TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/17 91/01/0190

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Veröffentlicht am 17.06.1992
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §5;
AVG §68 Abs2;
FlKonv;
FrPolG 1954 §3 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z5;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §11a Z4 lita;
StbG 1985 §12 litb;
StbG 1985 §15 Abs1 lita;
StRAG Art9 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. Dezember 1990, Zl. Stb-32.020/5-1990/Sch, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. Dezember 1990 wurde das am 20. April 1990 gestellte Ansuchen des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1, 6 und 7 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 i. d.F. BGBl. Nr. 386/1986 (StbG), abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 30. September 1991, B 67/91, nach Ablehnung ihrer Behandlung abgetretene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid zusammenfassend damit begründet, daß der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 1, 6 und 7 StbG nicht erfülle. Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde gegen diese Annahme, indem er die Auffassung vertritt, daß alle diese Voraussetzungen vorlägen. Hinsichtlich der Voraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG bringt der Beschwerdeführer vor, daß er "zumindest seit 29.12.1960 durchgehend in Österreich mit einem ordentlichen Wohnsitz gemeldet" sei und deshalb im Sinne dieser Gesetzesstelle seit mindestens 10 Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik habe. Die belangte Behörde, die davon ausgegangen ist, daß sich der Beschwerdeführer "seit Ende 1951 im Bundesgebiet aufhält", hat dem entgegengehalten, daß mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 13. Mai 1954 gegen den Beschwerdeführer "ein Aufenthaltsverbot (früher Landesverweisung) erlassen", dieses mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 13. Oktober 1982 aufgehoben worden sei und dieses rechtskräftige Aufenthaltsverbot eine Wohnsitzunterbrechung im Sinne des § 15 Abs. 1 StbG darstelle, weshalb der für das Staatsbürgerschaftsverfahren anrechenbare ununterbrochene Wohnsitz in Österreich erst ab 13. Oktober 1982 gegeben sei. Der Beschwerdeführer stellt diesen (durch die Aktenlage gedeckten) Sachverhalt nicht in Abrede, meint aber, daß es einzig und allein auf das Bestehen eines 10-jährigen ununterbrochenen Wohnsitzes in Österreich ankomme.

Die belangte Behörde hat mit Recht auf die Bestimmung des § 15 Abs. 1 lit. a StbG, wonach der Lauf der Wohnsitzfrist unter anderem nach § 10 Abs. 1 Z. 1 (und im übrigen auch der nach § 12 lit. a) durch ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot unterbrochen wird, Bedacht genommen. Gemäß Art. IX Abs. 3 des (mit 1. Jänner 1975 in Kraft getretenen) Strafrechtsanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 422/1974, gilt die bereits ausgesprochene Landesverweisung oder Abschaffung einer Person, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, als Aufenthaltsverbot nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954. Der Beschwerdeführer selbst hat nie behauptet, daß die Landesverweisung am 1. Jänner 1975 - insbesondere auf Grund erfolgter Tilgung der Verurteilung, sodaß die Wohnsitzfrist bereits zu einem früheren Zeitpunkt nach der Tilgung neu zu laufen begonnen hätte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1972, Slg. Nr. 8152/A) - nicht mehr aufrecht gewesen sei, und es ergibt sich auch anhand der von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten dafür kein Anhaltspunkt. Vielmehr wurde unbestrittenermaßen das bestehende Aufenthaltsverbot erst über Antrag des Beschwerdeführers vom 1. September 1982 mit dem erwähnten Bescheid vom 13. Oktober 1982 gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 aufgehoben. Eine Anrechnung früherer Zeiträume auf die erforderliche Wohnsitzfrist kommt auch im Falle einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nach dieser Gesetzesstelle mangels Rückwirkung nicht in Betracht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1972, Zl. 1275/72), wie dies ganz allgemein gilt, wobei es überdies keine Rolle spielt, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer trotz des Aufenthaltsverbotes einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich beibehalten hat (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1970, Slg. Nr. 7915/A, und vom 15. Juni 1988, Zl. 87/01/0025). Schon aus diesem Grunde ist für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen, wenn er die Feststellung der belangten Behörde rügt, daß ihm "zu keiner Zeit der Flüchtlingsstatus zuerkannt" worden sei, und er in diesem Zusammenhang das Hauptgewicht seiner Ausführungen darauf legt, daß ihm auch ohne formale Anerkennung als Flüchtling der Status eines solchen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zugekommen sei und "auch die Behörden" im Hinblick darauf, daß trotz des Aufenthaltsverbotes keine "Zwangsmaßnahmen erfolgt" seien und er nicht abgeschoben worden sei, "zumindest implizit davon ausgegangen" seien. Der Beschwerdeführer übersieht offenbar auch, daß die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides daran gebunden war, daß gegen den Beschwerdeführer bis 13. Oktober 1982 ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestanden hat. Dieses bewirkte aber - wie gesagt -, daß die Wohnsitzfrist des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG erst nach Aufhebung des Aufenthaltsverbotes wieder neu zu laufen begonnen hat und daher in dem hiefür maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides der Beschwerdeführer nicht bereits seit mindestens 10 Jahren ununterbrochen einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich hatte.

Da jedenfalls diese eine Voraussetzung für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer fehlte - wobei er gar nicht geltend macht, daß sie bei ihm auf Grund der Bestimmung des § 10 Abs. 4 StbG entfallen könne - und die im § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 8 StbG im einzelnen angeführten Voraussetzungen kumulativ und unabhängig voneinander gegeben sein müssen und daher selbständig zu beurteilen sind (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1972, Slg. Nr. 8152/A, und vom 18. April 1979, Zl. 2738/77), wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid - ungeachtet der Frage nach der Richtigkeit der Beurteilung der übrigen Verleihungsvoraussetzungen durch die belangte Behörde - nicht in seinen Rechten verletzt. Es erübrigte sich daher, noch auf die die anderen Voraussetzungen betreffende Begründung des angefochtenen Bescheides und das damit in Zusammenhang stehende Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Eintritt und Umfang der Rechtswirkungen von Entscheidungen nach AVG §68

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991010190.X00

Im RIS seit

17.06.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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