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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des 1. Dr. B und 2. der H, beide in L, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. April 1987, Zl. GA 6/3-3061/2/87, betreffend Bescheidaufhebung gemäß § 299 Abs. 1 lit.a BAO (einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1979 bis 1982 sowie Nichtfestsetzung von Umsatzsteuer für die Jahre 1979 bis 1982), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer - ein Ehepaar - wurden für die Jahre 1979 bis 1981 als Miteigentümergemeinschaft betreffend ein in Wien gelegenes Wohnhaus steuerlich erfaßt und als sogenannte Hausgemeinschaft zur Umsatzsteuer veranlagt. Die Einkünfte aus der Liegenschaft wurden als solche aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 18 Abs. 1 lit.d BAO einheitlich und gesondert festgestellt.
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung durch das Lagefinanzamt in Wien vertrat der Prüfer die Rechtsansicht, daß die Liegenschaft Bestandteil eines gewerblichen Grundstückshandels sei, der von den beiden Ehegatten in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben werde. Mit Rücksicht auf den gemeinsamen Wohnsitz, von dem aus dieser Betrieb bzw. das Unternehmen geleitet werde, sei das Finanzamt B für die Erlassung der entsprechenden Bescheide zuständig.
Am 4. September 1984 fand im Finanzamt B eine Besprechung über das Prüfungsergebnis statt, bei der der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführer sich weigerte, die Niederschrift gemäß § 151 Abs. 3 BAO zu unterschreiben. Begründet wurde dies damit, daß durch zwischenzeitliche Verlegung des Hauptwohnsitzes das Finanzamt W zuständig geworden sei.
Das Lagefinanzamt in Wien folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren für die genannten Jahre Feststellungsbescheide, in denen die "Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung" jeweils mit S 0,00 festgestellt wurden, sowie Bescheide, mit denen ausgesprochen wurde, daß für die genannten Jahre gemäß § 21 Abs. 7 UStG 1972 keine Umsatzsteuer festgesetzt werde. Letzteres hatte zur Folge, daß Vorsteuergutschriften nicht mehr berücksichtigt wurden. Für das Jahr 1982 ergingen inhaltsgleiche Bescheide.
Die Beschwerdeführer erhoben Berufung gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer sowie einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften; die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren blieben unbekämpft. In der Begründung wurde ausgeführt, daß der "Betriebsprüfungsbericht" so gut wie nichts aussage. Er verweise auf eine abgabenbehördliche Prüfung durch das Finanzamt B, deren Ergebnis jedoch noch nicht bekannt sei. Es werde daher der Antrag "auf Mitteilung der zur Gänze fehlenden Begründung" gestellt.
In der Folge erhoben die Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieses Verfahren wurde mit hg. Beschluß vom 20. Mai 1987, 86/13/0194, eingestellt, nachdem die belangte Behörde die mit Berufung angefochtenen erstinstanzlichen Bescheide des Lagefinanzamtes gemäß § 299 Abs. 1 lit.a BAO wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde aufgehoben hatte. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde begründet den angefochtenen Bescheid damit, daß die Beschwerdeführer in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen gewerblichen Grundstückshandel führten, weil sie verschiedene Liegenschaftsobjekte gekauft und verkauft und dabei auch Fremdkapital eingesetzt hätten. Diese rechtliche Beurteilung habe zur Folge, daß für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte nicht das Lagefinanzamt örtlich zuständig sei (§ 54 Abs. 2 BAO), sondern das Betriebsfinanzamt, in dessen Bereich sich die Geschäftsleitung befinde (§ 54 Abs. 1 lit.b in Verbindung mit § 53 Abs. 1 lit.b BAO). Für die Erhebung der Umsatzsteuer sei gemäß § 61 BAO das Finanzamt örtlich zuständig, von dessen Bereich aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibe. Sowohl der Ort der Geschäftsleitung als auch der Ort, von dem aus das Unternehmen betrieben werde, sei der Wohnsitz der Ehegatten. Dieser liege unbestritten nicht im Bereich des Lagefinanzamtes. Das Lagefinanzamt sei daher "weder für die Feststellung der Einkünfte noch für eine allfällige (Nicht-)Erhebung der Umsatzsteuer örtlich zuständig".
In ihrer Gegenschrift vertritt die belangte Behörde weiters die Auffassung, daß die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in keinem subjektiven öffentlichen Recht verletzt wurden. Dies hätte nur dann der Fall sein können, wenn die Beschwerdeführer auch die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren bekämpft hätten, weil mit diesen Bescheiden die erklärungsgemäß ergangenen Erstbescheide beseitigt worden seien. Die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren seien jedoch nicht bekämpft worden und daher in Rechtskraft erwachsen. Durch die Aufhebung der übrigen von den Beschwerdeführern bekämpften Bescheide könnten sie in keinem subjektiven öffentlichen Recht verletzt sein, weil dadurch keine Benachteiligung oder Schlechterstellung eingetreten sei. Im übrigen habe das Lagefinanzamt mit den aufgehobenen Bescheiden seine Unzuständigkeit erklärt und damit Bescheide erlassen, die nach Verfahrensvorschriften weder vorgesehen noch zulässig seien.
Der Gerichtshof teilt diese Auffassung nicht.
Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführer für die Streitjahre beim Lagefinanzamt in Wien entsprechende Abgabenerklärungen und damit Anbringen im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO eingebracht haben. Für das Lagefinanzamt bestand daher grundsätzlich Entscheidungspflicht gemäß § 311 Abs. 1 BAO.
Es trifft zwar zu, daß die Abgabenbehörden ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen haben; langen bei ihnen Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig sind, so haben sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen.
Der Beschwerdefall ist aber insofern besonders gelagert, als die Frage der Unzuständigkeit vom Ergebnis jenes Ermittlungsverfahrens abhängt, das für die Erlassung der Sachbescheide erforderlich ist. Die Ursache für diese Besonderheit liegt in der Regelung des § 54 BAO, wonach die Subsumtion der erzielten Einkünfte unter eine bestimmte Einkunftsart, nämlich unter Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder unter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, maßgebend dafür ist, welches Finanzamt für diese Feststellung überhaupt zuständig ist. § 54 BAO lautet nämlich auszugsweise wie folgt:
"§ 54 (1) Für die gesonderten Feststellungen gemäß § 187 und für die einheitlichen und gesonderten Feststellungen gemäß § 188 Abs. 1 lit.a bis c ist örtlich zuständig:
a)
...
b)
bei Einkünften aus Gewerbebetrieb das Betriebsfinanzamt (§ 53 Abs. 1 lit.b);
c)
...
(2) Für die einheitlichen und gesonderten Feststellungen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens (§ 188 Abs. 1 lit.d) ist das Lagefinanzamt (§ 53 Abs. 1 lit.a) örtlich zuständig."
Um seine Zuständigkeit beurteilen zu können, muß das Finanzamt gerade jene Erhebungen durchführen und jene Feststellungen treffen, für die es möglicherweise nicht zuständig ist. Kommt das Betriebsfinanzamt zu dem Ergebnis, daß die erklärten Einkünfte nicht solche aus Gewerbebetrieb, sondern solche aus Vermietung und Verpachtung sind, so führt erst diese Feststellung zur weiteren Feststellung seiner Unzuständigkeit. Beurteilt andererseits - wie im Beschwerdefall - das Lagefinanzamt die erklärten Einkünfte nicht als solche aus Vermietung und Verpachtung, sondern als solche aus Gewerbebetrieb, so hat auch diese Feststellung, der ein umfangreiches Ermittlungs- und Prüfungsverfahren vorangegangen sein kann, die Verneinung jener vermeintlichen Zuständigkeit zur Folge, auf Grund derer das Verfahren geführt wurde. Zusätzliche Schwierigkeiten können dadurch entstehen, daß es zu einem negativen Kompetenzkonflikt kommt, bei dem die beiden in Betracht kommenden Finanzämter in der Frage der Einkunftsart gegensätzliche Standpunkte vertreten.
Nun hat aber der Abgabepflichtige einen Rechtsanspruch darauf, daß über seine Anbringen abgesprochen wird (§ 311 BAO). Sein rechtliches Interesse kann z.B. an der Feststellung eines ausgleichsfähigen Verlustes oder an der Gutschrift von Vorsteuern bestehen. Die in der Gegenschrift der belangten Behörde erkennbar zum Ausdruck gebrachte Auffassung, "ein völlig offenes Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer und Feststellung von Einkünften" sei nicht geeignet, eine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte des Abgabepflichtigen herbeizuführen, ist daher verfehlt. Durch einen Zuständigkeitsstreit kann der Abgabepflichtige durchaus in seinen Rechten verletzt werden. Ein an den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit orientiertes Verfahrensrecht muß dem Abgabepflichtigen die Möglichkeit einräumen, bei Zuständigkeitsstreitigkeiten als Partei seine rechtlichen Interessen geltend zu machen. Dementsprechend sieht § 51 Abs. 1 BAO vor, daß über Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Abgabenbehörden die gemeinsame Oberbehörde entscheidet. Ein solches Verfahren muß auch vom Abgabepflichtigen in Gang gesetzt werden können, weil er anderenfalls keine Möglichkeit hätte, sein rechtliches Interesse an der Beendigung des Zuständigkeitsstreites und damit letztlich an einer Entscheidung über seine Anbringen geltend zu machen. Eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung setzt aber regelmäßig voraus, daß der Partei jene Sachverhaltsannahme und rechtliche Beurteilung bekanntgegeben werden, über die der Zuständigkeitsstreit besteht. Das Recht des Abgabepflichtigen, daß über seine Anbringen entschieden wird, schließt auch das Recht mit ein, daß bescheidmäßig darüber abgesprochen wird, welche Gründe der angestrebten Entscheidung über das Anbringen entgegenstehen. Das gilt auch für Fälle, in denen (noch) kein Zuständigkeitsstreit zwischen Abgabenbehörden besteht. Die rechtliche Situation läßt sich durchaus vergleichen mit dem Antrag eines Abgabepflichtigen, für ein bestimmtes Kalenderjahr zur Einkommensteuer veranlagt zu werden. Sind die rechtlichen Voraussetzungen hiefür nicht gegeben, so entspricht die Abgabenbehörde nicht mit Untätigbleiben, sondern nur mit entsprechender bescheidmäßiger Feststellung, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung nicht gegeben sind, ihrer Entscheidungspflicht. Gleiches muß gelten, wenn vom Abgabpflichtigen - wie im Beschwerdefall - ein Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angestrebt wird und das Lagefinanzamt einen solchen Feststellungsbescheid deswegen nicht erläßt, weil es die Rechtsansicht vertritt, daß die erklärten Einkünfte nicht solche aus Vermietung und Verpachtung, sondern solche aus Gewerbebetrieb sind, für deren einheitliche und gesonderte Feststellung es nicht zuständig ist. Zu einer Entscheidung, mit der eine solche Rechtsansicht normativ zum Ausdruck gebracht wird, ist das Lagefinanzamt berechtigt und verpflichtet. Von einer Unzuständigkeit zur Erlassung eines derartigen Bescheides kann keine Rede sein. Unzuständig wäre das Lagefinanzamt in einem solchen Fall für die Erlassung eines Bescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb. Einen derartigen Bescheid hat jedoch das Lagefinanzamt im Beschwerdefall nicht erlassen.
Der belangten Behörde kann auch nicht zugestimmt werden, wenn sie die Auffassung vertritt, daß mit den aufgehobenen Bescheiden des Lagefinanzamtes eine (unzulässige) "behördliche Unzuständigkeitserklärung" ausgesprochen worden sei. Vielmehr beschränkt sich der normative Gehalt der aufgehobenen Bescheide auf die Feststellung, daß dem auf die Erlassung bestimmter Bescheide gerichteten Anbringen der Beschwerdeführer nicht zu entsprechen sei.
Mit Rücksicht auf die Formulierung der die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften betreffenden Bescheide des Lagefinanzamtes sieht sich der Gerichtshof dazu veranlaßt, auf sein Erkenntnis vom 20. Februar 1992, 91/13/0004, zu verweisen, wonach eine Feststellung von gemeinschaftlich erzielten Einkünften mit 0 dann als Bescheid zu deuten ist, mit dem ausgesprochen wird, daß eine Feststellung von Einkünften zu unterbleiben hat, wenn ein solcher Bescheidwille zwar nicht dem Spruch, wohl aber der Begründung des betreffenden Bescheides zweifelsfrei entnommen werden kann.
Die obigen Überlegungen betreffend die Entscheidungskompetenz und Entscheidungspflicht des Lagefinanzamtes gelten gleichermaßen für die Bescheide, mit denen ausgesprochen wurde, daß Umsatzsteuer nicht festgesetzt wird. Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die Bescheide des Lagefinanzamtes wegen Unzuständigkeit zu Unrecht aufgehoben hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Dabei konnte es auf sich beruhen, ob die Rechtsauffassung zutreffend war, daß die Beschwerdeführer in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben haben oder nicht, weil der angefochtene Bescheid nur (zu Unrecht) die Unzuständigkeit des Lagefinanzamtes zur Bescheiderlassung als Aufhebungsgrund aufgegriffen hat und allfällige andere Aufhebungsgründe nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind. Ebenso erübrigt es sich auf die Ausführungen der Beschwerdeführer einzugehen, die die wiederholte Verlegung ihres Wohnsitzes und die Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfungen betreffen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 106/1991. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil der Ersatz von Stempelgebühren nur für Schriftsätze und Beilagen gebührt, zu deren Vorlage der Beschwerdeführer verhalten ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1987130090.X00Im RIS seit
17.06.1992