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61/01 Familienlastenausgleich;Norm
AlVG 1977 §20 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der JS in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 25. März 1992, Zl. IVb/7022/7100B, 920/3061150153, betreffend Familienzuschlag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste Wien vom 13. Dezember 1989 wurde u.a. festgestellt, daß der Beschwerdeführerin zur Notstandshilfe im Zeitraum vom 6. Mai 1987 bis 31. Jänner 1989 (betreffend ihren Sohn) bzw. vom 1. Oktober 1988 bis 31. Jänner 1989 (betreffend ihre Tochter) kein Familienzuschlag gemäß § 20 Abs. 2 AlVG gebühre.
Der beim Landesarbeitsamt Wien eingerichtete "zuständige Unterausschuß des Verwaltungsausschusses" gab mit dem vom Landesarbeitsamt Wien ausgefertigten Bescheid vom 9. Mai 1990 der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge.
Dieser Bescheid wurde - nach Aufhebung des § 56 Abs. 3 AlVG 1977, BGBl. Nr. 609 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 61/1983, durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1991, G 295/90 und Folgezahlen - mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1991, Zl. 90/08/0191, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Mit dem nunmehr erlassenen, angefochtenen Bescheid, der für den Leiter des Landesarbeitsamtes Wien ausgefertigt wurde, hat die belangte Behörde den Bescheid vom 9. Mai 1990 wiederholt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - wie auch schon im Verfahren Zl. 90/08/0191 - die Beschwerde der belangten Behörde zunächst mit der Aufforderung zugestellt, sich binnen einer Woche gemäß § 35 Abs. 2 VwGG zu folgenden Fragen zu äußern:
"Die Nichtgewährung des Familienzuschlages für den Sohn T wird für den Zeitraum vom 6.Mai 1987 bis 31. Mai 1988 damit begründet, daß die für ihn geleisteten Alimente den Grundbetrag der niedrigsten Lohnklasse um S 163,-- überstiegen hätten. In der Zeit vom 1. Juni 1988 bis 31. Jänner 1989 sei sein Einkommen - unter Berücksichtigung der Familienbeihilfe - über der "Geringfügigkeitsgrenze von S 2.527,-- (1988) bzw. S 2.593,-- (1989) gelegen. Die Nichtgewährung des Familienzuschlages für die Tochter der Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 1. Oktober 1988 bis 31. Jänner 1989 wird ebenfalls mit der bezogenen Familienbeihilfe begründet.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 15. Dezember 1988, Zl. 87/08/0082 und Zl. 88/08/0259, sowie ferner im Erkenntnis vom 25. Februar 1988, Zl. 87/08/0291, ausgeführt hat, zählt die Familienbeihilfe schon zufolge der ausdrücklichen Vorschrift des § 12a FLAG nicht zu den eigenen Mitteln des Kindes im Sinne des § 20 Abs. 2 AlVG. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß bei Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit im Sinne des § 20 Abs. 2 letzer Satz AlVG in der im streitgegenständlichen Zeitraum noch anzuwendenden Fassung des Stammgesetzes kein starrer Maßstab anzuwenden ist (vgl. die Erkenntnisse vom 25. Februar 1988, Zl. 87/08/0291, vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0144 und Zl. 88/08/0277, und vom 19. Juni 1990, Zl. 87/08/0272), insbesondere auch nicht der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes in der niedrigsten Lohnklasse (vgl. die Erkenntnisse vom 25. Februar 1988, Zl. 88/08/0291, und vom 15. Dezember 1988, Zl. 87/08/0062 u.a.).
Dem angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, daß die belangte Behörde entgegen dieser Rechtsprechung starre Einkommensgrenzen angewendet und die Familienbeihilfe eingerechnet hat, sodaß sich die in der Beschwerde behauptete Rechtsverletzung schon daraus zu ergeben scheint. Die belangte Behörde wird daher aufgefordert, sich innerhalb der gesetzten Frist zu dieser Frage zu äußern, insbesondere Umstände vorzubringen, die gegebenenfalls das augenscheinliche Vorliegen dieser Rechtsverletzungen als nicht gegeben erkennen lassen."
Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 13. Mai 1992 dazu lediglich mitgeteilt, entsprechend der ihr vorliegenden Weisungslage entschieden zu haben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 AlVG besteht das Arbeitslosengeld aus dem Grundbetrag und den Familienzuschlägen.
Gemäß § 20 Abs. 2 AlVG in der für die beschwerdegegenständlichen Zeiträume noch geltenden Fassung des Stammgesetzes, BGBl. Nr. 609/1977, sind u.a. für Kinder Familienzuschläge zu gewähren, wenn der Arbeitslose zum Unterhalt dieser Personen tatsächlich wesentlich beiträgt. Der Familienzuschlag gebührt nicht, wenn den zuschlagsberechtigten Personen zugemutet werden kann, den Aufwand für einen angemessenen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere durch eigene Arbeit zu bestreiten.
Gemäß § 38 AlVG gelten - soweit im dritten Abschnitt des AlVG nichts anderes bestimmt ist - auch für die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 dieses Gesetzes (und deshalb auch des § 20 Abs. 2 AlVG).
Zu dieser Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen - im oben wiedergegebenen Vorhalt gemäß § 35 Abs. 2 VwGG zitierten - Erkenntnissen ausgeführt, daß die Familienbeihilfe nicht zu den eigenen Mitteln des Kindes im Sinne des § 20 Abs. 2 AlVG zählt und daß bei Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit im Sinne des § 20 Abs. 2 letzter Satz AlVG kein starrer Maßstab anzuwenden ist. Auf diese Erkenntnisse und deren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Dem angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, daß die belangte Behörde entgegen dieser Rechtsprechung neuerlich starre Einkommensgrenzen angewendet und die Familienbeihilfe in die eigenen Mitteln des Kindes eingerechnet hat, sodaß sich die in der Beschwerde behauptete Rechtsverletzung schon aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, ohne daß die belangte Behörde Umstände, welche diese Rechtsverletzung nicht als gegeben erscheinen ließen, hätte geltend machen können.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 2 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992080088.X00Im RIS seit
18.10.2001Zuletzt aktualisiert am
14.10.2010