Der Bescheid wurde dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin durch Hinterlegung wirksam zugestellt und nicht mit einem Rechtsmittel bekämpft. Davon ausgehend ist daher festzuhalten, daß der in Frage stehende Spruchteil rechtskräftig wurde und eine Geltendmachung subjektiv öffentlich-rechtlicher Nachbarrechte im fortgesetzten Verfahren wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG 1950) unzulässig ist.
Es wäre aber auch denkbar, das Beschwerdevorbringen so zu deuten, daß die Behörden im fortgesetzten Verfahren dem in Frage stehenden Spruchteil eine aus dem Verwaltungsverfahren nicht erschließbare und/oder unzulässige Deutung gegeben hätten. Offenbar zur Klarstellung dieses Punktes hat die belangte Behörde versucht, im Wege der Einvernahme von seinerzeit an der Bescheiderlassung beteiligten Personen den sachlichen Gehalt des in Frage stehenden Wortteiles zu ermitteln. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist die Aufsichtsbehörde dabei in nachvollziehbarer Weise zur Ansicht gekommen, daß der Punkt 5. der Verhandlungsschrift vom 28. Juli 1971 (als Bestandteil des Bescheides vom 13. August 1971) so zu interpretieren sei, daß anstelle eines baufälligen Holzgebäudes, welches an der Rückseite des Nebengebäudes auf dem Grundstück des Herrn F in einer etwa um 1 m geringeren Länge situiert war, das neue Stallgebäude errichtet werden sollte.
Zur Vermeidung eines Mißverständnisses ist festzuhalten, daß es bei der nunmehrigen Auslegung des Bescheides ex 1971 nicht darum geht, ob der Bescheid - objektiv-rechtlich gesehen - den Bestimmtheitskriterien für die Erlassung von Bescheiden
nach den §§ 58 ff. AVG 1950 entspricht oder an sonstigen Mängeln leidet. Da der Bescheid rechtskräftig wurde, kann sich die gegenständliche Prüfung eben nur mehr auf die Auslegung des in Frage stehenden Spruchteiles beziehen.
Hat die belangte Behörde dem Bescheid ex 1971 aber keinen unvertretbaren Inhalt unterstellt bzw. ist sie auf nachvollziehbare Weise zu ihrer Auslegung gelangt, so fehlt der Beschwerde das sie zur Gänze tragende Begründungselement.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG sowie auf der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens der mitbeteiligten Stadtgemeinde betrifft nicht erforderliche Stempelgebühren (vgl. § 2 Z. 2 des Gebührengesetzes 1957).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1988050254.X00Im RIS seit
16.06.1992Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009