Index
L94408 Krankenanstalt Spital Vorarlberg;Norm
JN §66;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der Stadtgemeinde D, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 9. Dezember 1991, Zl. IVb-79-35/1991, betreffend Beiträge nach dem Vorarlberger Spitalbeitragsgesetz (mitbeteiligte Partei: Land Vorarlberg), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 11.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde auf Grund eines Antrages der mitbeteiligten Partei als Rechtsträger des Landeskrankenhauses Feldkirch die beschwerdeführende Gemeinde gemäß § 2 Abs. 1 des Vorarlberger Spitalbeitragsgesetzes, LGBl. Nr. 8/1987 (SpBG), verpflichtet, einen Beitrag zum Betriebsabgang des genannten Krankenhauses in näher genannter Höhe für die stationären Aufenthalte einer bestimmten Person (K.K.) in der Dauer von 56 Tagen im II. Quartal des Jahres 1991 sowie in der Dauer von 14 Tagen im III. Quartal desselben Jahres zu bezahlen.
In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die beschwerdeführende Gemeinde Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Das mitbeteiligte Land Vorarlberg hat unter Hinweis auf die Gegenschrift des "LH von Vorarlberg" (richtig: der Vorarlberger Landesregierung) auf die Erstattung einer weiteren Gegenschrift verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 SpBG haben die Gemeinden als Träger von Privatrechten zum Betriebsabgang von Krankenanstalten einen Beitrag in einer näher genannten Höhe zu leisten, der auf die einzelnen Gemeinden nach Maßgabe der ihnen zuzurechnenden Patienten aufzuteilen ist. Einer Gemeinde sind jene Patienten zuzurechnen, die unmittelbar vor der Aufnahme in die Krankenanstalt in der betreffenden Gemeinde ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Abweichend davon sind Patienten, die unmittelbar vor ihrer Aufnahme in die Krankenanstalt in Anstalten oder Heimen für alte oder pflegebedürftige Menschen untergebracht waren, jener Gemeinde zuzurechnen, in der sie unmittelbar vor ihrer Anstalts- oder Heimunterbringung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist lediglich strittig, ob die in Rede stehende Person im Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Gesetzes hatte. Die beschwerdeführende Gemeinde ist diesbezüglich der Ansicht, daß der letzte gewöhnliche Aufenthalt vor der Aufnahme in das Landeskrankenhaus Feldkirch in der Gemeinde B gewesen sei.
Zum gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des im wesentlichen gleichlautenden § 2 Abs. 1 des Vorarlberger SpBG, LGBl. Nr. 18/1958 in der damals geltenden Fassung, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17. November 1983, Zl. 08/3678/80 (Slg. Nr. 11.223/A), ausgeführt, daß dieser Begriff einerseits vom vorübergehenden Aufenthalt, andererseits vom ordentlichen Wohnsitz abzugrenzen sei. Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt sei derjenige Ort zu verstehen, in dem in der bestimmten und erkennbaren Absicht Aufenthalt genommen werde, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen. Der bloße Versuch, sich an einem Ort niederzulassen, genügt nicht, wenn die Umstände (fehlende Wohnung oder Arbeitsmöglichkeit) die Verwirklichung nicht zulassen. Dabei nahm der Verwaltungsgerichtshof auf seine frühere Rechtsprechung zu § 7 Abs. 2 der Fürsorgepflichtverordnung Bezug. Er ergänzte seine Ausführungen mit Hinweisen auf die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zu § 76 JN. Danach erfordere der Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" nicht die Absicht, dauernd an einem Ort verbleiben zu wollen, sondern es komme nur darauf an, ob jemand tatsächlich einen Ort zum Mittelpunkt seines Lebens, seiner wirtschaftlichen Existenz und seiner sozialen Beziehungen gemacht hat; für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes sei es erforderlich, daß dieser eine gewisse Dauer habe und dort auch tatsächlich der Mittelpunkt des Lebens liege. Als gewöhnlicher Aufenthaltsort könne nur der Ort angesehen werden, wo sich jemand gewöhnlich, das ist die meiste Zeit, aufhält; daher komme der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes dem des Wohnsitzes ziemlich nahe, wobei als Unterscheidungsmerkmal nur das Fehlen der Absicht, sich dauernd an diesem Ort niederzulassen, bezeichnet werden könne. Ein bloß kurzfristiger Aufenthalt an einem Ort ohne die Absicht, dort Wohnung zu nehmen, wie z.B. ein Aufenthalt während einer Reise oder ein Aufenthalt zu Besuchszwecken, reiche zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes nicht aus. Daraus zog der Verwaltungsgerichtshof den Schluß, daß der damalige Beschwerdeführer in der Gemeinde, in der er sich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen bei seinem Bruder aufgehalten hat, weil die vorgesehene Unterbringung bei seinem Arbeitgeber in einer anderen Gemeinde noch nicht möglich gewesen ist, keinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß K.K. seit 1. Oktober 1988 in der beschwerdeführenden Gemeinde wohnhaft war. Am 6. Mai 1989 habe er sich polizeilich abgemeldet und seinen Aufenthalt in der Gemeinde B genommen; am 16. Mai 1989 sei eine neuerliche Anmeldung in der beschwerdeführenden Gemeinde, und zwar in einer näher genannten Anstalt erfolgt. In dieser Anstalt hätte er bis zu seinem ersten stationären Aufenthalt im Landeskrankenhaus Feldkirch - abgesehen von einem "Zwischenaufenthalt" in einer weiteren Anstalt - gewohnt. Dieser Anstaltsaufenthalt sei nach dem dritten Satz des § 2 Abs. 1 SpBG nicht entscheidend. Der Aufenthalt in B vom 6. bis zum 16. Mai 1989 könne ihrer Rechtsauffassung nach nicht als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des Gesetzes angesehen werden, da K.K. diese Zeit bei einem Bekannten verbracht habe, der ihn vorübergehend bei sich untergebracht habe, damit er nicht in einem Gasthof übernachten müsse, bis er wieder eine Wohnmöglichkeit gefunden hätte; nach Aussage dieses Bekannten sei nicht beabsichtigt gewesen, daß K.K. seinen Wohnsitz nach B verlege.
Die beschwerdeführende Gemeinde rügt, daß die belangte Behörde nicht durch Befragung des K.K. erhoben habe, warum er sich am 6. Mai 1989 von seinem Wohnsitz in der beschwerdeführenden Gemeinde abgemeldet und welche Absicht er mit seinem Aufenthalt bei seinem Bekannten in B verfolgt habe. Diese Einvernahme hätte erbracht, daß K.K. nicht nur vorübergehend bei seinem Bekannten eingezogen sei. Dieser leide an derselben Krankheit wie K.K.; der Aufenthalt bei dem Bekannten hätte der "Erleichterung und gemeinsamen Regelung der damit verbundenen Probleme" dienen sollen. Diese Absicht gehe aus seiner polizeilichen Abmeldung am 6. Mai 1989 hervor, in der er auch die Gemeinde B als seinen nächsten Aufenthalt bezeichnete. In der Folge sei es zu unvorhersehbaren Meinungsverschiedenheiten mit seinem Unterkunftgeber gekommen. Dieser Unterkunftgeber sei nicht als Zeuge vernommen, sondern lediglich telefonisch befragt worden.
Soweit in der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Kriterien für die Auslegung des Begriffes des gewöhnlichen Aufenthaltes entwickelt wurden, hat es die belangte Behörde verabsäumt, die zur Beurteilung erforderlichen Ermittlungen anzustellen. Insbesondere wird es für diese Beurteilung unentbehrlich sein, die betreffende Person diesbezüglich zu befragen. Ein solcher Versuch der belangten Behörde ist nicht aktenkundig; sie bezieht vielmehr den Standpunkt, eine Einvernahme sei entbehrlich gewesen, weil sie über die Absichten des K.K. durch den Bekannten (den Unterkunftgeber in B) ausreichend informiert worden sei. Diese - lediglich fernmündlich erfolgte - Information ist aber zur Beurteilung des Willens des K.K. in bezug auf die Wahl dieser Gemeinde als gewöhnlicher oder nur vorübergehender Aufenthaltsort nicht ausreichend. Wenn auch die polizeiliche Meldung allein darüber, ob eine Person an einem bestimmten Ort einen (Wohnsitz oder) gewöhnlichen Aufenthalt hat, verhältnismäßig geringe Aussagekraft hat, so ist der Umstand der An- und Abmeldung bei einer Änderung des tatsächlichen Aufenthaltes ein gewichtiges Indiz dafür, daß (zumindest) ein gewöhnlicher Aufenthalt - wenn nicht gar ein ordentlicher Wohnsitz - begründet werden sollte.
Der Unterkunftgeber wäre ferner als Zeuge zu vernehmen gewesen.
Auf das Beschwerdevorbringen betreffend das Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthaltes des K.K. in der beschwerdeführenden Gemeinde vor dem 6. Mai 1989 war nicht einzugehen, da es sich dabei um eine unzulässige Neuerung handelt.
Der Sachverhalt ist in einem wesentlichen Punkt nicht ausreichend erhoben worden. Das hat zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu führen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992110031.X00Im RIS seit
11.07.2001