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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2 / Verordnung Inhalt gesetzwidrigLeitsatz
Gesetzwidrigkeit eines Flächenwidmungsplanes wegen Nichtabstimmung der Widmungen Betriebsbaugebiet und Wohngebiet iS der Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigung; Abgrenzung der Aufhebung nach Maßgabe der planlichen DarstellungSpruch
Der Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde St. Georgen i.A. vom 16. September 1982, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom
6. bis 21. Mai 1985, wird, soweit er das als "W" (Wohngebiet) gewidmete, von der Bahnhofstraße, der Khevenhüllergasse, der Johann Beer-Straße und der Bahnlinie Attersee-Vöcklabruck umgrenzte Gebiet betrifft, als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 1990 in Kraft.
Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B1205/88 und B1206/88 Beschwerdeverfahren anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde St. Georgen i.A. vom 31. März 1987 wurde der Gemeinnützigen Siedlergemeinschaft "T..." reg. Gen.m.b.H. die Errichtung einer Wohnhausanlage auf den Grundparzellen Nr. 391/2 und 404 der KG St. Georgen i.A. bewilligt. Die dagegen von den Beschwerdeführern als Anrainer mit der Begründung erhobene Berufung, der der Baubewilligung zugrundeliegende Flächenwidmungsplan sei gesetzwidrig, wurde mit Beschluß des Gemeinderates vom 30. Oktober 1987 abgewiesen. Der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellung gab die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 26. April 1988 keine Folge.
Gegen diesen Vorstellungsbescheid richten sich die beiden Beschwerden, in denen sich die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums und wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich des im Spruch genannten Flächenwidmungsplanes, in ihren Rechten verletzt erachten und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof beantragen.
2. Die Oberösterreichische Landesregierung legte über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes die Akten des Verwaltungsverfahrens und die den Flächenwidmungsplan betreffenden Akten vor und führte in einer Äußerung aus, daß der von den Beschwerdeführern als gesetzwidrig behauptete Flächenwidmungsplan "jedenfalls formell rechtmäßig zustande gekommen ist". Die Gemeinde St. Georgen i.A. gab als Beteiligte des verfassungsgerichtlichen Verfahrens zur aufgeworfenen Frage der Gesetzmäßigkeit ihres Flächenwidmungsplanes keine Stellungnahme ab.
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat am 9. März 1989 aus Anlaß dieser Beschwerden beschlossen, die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde St. Georgen i.A. vom 16. September 1982, genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. April 1985, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 6. bis zum 21. Mai 1985, soweit er das als "W" (Wohngebiet) gewidmete, von der Bahnhofstraße, der Khevenhüllergasse, der Johann Beer-Straße und der Bahnlinie Attersee-Vöcklabruck umgrenzte Gebiet betrifft, von Amts wegen zu prüfen.
In diesem Beschluß hat der Verfassungsgerichtshof zunächst festgehalten, daß der in Prüfung gezogene Flächenwidmungsplan für die von der Baubewilligung betroffenen Grundstücke die Widmung Wohngebiet vorsieht. Die im Eigentum der Beschwerdeführer in den Anlaßverfahren stehenden angrenzenden Grundstücke sind im Flächenwidmungsplan als Betriebsbaugebiet ausgewiesen; auf ihnen betreibt die Zweitbeschwerdeführerin ein Sägewerksunternehmen.
Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung hat der Verfassungsgerichtshof wie folgt begründet:
"a) Der Verfassungsgerichtshof hat im - ebenfalls einen Flächenwidmungsplan nach dem Oberösterreichischen Raumordnungsgesetz betreffenden - Erkenntnis VfSlg. 10703/1985 ausgeführt, daß bei einem unmittelbaren 'Zusammenstoßen' von bereits zu Wohnzwecken verbauten Flächen und Betriebsarealen von der Planung her eine gegenseitige Beeinträchtigung in vielen Fällen kaum vermeidbar sei. Das in §16 Abs2 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes (im folgenden OÖ ROG) statuierte Gebot der möglichsten Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigung könne aber bei der Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten (§2 OÖ ROG) dazu führen, daß neben einem Betriebsbaugebiet (für ein Sägewerk), von dem starke Emissionen ausgehen, auf angrenzenden Grundstücken keine Widmung vorgesehen werden dürfe, die die Verbauung zu Wohnzwecken ermögliche, insbesondere, wenn auf diesen Grundstücken keine vorhandene Bebauung berücksichtigt werden muß.
b) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt dazu, daß Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der vom Verordnungsgeber vorgenommenen Widmung 'Wohngebiet' für die an das Sägewerksareal angrenzenden Grundstücke bestehen. Anders als im genannten Erkenntnis VfSlg. 10703/1985 grenzen im vorliegenden Fall nicht die Widmungen 'gemischtes Baugebiet' und 'Betriebsbaugebiet' aneinander, sondern 'Betriebsbaugebiet' grenzt unmittelbar sogar an 'Wohngebiet'.
Zwar bestand nach den Bauakten innerhalb des Grundstückes Nr. 391/2 zum Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes ein
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inzwischen abgebrochenes - Wohngebäude. Demgegenüber hat der Gemeinderat im Flächenwidmungsplan im Hinblick auf das Sägewerk der Zweitbeschwerdeführerin offenbar eine eher großzügige Ausweisung von Grundflächen als Betriebsbaugebiet - und zwar anscheinend auch auf Flächen, auf denen derzeit noch keine Betriebsanlagen bestehen
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vorgenommen, um - wie es scheint - den Bestand des Sägewerksbetriebes zu sichern. Dies hätte aber, wenn der Verordnungsgeber hiebei die Grundsätze des OÖ ROG beachtet hätte, anscheinend zur Folge haben müssen, daß die Wohnbebauung in der unmittelbaren Umgebung des Betriebsbaugebietes möglichst zurückzudrängen (gewesen) wäre. Tatsächlich hat auch der Gemeinderat - offenbar solchen Grundsätzen Rechnung tragend - zwischen dem Betriebsbaugebiet und den nächsten (ebenfalls nördlich liegenden) Wohngebieten einen Streifen Grünland vorgesehen, der nur im Bereich jener Grundstücke keine Fortsetzung findet, auf die sich die im vorliegenden Verfahren angefochtene Baubewilligung bezieht.
c) Zusammengefaßt hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle einerseits mit dem im letzten Satz des §16 Abs2 OÖ ROG festgelegten Erfordernis der möglichsten Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigungen nicht in Einklang steht sowie andererseits entgegen §13 Z2 OÖ ROG auf die in den Bestimmungen des §2 Abs4 Z6 und Abs6 Z1 enthaltenen Raumordnungsgrundsätze nicht hinreichend Bedacht genommen wurde, wobei möglicherweise bei Erlassung des Flächenwidmungsplanes entgegen §13 Z1 OÖ ROG (vgl. auch §15 Abs3 OÖ ROG) der Zustand des Raumes nicht hinreichend untersucht wurde."
2. Die Oberösterreichische Landesregierung hat im Verordnungsprüfungsverfahren in einer Äußerung die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes verteidigt und darauf hingewiesen, daß "bei Kenntnis der Problematik" des unmittelbaren Aneinandergrenzens der Widmungen Betriebsbaugebiet und Wohngebiet jedenfalls zu bedenken sei, daß hier eine andere Lösung insofern schwer möglich gewesen sei, als der Verordnungsgeber an den bereits vorhandenen Bestand gebunden gewesen sei. Auf den als Betriebsbaugebiet gelegenen Grundstücken existiere seit 1919 ein gewerbebehördlich bewilligter Sägewerksbetrieb, wobei die im Nordosten an das nunmehrige Wohngebiet angrenzenden Grundstücksteile immer nur als Lagerplatz Verwendung gefunden hätten. Das nunmehr nordöstlich dieses Betriebsareals ausgewiesene Wohngebiet sei bereits in den Jahren zwischen 1920 und 1930 auch mit Wohngebäuden bebaut worden. Aufgrund dieser faktischen Zustände an Ort und Stelle und dem Umstand, daß der unmittelbar an das Wohngebiet angrenzende Teil des Betriebsareals lediglich als Lagerplatz Verwendung finden sollte, sei bei Berücksichtigung der vorhandenen Bebauung eine "andere Widmungsreihung" kaum möglich gewesen. Der Verordnungsgeber habe zwangsläufig dem Erfordernis nach möglichster Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigungen letztlich kaum Rechnung tragen können.
Die Oberösterreichische Landesregierung sei daher der Ansicht, daß den Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes "nicht im jedem Falle eine Berechtigung zukommen" müsse.
3. Der Gemeinderat der Marktgemeinde St. Georgen i.A. hat folgende Stellungnahme abgegeben:
"Bei der seinerzeitigen Erstellung des Flächenwidmungsplanes wurde im wesentlichen die Widmung den vorhandenen Beständen angepaßt. So ergab sich durch den Bestand eines größeren Wohnobjektes und dem Sägewerksbetrieb ein direktes Aneinandergrenzen von Wohngebiet und Betriebsbaugebiet.
Die ursprüngliche Situierung des Sägewerksbetriebes war relativ weit vom bestehenden Wohnobjekt gelegen, sodaß eine gegenseitige Beeinträchtigung nicht zu erwarten war.
Der im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan an das Betriebsbaugebiet angrenzende Grünlandstreifen wurde einzig und allein auf Wunsch des Liegenschaftseigentümers ausgewiesen. Ein direkter Zusammenhang mit der Betriebsbaugebietswidmung kann daher nicht abgeleitet werden."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Verordnungsprüfungsverfahren wurde nichts vorgebracht und hat sich auch sonst nichts ergeben, was gegen das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen dieses Verfahrens spräche. Das Normenprüfungsverfahren ist daher zulässig.
2. Das Verfahren hat aber auch nichts erbracht, was die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entkräftet hätte.
Es trifft zwar einerseits zu, daß bei Bedachtnahme auf die bestehenden Nutzungen dem in §16 Abs2 letzter Satz des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes (OÖ ROG) statuierten Gebot, die verschiedenen Baulandwidmungen so aufeinander abzustimmen, daß eine gegenseitige Beeinträchtigung möglichst vermieden wird, in vielen Fällen nicht voll Rechnung getragen werden kann. Auch wird diesem Erfordernis etwa bei einem unmittelbaren Aufeinanderstoßen von gemischtem Baugebiet und Betriebsbaugebiet oder von gemischten Baugebiet und Wohngebiet allenfalls etwas weniger Gewicht zukommen wie bei einem Zusammentreffen von (reinem) Wohngebiet und Betriebsbaugebiet. Andererseits ist die Bedachtnahme auf die tatsächlichen Gegebenheiten nur ein - wenngleich wichtiges - Kriterium, welches der Verordnungsgeber im Rahmen seines Planungsermessens bei Beachtung der Ziele der Raumordnung zu berücksichtigen hat. Es wird sicherlich auch Fälle geben, in denen dem Plansetzer nur die Möglichkeit bleibt, den bestehenden Zustand festzuschreiben, selbst wenn dadurch den übrigen Raumordnungsgrundsätzen nicht Rechnung getragen werden kann.
Eine solche Konstellation liegt jedoch hier nicht vor: Die Landesregierung und der Gemeinderat weisen eigens darauf hin, daß der Sägewerksbetrieb von den bestehenden Wohnbauten zunächst relativ weit entfernt war, sodaß - wie es der Gemeinderat ausdrückt - "eine gegenseitige Beeinträchtigung nicht zu erwarten war". Gerade bei einer solchen Situation hätte der Planungsgeber im Hinblick auf das bereits mehrfach erwähnte Gebot des §16 Abs2 letzter Satz OÖ ROG dafür Sorge tragen können und kraft Gesetzes auch müssen, daß auch weiterhin keine Beeinträchtigung eintritt. Der Gemeinderat hätte aber durch ein undifferenziertes Festlegen von Betriebsbaugebiet und Wohngebiet unmittelbar nebeneinander - noch dazu in Anbetracht der von einem Sägewerk ausgehenden Emissionen - eine derartige Beeinträchtigung nicht geradezu auslösen dürfen.
Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinem Beschluß vom 9. März 1989 auf Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens erwähnt, daß im Flächenwidmungsplan zwischen dem hier maßgeblichen Betriebsbaugebiet und den nächsten (ebenfalls nördlich liegenden) Wohngebieten ein Streifen Grünland ausgewiesen ist, der nur im Bereich jener Grundstücke keine Fortsetzung findet, auf die sich die in den Anlaßverfahren angefochtene Baubewilligung bezieht. Wenn der Gemeinderat den Bestand des Sägewerks sichern wollte (s. den in §2 Abs6 Z1 OÖ ROG angeführten Schutz von Betrieben vor Nutzungen, die eine standortgerechte Verwendung behindern oder unmöglich machen), hätte er die Möglichkeit (gehabt), den Grünlandstreifen mittels Widmungsänderung auf die in den Anlaßbeschwerdeverfahren maßgeblichen Baugrundstücke auszudehnen, hiedurch eine neuerliche Bebauung dieser Grundstücke hintanzuhalten und auf diese Weise in Befolgung der Grundsätze des OÖ ROG die Wohnbebauung in der unmittelbaren Umgebung des Betriebsbaugebietes zurückzudrängen. Hiebei ist es - entgegen der Auffassung des Gemeinderates - nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob der betreffende Liegenschaftseigentümer die Ausweisung eines solchen Grünstreifens wünscht oder damit nicht einverstanden ist.
Es trifft also insgesamt nicht zu, daß - wie die Landesregierung und der Gemeinderat meinen - die gegebene Situation es dem Gemeinderat unmöglich gemacht hätte, die übrigen im OÖ ROG festgelegten Planungsziele und Grundsätze - insbesondere jenen des §16 Abs2 letzter Satz dieses Gesetzes - zu beachten.
3. Der Flächenwidmungsplan ist daher, soweit er in Prüfung gezogen wurde, als gesetzwidrig aufzuheben.
Der Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde St. Georgen i.A. weist zwar Parzellengrenzen aus, enthält aber die Nummern der einzelnen Grundstücke nicht. Es ist also nicht möglich, allein auf der Basis der Darstellung im Flächenwidmungsplan einzelne Parzellen herauszugreifen und die Aufhebung auf die hier maßgeblichen Grundstücke zu beschränken (vgl. VfGH 16.12.1987 V23/87). Der Verfassungsgerichtshof kann daher nur die im Spruch genannten öffentlichen Verkehrsflächen und die Bahnlinie einerseits sowie innerhalb dieses Bereiches die im Plan als Wohngebiet bezeichnete Fläche andererseits zur Abgrenzung der Aufhebung heranziehen.
Die übrigen Aussprüche beruhen auf Art139 Abs5 B-VG.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Planungsziele, VfGH / VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:V16.1989Dokumentnummer
JFT_10108798_89V00016_00