TE Vfgh Beschluss 1989/12/6 G217/88

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Veröffentlicht am 06.12.1989
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Index

23 Insolvenzrecht, Exekutionsrecht
23/01 Konkursordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
KO §§140 ff
KO §46 Abs2 Z2 lita

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung des §46 Abs2 Z2 lita KO wegen fehlender Legitimation; die von den Antragstellern behauptete Wirkung der Norm tritt durch gerichtliche Entscheidung ein

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Über das Vermögen der Antragsteller - einer Kommanditgesellschaft und ihres persönlich haftenden Gesellschafters - wurde im Mai 1986 das Ausgleichsverfahren und am 5. November 1986 der Anschlußkonkurs eröffnet. Nach ihren Vorbringen würden die vom Masseverwalter durch Verwertung des Unternehmens und Hereinbringung von Außenständen erwirtschafteten Mittel einen Zwangsausgleich ermöglichen, doch überstiegen die (mittlerweile nach dem Insolvenz-EntgeltsicherungsG auf den Ausfall-Fonds übergegangenen) Ansprüche der Arbeitnehmer, die sämtlich ihren vorzeitigen Austritt nach §25 KO erklärt hätten, als Masseforderungen im Sinne des §46 Abs2 Z2 lita KO die Aktiven, sodaß nicht nur der Zwangsausgleich ausgeschlossen sei, sondern auch die Konkursgläubiger leer ausgingen. Die in Abs2 (Z2 lita) für den Anschlußkonkurs getroffene Regelung erweise sich im Verhältnis zur allgemeinen Regelung des Abs1 (Z3 lita) idF BGBl. 370/1982, nach welcher die in Rede stehenden Arbeitnehmerforderungen bloß mit der Konkursquote zu berichtigende Konkursforderungen wären, weil sie für die Zeit nach Konkurseröffnung nur dann Masseforderungen bildeten, wenn das Beschäftigungsverhältnis "weder innerhalb eines Monats nach der Konkurseröffnung wegen dieser (insbesondere nach §25) durch den Arbeitnehmer oder durch den Masseverwalter gelöst wird, noch bereits vor der Konkurseröffnung gelöst worden war", als unbegründete Privilegierung und sei wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig.

Die Antragsteller seien durch diese Bestimmung unmittelbar betroffen, weil ihr Vermögen durch die Konkurseröffnung ihrer freien Verfügung entzogen sei (§1 Abs1 KO) und Rechtsstreitigkeiten gegen sie seither weder anhängig gemacht noch fortgesetzt werden könnten (§6 Abs1 KO), sodaß nur der (nach §124 KO zur Befriedigung der Massegläubiger ohne Rücksicht auf den Stand des Verfahrens verpflichtete) Masseverwalter in der Lage wäre, die Anerkennung der in Rede stehenden Ansprüche als Masseforderung zu verweigern oder durch Klage auf Feststellung als Konkursforderung eine auf §46 Abs2 KO gestützte gerichtliche Entscheidung zu provozieren. Der Masseverwalter sei dazu aber wegen der aus der Entscheidung des OGH vom 26. Jänner 1988, 5 Ob 381/87 (= EvBl 119/1988), ableitbaren Aussichtslosigkeit eines solchen Versuches nicht bereit. Einen der gerichtlichen Genehmigung bedürftigen Verteilungsentwurf (§130 KO) habe er nur vorzulegen, wenn (nach Befriedigung der Massegläubiger) überhaupt noch etwas zu verteilen bleibe, und selbst dann sei die Entscheidung des Konkursgerichts nach §130 Abs3 KO unanfechtbar, weshalb die Sache auch so an kein antragsbefugtes Gericht zweiter Instanz gelangen würde.

Die Bundesregierung hält den Antrag für unzulässig, weil die angefochtene Bestimmung in einem gerichtlichen Verfahren anzuwenden sei. Die Masseforderungen seien jedenfalls in die Schlußrechnung aufzunehmen, welche der Gemeinschuldner bemängeln (§121 Abs3 KO) und deren Genehmigung er bekämpfen könne, es stehe den Antragstellern ferner frei, einen Zwangsausgleich zu beantragen und den ihm wegen der Masseforderungen die Bestätigung versagenden Beschluß des Konkursgerichtes zu bekämpfen, und schließlich könnten sie den Masseverwalter auch - nach Konkursaufhebung - wegen falscher Qualifikation von Arbeitnehmerforderungen haftbar machen (§81 KO) und in diesem Rechtsstreit ihr Anliegen vor ein Gericht zweiter Instanz bringen.

In der Sache verteidigt die Bundesregierung die Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Vorschrift.

II. Der Antrag ist unzulässig.

Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG muß die bekämpfte Gesetzesbestimmung für die Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden sein. Das ist nicht der Fall:

Auszugehen ist von jener Wirkung der bekämpften Norm, durch die sich die Antragsteller in ihren Rechten verletzt erachten (VfSlg. 8060/1977 und die seither ständige Rechtsprechung, vgl. VfSlg. 9999/1984, 10177/1984, 11012/1986). Die durch §46 Abs2 Z2 lita KO geregelte Frage, ob eine bestehende (und gegebenenfalls den Konkurs überdauernde: §§60, 61 KO) Forderung gegen die Konkursmasse als Masseforderung sofort und ohne Rücksicht auf den Stand des Verfahrens bei Fälligkeit voll (§124 KO) oder als Konkursforderung nur nach Maßgabe des verfügbaren - verbleibenden - Vermögens verhältnismäßig (in der Höhe der Konkursquote) zu befriedigen ist, betrifft zunächst nur das Verhältnis der Gläubiger untereinander. Der Gemeinschuldner ist aber insofern berührt, als ein - ihn von seinen Verbindlichkeiten befreiender - Zwangsausgleich nur in Betracht kommt, wenn die Massegläubiger voll befriedigt werden (§150 Abs1 KO), während Konkursgläubiger sich gegebenenfalls mit einer Quote von 20 % begnügen müssen (§141 Z3 KO). Zumindest das Ausmaß der Entlastung des Gemeinschuldners, möglicherweise schon die Zulässigkeit des Zwangsausgleichs überhaupt werden daher durch die angegriffene Bestimmung mit beeinflußt.

Diese von den Antragstellern ins Treffen geführte Wirkung tritt allerdings nicht ohne gerichtliche Entscheidung ein. Denn der Gemeinschuldner muß die Abschließung eines Zwangsausgleiches beim Konkursgericht beantragen und angeben, in welcher Weise die Gläubiger befriedigt oder sichergestellt werden sollen (§140 Abs1 KO). Dabei hat er die Masseforderungen in Rechnung zu stellen und kann seine Bedenken gegen die angegriffene Vorschrift in der Weise zur Geltung bringen, daß er die in Rede stehenden Arbeitnehmerforderungen als Konkursforderungen behandelt. Verstößt nämlich der Inhalt eines Ausgleichsvorschlages gegen die genannten Vorschriften, so ist er vom Konkursgericht als unzulässig zurückzuweisen (§141 Abs3 KO). Erst diese gerichtliche Entscheidung - gegen die ein Rechtsmittel nicht ausgeschlossen ist (vgl. Bartsch-Pollak, Anm. 26 zu §142 KO, Petschek-Reimer-Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht, 665) - führt die in Rede stehenden Wirkungen der angegriffenen Vorschrift auf die Rechtsstellung des Gemeinschuldners herbei.

Da sich die Frage nach der Zulässigkeit und dem Inhalt eines Zwangsausgleichs ohne solchen Antrag von vornherein nicht stellt, erübrigt es sich auch, nach der Zumutbarkeit der Antragstellung zu fragen. Es mag wohl sein, daß der Masseverwalter noch vor Einbringung eines solchen Antrages in die Lage kommt, Forderungen im Sinne des §46 Abs2 Z2 lita KO begleichen zu müssen. Es ist dann aber Sache des Gemeinschuldners, den Antrag so rasch zu stellen, daß der Masseverwalter sein Verhalten danach einrichten und das Konkursgericht die zur Sicherung des möglichen Erfolges gegebenenfalls erforderlichen, vom Gesetz zugelassenen Maßnahmen treffen kann. Nachteile aus der durch die Notwendigkeit der Befassung von Gerichten zwangsläufig entstehenden Verzögerung hat die Bundesverfassung offenkundig in Kauf genommen und können für eine unmittelbare Wirksamkeit der vom Gericht anzuwendenden Norm nicht in Anschlag gebracht werden. Auch der Erfolg eines zulässigen Antrages nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG würde keine Rückwirkung auf das Geschehen in irgend einem "Anlaßfall" im Sinne des Art140 Abs7 B-VG entfalten.

Der Antrag ist daher ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG).

Schlagworte

Insolvenzrecht, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:G217.1988

Dokumentnummer

JFT_10108794_88G00217_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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