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L65000 Jagd Wild;Norm
AVG §56 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Leukauf, Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des H in F, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 18. Dezember 1991, Zl. IIIa2-2497/1, betreffend Maßnahmen zur Hintanhaltung von Wildschäden, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, soweit damit die Berufung gegen die Spruchpunkte 1. und 2. des erstinstanzlichen Bescheides abgewiesen und in diesem Umfang der Ausschluß der aufschiebenden Wirkung der Berufung bestätigt wurde; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Teilbescheid vom 1. Oktober 1991 trug die Bezirkshauptmannschaft "gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a Tiroler Jagdgesetz 1983, LGBl. Nr. 60, in Verbindung mit § 59 Abs. 1 AVG 1991, BGBl. Nr. 51, den Jagdausübungsberechtigten der Genossenschaftsjagd B zur Hintanhaltung von (waldgefährdenden) Wildschäden auf:
1.
sämtliches im Bereich des B Berges einstehende Gamswild ohne Einhaltung der Abschußrichtlinien nach der
2. Durchführungs-Verordnung zum Tiroler Jagdgesetz zu erlegen (Totalabschuß);
2.
über den genehmigten Abschußplan hinaus zusätzlich 9 Stück weibliches Rehwild zu erlegen;
3.
in sämtlichen Verjüngungsflächen des Genossenschaftsgebietes BIS LÄNGSTENS 31.10.1991 folgende Maßnahmen zum Einzelschutz gefährdeter Forstpflanzen durchzuführen:
a) Die Gipfel und Seitentriebe sämtlicher Jungwuchspflanzen (auch der Naturverjüngung) sind mit anerkannten chemischen Wildverbißschutzmitteln (z.B. Cervidon) zu behandeln; ein Entfernen der grünen Äste ist hiebei nicht gestattet. Der Streichvorgang ist mindestens alle fünf Jahre zu wiederholen, bis sich eine starke Borke gebildet hat (Schälschutz).
b)
An den vorwüchsigen Lärchen mit einer Höhe zwischen 150 cm und 250 cm sind Fegeschutzspiralen anzubringen."
Ferner wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers (des Pächters des Genossenschaftsjagdgebietes B) wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung ging die belangte Behörde im wesentlichen davon aus, daß es im gegenständlichen Jagdgebiet zufolge überhöhter Schalenwildbestände zum Auftreten von Wildschäden gekommen sei, die eine Verminderung des Wildstandes im Interesse der Landeskultur im Sinne des § 52 Abs. 1 des Tiroler Jagdgesetzes 1983, LGBl. Nr. 60, (JG) notwendig machten. In bestimmten Revierteilen seien Waldverwüstungen durch jagdbare Tiere festgestellt worden. Es habe ein Totverbiß im Keimlings- und Sämlingsalter stattgefunden. Ältere Pflanzen seien durch Verbiß, Fegen und Schlagen vernichtet worden. An Stangenhölzern seien Schälschäden aufgetreten. Erschwerend wirke, daß es sich im Südteil der Schadensfläche um Murgebiet handle und bei Verschwinden des Waldes eine Gefährdung des Siedlungsraumes eintreten könne. Aus Verbißschäden mit waldgefährdenden Wildschäden in den Verjüngungsflächen lasse sich erkennen, daß das Aufbringen der Mischbaumarten kaum möglich sei. Daraus ergebe sich auch das Vorliegen waldgefährdender Wildschäden im Sinne des § 52 Abs. 3 JG. Die Erstbehörde habe zu Recht die Voraussetzungen gesetzlicher Maßnahmen zur Hintanhaltung von Wildschäden gemäß § 52 Abs. 1 und 2 JG für gegeben erachtet. Die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides enthaltenen Vorschreibungen entsprächen den in einem forstlichen Gutachten über die landeskulturelle Verträglichkeit der Schalenwildbestände erfolgten Lösungsvorschlägen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Meinung des Beschwerdeführers, aus der Textierung des erstinstanzlichen Bescheides ("den Jagdausübungsberechtigten") gehe der Bescheidadressat nicht eindeutig hervor, trifft nicht zu. Dem Bescheid ist eine Zustellverfügung beigesetzt, wonach er an "1. den Jagdausübungsberechtigten H" ergeht. Damit wurde der Bescheidadressat mit hinreichender Deutlichkeit bestimmt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 1. März 1976, Slg. Nr. 9004/A).
Für die Entscheidung in der Sache selbst sind folgende Bestimmungen des § 52 JG maßgebend:
"(1) Soweit sich bei Auftreten von Wildschäden die Verminderung des Wildstandes im Interesse der Landeskultur als notwendig erweist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde von Amts wegen oder auf Antrag der Grundeigentümer oder der Bezirkslandwirtschaftskammer unter Bedachtnahme auf die im § 37 Abs. 2 angeführten Ziele den Jagdausübungsberechtigten jener Jagdgebiete, die zum Lebensraum des den Wildschaden verursachenden Wildes gehören, einen ziffernmäßig und zeitlich sowie allenfalls auch örtlich zu begrenzenden Abschuß von Wild vorzuschreiben. Ein solcher Abschuß kann auch während der Schonzeit, zur Nachtzeit und abweichend vom Abschußplan vorgeschrieben werden.
(2) Bei Auftreten waldgefährdender Wildschäden (Abs. 3) kann die Bezirksverwaltungsbehörde dem Jagdausübungsberechtigten anstelle der Erteilung eines Auftrages nach Abs. 1 oder zusätzlich zu einem solchen Auftrag
a) die Durchführung geeigneter Maßnahmen zum Einzelschutz gefährdeter Forstpflanzen, wie die Anwendung geeigneter mechanischer oder chemischer Schutzmittel,
b)
...
c)
...
vorschreiben, soweit dies zur Vermeidung von Wildschäden erforderlich ist.
(3) Wildschäden sind waldgefährdend, wenn durch Verbiß, Verfegen oder Schälen
a) die fristgerechte Wiederbewaldung oder die Neubewaldung (§ 13 und § 4 des Forstgesetzes 1975) mit standortgerechten Baumarten und größeren Flächen verhindert oder gefährdet wird,
b) in Waldbeständen das Entstehen von Blößen verursacht oder auf größeren Flächen die Bestandsentwicklung unmöglich gemacht oder wesentlich verschlechtert wird.
(4) Maßnahmen nach Abs. 2 sind unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der anzuwendenden Mittel und unter Bedachtnahme darauf vorzuschreiben, daß die widmungsgemäße Bewirtschaftung und Benützung der Grundstücke nicht unzumutbar erschwert oder unmöglich gemacht wird..."
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß es im gegenständlichen Jagdgebiet zu einer starken Zunahme der Wildschäden gekommen sei, geht an der Sache vorbei. Für die Rechtmäßigkeit der Vorkehrung von Maßnahmen gemäß § 52 Abs. 1 und 2 JG kommt es nämlich lediglich auf die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung aufgetretenen Wildschäden an, deren im Beschwerdefall nach Art und Umfang erfolgte Feststellung vom Beschwerdeführer nicht konkret bekämpft wird. Ob diese Wildschäden gegenüber einer früheren Erhebung zugenommen haben oder nicht, ist nicht entscheidend. Unerheblich ist es auch, ob die Wildschäden vom derzeitigen Jagdausübungsberechtigten oder von anderen Personen, etwa einem früheren Jagdpächter, verursacht wurden. Die Auffassung des Beschwerdeführers, daß Maßnahmen gemäß § 52 Abs. 1 und 2 JG nur gegenüber jenem Jagdausübungsberechtigten angeordnet werden könnten, in dessen Pachtdauer die Wildschäden erstmals entstanden und aufgetreten seien, läuft dem mit der Regelung verfolgten, im öffentlichen Interesse gelegenen Zweck der Hintanhaltung von Wildschäden zuwider und findet im Gesetz keine Deckung. Warum "jede andere Auslegung ... auch dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen (würde)", ist unerfindlich.
Weitere Einwände wurden - soweit es sich um die Vorschreibung der in Punkt 3. angeführten Maßnahmen handelt - vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag bei der gegebenen Sach- und Rechtslage in diesem Punkte keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wahrzunehmen. Dies gilt auch für den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen diesen Teil des behördlichen Abspruches. Der Verwaltungsgerichtshof tritt der belangten Behörde bei, daß die vorzeitige Vollstreckung gemäß § 64 Abs. 2 AVG im Interesse des öffentlichen Wohles zur Hintanhaltung weiterer Wildschäden wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Die Beschwerde war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Im Ergebnis begründet ist die Beschwerde hingegen, soweit sie sich gegen die Anordnung der in den Punkten 1. und 2. des erstinstanzlichen Bescheides angeführten Maßnahmen richtet. Die belangte Behörde hat nämlich außer acht gelassen, daß ein zur Verminderung des Wildstandes gemäß § 52 Abs. 1 erster Satz JG vorzuschreibender Abschuß von Wild "ziffernmäßig und zeitlich" zu begrenzen ist. Diesem gesetzlichen Gebot wurde insofern nicht Rechnung getragen, als dem in Punkt 1. verfügten Abschuß von Gamswild eine ziffernmäßige und zeitliche Begrenzung und dem in Punkt 2. verfügten Abschuß von weiblichem Rehwild eine zeitliche Begrenzung mangelt. Schon deshalb ist der angefochtene Bescheid in diesen Punkten sowie in dem den diesbezüglichen Ausspruch gemäß § 64 Abs. 2 AVG betreffenden Abspruch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Der angeführte Bescheid war daher im angeführten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde erübrigte sich damit.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Stempelgebührenersatz für die nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde.
Schlagworte
Jagdschaden Wildschaden SchadensverhütungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992030045.X00Im RIS seit
03.05.2001