TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/17 90/06/0065

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Veröffentlicht am 17.06.1992
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Tir 1989 §25 litk;
BauO Tir 1989 §53 Abs1 lita;
BauRallg;
VStG §21;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des FH in N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6. März 1990, Zl. Ve-551-503/2, betreffend Verwaltungsübertretung nach der Tiroler Bauordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Straf- und seines Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Außerkrafttreten der gegen den Beschwerdeführer erlassenen Strafverfügung wurde dieser mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 24. Oktober 1989 schuldig erkannt, als im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG satzungsgemäß zur Vertretung der "H & Co KG" nach außenhin berufenes Organ zu verantworten, daß durch die genannte Unternehmung den Bestimmungen des § 25 lit. k der Tiroler Bauordnung, wonach die Verwendung einer Grundfläche innerhalb einer geschlossenen Ortschaft als Materiallagerplatz einer Bewilligung der Behörde bedarf, wenn das Lagergut die Höhe von 1,50 m überschreitet oder mehr als 20 m2 Grundfläche bedeckt werden, soweit sie nicht um eine vorübergehende Ablagerung im Zuge der Ausführung eines Bauvorhabens handelt, insofern zuwidergehandelt wurde, als durch die genannte Unternehmung am 7. März 1989 die Grundfläche an der südlichen Grundstücksgrenze zu dem Anwesen B-Straße 2c und 2d, welches sich gemäß dem Flächenwidmungsplan im Mischgebiet befindet, als Materiallagerplatz verwendet wurde, indem dort ein Holzstapel mit einer Länge von ca. 10 m und einer Höhe von ca. 4 m gelagert wurde und sohin dieses Lagergut eine Höhe von 1,50 m überschritten hat, ohne daß die genannte Unternehmung über die hiefür erforderliche Bewilligung nach § 25 lit. k der Tiroler Bauordnung verfügte. Dadurch habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 25 lit. k der Tiroler Bauordnung begangen und über ihn eine Geldstrafe von S 3.000,-- bzw. im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen verhängt. Begründend führte die Strafbehörde erster Instanz aus, der Beschwerdeführer habe es dem Grunde nach unbestritten gelassen, daß an dem im Spruch des Straferkenntnisses genannten Tag ein Holzstapel mit den näher beschriebenen Ausmaßen an der angeführten Örtlichkeit gelagert worden sei; er habe zu seiner Rechtfertigung vorgebracht, daß er auf Grund der im Zeitpunkt der Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung für den Tischlereibetrieb maßgeblichen Rechtslage der Tiroler Bauordnung davon hätte ausgehen können, daß die Lagerung von Holz zulässig sei, und die Anrainer zudem zu erkennen gegeben hätten, daß ihnen das gelagerte Holz als zusätzlicher Geräuschschutz willkommen sei. Abgesehen davon, daß die Lagerung des Holzes nach der für die Beurteilung des Sachverhaltes seinerzeit gültigen Rechtslage zulässig gewesen wäre, wäre die Lagerung des Holzes auch im Rahmen der derzeit gültigen Tiroler Bauordnung unter Anwendung der Bestimmung des Tiroler Raumordnungsgesetzes zulässig. Dagegen verwies die Behörde auf die Bestimmung des § 25 lit. k der Tiroler Bauordnung, wobei es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG handle; der Beschwerdeführer müsse daher, um straffrei auszugehen, glaubhaft machen, daß ihn an der Außerachtlassung der Vorschriften kein Verschulden treffe. Diese Rechtfertigung gehe an dem ihm vorgeworfenen Sachverhalt vorbei, da die Lagerung nach der geltenden Rechtsordnung ausdrücklich an eine Bewilligung der Behörde gebunden sei. Bei der Strafbemessung nahm die Behörde die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers hinsichtlich der einschlägigen Vorschriften als mildernd an, dem erschwerend nichts gegenübergestanden sei.

In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß keine Feststellungen darüber getroffen worden seien, welche Flächenwidmung der Liegenschaft des Beschwerdeführers zukomme und ob auf Grund der maßgeblichen Flächenwidmung eine Ablagerung auch ohne baubehördliche Bewilligung zulässig sei. Dadurch sei er in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden; die Holzablagerung sei auf Grund der Flächenwidmung zulässig. Aber selbst wenn man davon ausginge, daß eine bewilligungspflichtige Ablagerung vorläge, wäre im Rahmen des § 21 VStG vorzugehen und dem Beschwerdeführer im Rahmen der Tiroler Bauordnung aufzutragen gewesen, um die behördliche Bewilligung nachzukommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Sachverhaltes führte sie aus, daß die Gesellschaft, für die der Beschwerdeführer im Sinn des § 9 VStG als verantwortlich anzusehen sei, ihr Betriebsareal im Bereich der südlichen Grundstücksgrenze als Materialablagerplatz verwendet habe. Es stehe auch fest, daß das Betriebsareal im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Innsbruck als Mischgebiet ausgewiesen sei. Selbst wenn die Erstbehörde, was der Beschwerdeführer behaupte, dies unzureichend ermittelt habe, sei der Beschwerdeführer in seinen Rechten nicht beeinträchtigt worden. Da die Grundfläche also im Mischgebiet liege und die Ablagerung ein Ausmaß von ca. 10 m Länge und 4 m Höhe aufweise, sei der Tatbestand des § 53 TBO in objektiver Hinsicht erfüllt. Die Bewilligungspflicht des § 25 lit. k der Tiroler Bauordnung diene vor allem dem Schutz des Orts- und Landschaftsbildes. Da bei Nichtvorliegen einer Bewilligung die Überprüfungs- und Einflußmöglichkeit verwehrt werde, und das Vorenthalten dieser Mögichkeiten die Wahrnehmung grundsätzlicher Aufgaben einer Baubehörde verhindert sei, sei der Unrechtsgehalt der Übertretung als schwerwiegend anzusehen.

Dem Beschwerdeführer sei aber auch zu Recht fahrlässiges Verhalten vorgeworfen worden. Es hätten ihm bei Aufwendung der objektiv gebotenen und ihm auch subjektiv möglichen Aufmerksamkeit betreffend die im Rahmen des Tischerleibetriebes der von ihm vertretenen Gesellschaft gesetzten Maßnahmen über das Bestehen der erforderlichen Bewilligung zumindestens Zweifel aufkommen müssen, sodaß in der Unterlassung diesbezüglicher Erkundigungen mindestens ein fahrlässiges Verhalten gelegen sei. Die in der Berufung nicht wiederholte Rechtsansicht, daß die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Lagerung nach der für die Beurteilung des Sachverhaltes gültigen Rechtslage nicht strafbar gewesen sei, sei schon in dem Straferkenntnis erster Instanz widerlegt worden. Eine vom Beschwerdeführer angesprochene verbotene rückwirkende Anwendung des § 53 TBO wäre ja nur dann anzunehmen gewesen, wenn ein Sachverhalt verwaltungsstrafrechtlich zum Vorwurf gemacht worden wäre, ohne daß dieser zur Zeit seiner Begehung (bei Dauerdelikten seiner Beendigung) unter Strafe gestellt gewesen sei. Dem Beschwerdeführer werde jedoch vorgeworfen, daß er zu einer Zeit, als die Tiroler Bauordnung bereits in Kraft gewesen sei, eine Grundfläche als Materiallagerplatz verwendet habe. Ob dies eine Einzelhandlung im Rahmen eines fortgesetzten Begehungsdeliktes darstelle oder als Dauerdelikt auch die Aufrechterhaltung des vor Inkrafttreten der Tiroler Bauordnung gesetzten Sachverhaltes unter Strafe gestellt werde, könne dahingestellt bleiben, da jedenfalls nicht über einen Sachverhalt abgesprochen worden sei, der zur Zeit seiner Begehung (oder Beendigung) nicht unter einer Strafdrohung gestanden sei. Schließlich sei auch eine Aufforderung, um die nachträgliche Baubewilligung anzusuchen, nicht Voraussetzung für die Strafbarkeit gemäß § 53 Abs. 1 lit. a TBO. Vielmehr sei der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, für die Verwendung seiner Grundfläche um eine Baubewilligung anzusuchen oder den gesetzwidrigen Zustand zu beseitigen. Dies hätte jedoch so rechtzeitig geschehen müssen, daß es nicht erst des Einschreitens der Baubehörde bedurft hätte, um ihn an diese Pflicht zu erinnern.

Eine Anwendung des § 21 VStG komme jedoch nicht in Betracht, da Voraussetzung hiefür wäre, daß sowohl das Verschulden geringfügig als auch die Folgen der Übertretung unbedeutend seien. Gründe hiefür lägen jedoch nicht vor.

Schließlich führte die Behörde noch ausführlich aus, daß bei einem Strafrahmen bis zu S 100.000,-- die verhängte Geldstrafe unter Berücksichtigung der Erschwerungs- und Milderungsgründe sowie des Einkommens und der Sorgepflichten des Beschwerdeführers dem § 19 VStG entspreche.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigekit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Gemäß § 25 lit. k der Tiroler Bauordnung (TBO) ist die Verwendung einer Grundfläche innerhalb einer geschlossenen Ortschaft als Materiallagerplatz bewilligungspflichtig, wenn das Lagergut die Höhe von 1,50 m überschreitet oder mehr als 20 m2 Grundfläche bedeckt werden und soweit es sich nicht um eine vorübergehende Ablagerung im Zuge der Ausführung eines Bauvorhabens handelt. Diese Bewilligungspflicht besteht nicht, wenn die Grundfläche im Gewerbe- und Industriegebiet liegt. Gemäß § 53 Abs. 1 lit. a begeht derjenige, der ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne Bewilligung ausführt, eine Verwaltungsübertretung, die gemäß Abs. 2 mit Geldstrafen bis zu S 200.000,-- bedroht ist. Da nach dem Wortlaut des § 25 lit. k TBO die "Verwendung" (und nicht etwa die Inbetriebnahme oder Errichtung) eines Materiallagerplatzes bewilligungspflichtig ist, kommt es - entgegen den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen - nicht darauf an, ob diese Bewilligungspflicht schon bei der erstmaligen "Verwendung" der Grundfläche als Lagerplatz bestanden hat oder erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt wurde. Da der Begriff der Verwendung (anders als jener der Errichtung) eine auf die Dauer und damit zeitraumbezogene Komponente beinhaltet, wäre der Beschwerdeführer ab dem Zeitpunkt des (erstmaligen) Inkrafttretens dieser Bestimmung (§ 25 lit. k der Tiroler Bauordnung 1974, LGBl. Nr. 42/1974, in Kraft getreten am 1. Jänner 1975) verpflichtet gewesen, die Erteilung einer Baubewilligung für die (weitere) Verwendung als Lagerplatz zu beantragen. Da er den Lagerplatz ohne eine solche Bewilligung weiter verwendet hat, haben die Strafbehörden zu Recht das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung angenommen. Insoweit war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer ist allerdings im Ergebnis mit seiner Rüge im Recht, welche auf die Anwendung des § 21 VStG abzielt. Der in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde angestellten Erwägung, das Verhalten des Beschwerdeführers bleibe hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisiertem Unrechts- und Schuldgehalt nicht erheblich zurück, weshalb eine Anwendung des § 21 VStG nicht in Betracht komme, vermag der Verwaltungsgerichtshof in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Was die Schuldkomponente betrifft, muß nämlich berücksichtigt werden, daß ein Gewerbebetrieb vorliegt, dessen Bestandteil der Lagerplatz ist, und daß dieser Lagerplatz nach dem Wortlaut des Gesetzes im Gewerbe- und Industriegebiet nicht bewilligungspflichtig wäre. Wenn die vom Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren, aber auch in seiner Beschwerde aufgestellte Behauptung zuträfe, dieser Lagerpaltz sei (zumindest) gewerberechtlich betriebsanlagengenehmigt, dann unterscheidet sich ein solcher Sachverhalt doch erheblich von der Verwendung einer Grundfläche außerhalb eines Gewerbebetriebes und ohne gewerbebehördliche Genehmigung. Es könnte dem Beschwerdeführer, der verkannt hat, daß am 1. Jänner 1975 eine Änderung der Rechtslage eingetreten ist, die für ihn - anders als für andere Gewerbebetriebe - nur deshalb von Bedeutung ist, weil sich sein Betrieb im Mischgebiet befindet (sodaß ihm die Begünstigung für Gewerbegebiete nicht zugute kommt), nur ein deutlich geringerer Schuldvorwurf gemacht werden, als dem Betreiber eines Lagerplatzes, der mit keinem Gewerbebetrieb in Zusammenhang steht und dessen Grundfläche daher für solche Zwecke auch gewerberechtlich nicht vorgesehen ist. Im Hinblick auf die Bewilligungsfreiheit solcher Lagerplätze im Industriegebiet und im Gewerbegebiet muß auch davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber Lagerplätze von Gewerbe- und Industriebetrieben gerade nicht vorrangig im Auge gehabt haben kann, als er die Bewilligungspflicht i.S. des § 25 lit. k TBO normierte. Der Irrtum des Beschwerdeführers über die Baubewilligungspflicht seines Lagerplatzes beruht daher nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auf einem bloß geringfügigen Verschulden, wenn es zuträfe, daß der Beschwerdeführer über eine gewerbliche Betriebsanlagengenehmigung verfügt. Die hat die belangte Behörde - ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung - ebensowenig geprüft, wie das

- gegebenenfalls noch zu prüfende - Tatbestandselement der Folgen der Übertretung (etwa ein erheblicher Eingriff in das Ortsbild).

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich des Strafausspruches und damit auch der Kostenentscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991 im Rahmen des gestellten Antrages.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990060065.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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