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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Schubert sowie die Hofräte Dr Hnatek, Dr Karger, Dr Baumann und Mag Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr Kirchmayr, über die Beschwerde 1) des Dipl-Ing F in V, 2) des Dipl-Ing G in W und 3) des Dipl-Ing P in W, alle vertreten durch Dr W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der FLD für Kärnten vom 20. 4. 1990, GZ 2/13 - 3/90, betreffend aufsichtsbehördliche Aufhebung des Bescheides hinsichtlich der Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit für das Jahr 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer haben sich am 1. November 1987 zu einer ARGE zusammengeschlossen, deren Aufgabe sich auf die statische Überprüfung zweier Brücken beschränkte. Im Dezember 1987 wurden die diesbezüglichen Arbeiten beendet. Die Rechnungslegung erfolgte am 23. Dezember 1987, die Zahlung ging im März 1988 ein.
Die Beschwerdeführer, die den Gewinn nach § 4 Abs 3 EStG 1972 ermittelten, erklärten für das Streitjahr einen laufenden Verlust von 295.510,90 S und im Hinblick auf die Betriebsaufgabe am 31. Dezember 1987 einen Übergangsgewinn von 1,171.488,90 S. Ein Aufgabegewinn iSd § 24 EStG 1972 ergab sich mangels stiller Reserven nicht.
Das Finanzamt setzte die Einkünfte aus selbständiger Arbeit - nach Saldierung der beiden Komponenten - mit 875.978 S fest und gewährte die Tarifbegünstigung des § 37 Abs 1 EStG 1972. Dieser Gewinnfeststellungsbescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Gewinnfeststellungsbescheid gemäß § 299 Abs 2 BAO auf. Die gewährte Tarifbegünstigung könne nur bei Einkünften, die wirtschaftlich das Ergebnis mehrjähriger Vorgänge oder Tätigkeiten seien, zur Anwendung kommen. Dies treffe auch auf die begünstigte Behandlung von Gewinnen anläßlich der Veräußerung oder Aufgabe von Betrieben zu.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde gehe in der Begründung des angefochtenen Bescheides von einem "Veräußerungsgewinn" aus. Bei den strittigen Einkünften handle es sich aber um einen "Übergangsgewinn", für den die Tarifbegünstigung gewährt worden sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 37 EStG 1972 sei keine Einhaltung einer bestimmten Betriebsdauer erforderlich. Gerade aus diesem Grund sei mit dem EStG 1988 eine siebenjährige Wartefrist eingeführt worden. Der Wechsel der Gewinnermittlungsart sei überdies nicht freiwillig erfolgt. Vielmehr seien die Beschwerdeführer bei Beendigung ihrer betrieblichen Tätigkeit zum Wechsel nach § 4 Abs 1 EStG 1972 verpflichtet gewesen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde möge als unbegründet kostenpflichtig abgewiesen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Fall ist die Rechtsfrage strittig, ob auf den Übergangsgewinn infolge eines Wechsels der Gewinnermittlungsart die Tarifbegünstigung des § 37 Abs 1 EStG 1972 anwendbar ist, obwohl das Unternehmen der Beschwerdeführer nur zwei Monate bestanden hat.
Zweck der Bestimmung des § 37 EStG 1972 ist eine Progressionsmilderung beim zusammengeballten Anfall von Einkünften, die sonst verteilt auf mehrere Wirtschaftsperioden zu erfassen wären. Außerordentliche Einkünfte liegen demnach nur dann vor, wenn die Einkünfte wirtschaftlich als das Ergebnis einer mehrjährigen Tätigkeit anzusehen sind und zusammengeballt in einem Jahr anfallen (Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch,
2. Auflage, § 37 Tz 8 mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur). Dies gilt uneingeschränkt für die in Abs 2 Z 1 bis Z 4 leg cit genannten Einkünfte.
Auch eine auf dem Zusammenhang des § 37 EStG 1972 mit den Bestimmungen über den Einkünftebegriff und der Ermittlung der Einkünfte in § 2 leg cit basierende systematische Interpretation führt zu diesem Ergebnis. Der Wortlaut des Einleitungssatzes in § 37 Abs 2 EStG 1972 (arg.: Außerordentliche Einkünfte im Sinn des Abs 1 sind nur ....) impliziert, daß die nachfolgende Aufzählung taxativ ist. Die Außerordentlichkeit der aufgezählten Fälle wird jedoch nicht fingiert, sondern muß als allgemeines Tatbestandsmerkmal erfüllt sein (vgl hg Erkenntnis vom 7. September 1990, 90/14/0188).
Das in der Beschwerde angeführte Argument, die Einführung einer siebenjährigen Wartefrist in § 37 Abs 2 Z 3 EStG 1988 lasse erkennen, daß für die Gewährung des halben Steuersatzes nach dem EStG 1972 keine Einhaltung einer bestimmten Betriebsdauer erforderlich sei, erweist sich als nicht stichhaltig. Die Gesetzesmaterialien zu § 37 EStG 1988 (EB zur RV, 621 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des NR XVII. GP) begründen die "Sperrfrist" von sieben Jahren mit der Überlegung, daß eine Minderung der Progression erst bei einer erheblichen Zusammenballung von Einkünften gerechtfertigt sei. Der Gesetzgeber des EStG 1988 geht somit von der Annahme aus, § 37 komme grundsätzlich nur bei Einkünften, die wirtschaftlich mehrere Vorperioden betreffen, zur Anwendung. Um den Anwendungsbereich der Tarifbegünstigung darüber hinaus auf "erheblich zusammengeballte" Einkünfte zu reduzieren, hat der Gesetzgeber die siebenjährige Wartefrist eingeführt.
Das Unternehmen der Beschwerdeführer hat weniger als ein Jahr bestanden, wobei die Unternehmenstätigkeit auf zwei Monate beschränkt war. Der Übergangsgewinn bezieht sich somit nur auf wenige Monate. Damit mangelt es an dem für die Inanspruchnahme der Tarifbegünstigung des § 37 Abs 1 EStG 1972 allgemeinen Erfordernis der Zusammenballung von Einkünften mehrerer Perioden. Der Umstand, daß die Beschwerdeführer zum Wechsel der Gewinnermittlungsart verpflichtet waren, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
Die gegenteilige Beurteilung des Sachverhaltes - Gewährung der Tarifbegünstigung unabhängig von der Dauer des Unternehmens - würde dazu führen, daß der Steuerpflichtige allein durch die Wahl der Einnahmen-Ausgabenrechnung Einkünfte begünstigt versteuern könnte, die für einen Steuerpflichtigen, der den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln hat, bei gleichem Sachverhalt auch bei Ansatz eines Veräußerungsgewinnes nicht begünstigt wären, weil der aus nur einem Jahr realisierte Veräußerungsgewinn
- unbestrittenermaßen - keinesfalls der Tarifbegünstigung des § 37 Abs 1 EStG 1972 teilhaft werden kann. Eine sachlich derart bedenkliche Differenzierung ist dem Gesetzgeber nicht zuzusinnen.
Der Hinweis des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid werte die in Streit stehenden Einkünfte rechtlich wie einen "Veräußerungsgewinn", trifft zu, erweist sich aber als nicht entscheidungswesentlich. Die Bescheidbegründung stellt in erster Linie auf das hg Erkenntnis vom 6. April 1971, 1063/69, ab, wonach die Anwendung der Tarifbegünstigung bei einem Veräußerungsgewinn nach einer Betriebsdauer von sieben Monaten ausgeschlossen ist. Die Vergleichbarkeit der zitierten Entscheidung ergibt sich aus dem allgemeinen Tatbestandsmerkmal der Außerordentlichkeit, das bei einer Inanspruchnahme des § 37 Abs 1 EStG 1972 sowohl im Fall von Veräußerungsgewinnen als auch von Übergangsgewinnen vorliegen muß. Daß auch für die belangte Behörde sachverhaltsmäßig ein Übergangsgewinn zur Diskussion stand, ergibt sich aus der Sachverhaltsdarstellung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde ist somit von einer zutreffenden rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes ausgegangen. Die vom Beschwerdeführer gerügte Sachverhalts- und Aktenwidrigkeit liegt nicht vor.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990140130.X00Im RIS seit
23.06.1992