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81/01 Wasserrechtsgesetz;Norm
WRG 1959 §102 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kremla, Dr. Kratschmer und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Waldner, über die Beschwerde
1. des P sen. und 2. des P jun., beide in S, beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 18. Dezember 1989, Zl. 15.701/26-I 5/89, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Z-GmbH in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 13. Februar 1981 war das Vorhaben des Rechtsvorgängers der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Partei (mP) einer künftigen Zentralwasserversorgung des ober- und mittelsteirischen Siedlungsraumes aus dem südlichen Hochschwabgebiet im Weg einer Fernwasserleitung gemäß § 100 Abs. 2 WRG 1959 als bevorzugter Wasserbau erklärt worden. Mit Bescheid derselben Behörde vom 24. April 1981 wurde das generelle Projekt sowie mit ihrem Bescheid vom 31. März 1982 ein Detailprojekt bewilligt und mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. Juli 1987 der Stadtgemeinde Bruck an der Mur die wasserrechtliche Bewilligung zur Erweiterung ihrer Wasserversorgungsanlage durch Anschluß an die Anlage der mP erteilt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. Dezember 1989 erteilte die belangte Behörde unter Spruchabschnitt I. gemäß den §§ 10, 11, 12, 13, 21, 100, 105, 111 und 114 WRG 1959 der mP nach Maßgabe einer Reihe von Vorschreibungen die wasserrechtliche Bewilligung zur Grundwasserentnahme aus dem Vertikalfilterbrunnen VBI I M-Hof zur Versorgung der oberen, mittleren und südlichen Steiermark mit Trink-, Nutz- und Feuerlöschwasser im Ausmaß von 150 l pro Sekunde. Die Vorschreibungspunkte 1. - 6. dieses Spruchabschnittes lauten wie folgt:
"1. Soweit in diesem Bescheid nicht anderes vorgesehen ist, gelten die Auflagen der Bescheide vom 24. April 1981, Zl.: 15.701/08-I5/81, und vom 28. Oktober 1988, Zl.: 15.701/26-I5/88, sinngemäß.
2. Fällt der Grundwasserspiegel in der Meßstelle BI 10 unter die Höhenkote 778,50 m ü.A. (Kote bezogen auf Höhennetz nach FABIANI), ist die Entnahme aus dem Vertikalfilterbrunnen VBI I sofort, spätestens am nächsten Tag auf 25 l/s zu drosseln. Erst nach Überschreiten des genannten Meßwertes darf die Entnahme wieder gesteigert werden.
3. Die Konsenswerberin hat der Behörde ein Programm für hydrologische Untersuchungen (Beweissicherungsprogramm) vorzulegen, mit dem die künftig sich einstellenden hydrologischen Verhältnisse im maßgebenden Bereich des B-Berg- und I-Tales (Talentwicklung oberhalb der "Klause" bei S) ausreichend beschrieben werden. Dieses Programm hat im maßgebenden Bereich jedenfalls zu umfassen:
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Messungen des oberirdischen Durchflusses im I-Bach und
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Grundwasserstandsmessungen.
4. Die Konsenswerberin hat dabei in entsprechenden planlichen Darstellungen und textlichen Ausführungen Angaben (Beurteilungsgrundlagen) für den maßgebenden Bereich des I-Tales zu machen, und zwar über derzeitige
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Bodennutzungen (Land- und Forstwirtschaft, natürlicher Bewuchs),
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Nutzungen des Grundwasserdargebotes (z.B. Brunnenanlage) und
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Nutzungen des I-Baches.
5. Das Ergebnis der Beweissicherung ist nach Aufnahme des Pumpbetriebes jeweils nach einem halben Jahr zu einem Bericht zusammenzufassen und der Behörde vorzulegen. Diese Berichte haben die wesentlichen Aussagen der Beweissicherung in einer übersichtlichen Form zu enthalten.
6. Die Konsenserhöhung von 25 l/s auf 150 l/s darf erst dann vorgenommen werden, wenn das Beweissicherungsprogramm und dessen Beurteilungsgrundlagen der Behörde vorgelegt und von dieser positiv überprüft wurden."
Unter Spruchabschnitt II. wurde die wasserrechtliche Bewilligung gemäß § 21 WRG 1959 mit 31. Dezember 1999 zeitlich begrenzt und unter Spruchabschnitt III. gemäß § 21 WRG 1959 die spätere Vorschreibung allfälliger zusätzlicher Maßnahmen ausdrücklich vorbehalten. Unter Spruchabschnitt V. wurden auf Ablehnung des Bewilligungsvorhabens gerichtete Einwendungen gemäß § 115 WRG 1959 abgewiesen und Vorbringen, die weder abgewiesen noch in den Auflagen berücksichtigt worden seien, der Entscheidung über das endgültige Maß der Wasserbenutzung vorbehalten bzw. gemäß § 114 WRG 1959 in das Entschädigungsverfahren verwiesen. Im Spruchabschnitt VII. wurden unter Bezugnahme auf die §§ 60 Abs. 2 und 114 WRG 1959 nähere Aussagen zum wasserrechtlichen Enteignungs- und Entschädigungsverfahren getroffen.
Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht "auf ein mängelfreies gesetzmäßiges Verfahren" sowie in ihren nach dem Wasserrechtsgesetz geschützten "Rechten gemäß §§ 10, 11 Abs. 1, 12 und 115 Abs. 2 WRG 1959 verletzt" erachten.
Die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sieht die Beschwerde darin, daß die belangte Behörde es unterlassen habe, weitere Vorschreibungen zur Wahrung öffentlicher Interessen sowie schutzwürdiger Interessen der Beschwerdeführer aufzunehmen; weiters rügt die Beschwerde, daß Vorschreibungspunkt I.6 insofern widersprüchlich formuliert seien, als einerseits aufgetragen werde, daß die Konsenserhöhung auf 150 l pro Sekunde erst dann vorgenommen werden dürfe, wenn das Beweissicherungsprogramm und dessen Beurteilungsgrundlagen der Behörde vorgelegt und von dieser positiv überprüft worden seien, andererseits das Beweissicherungsprogramm sinnvoller Weise nur dann durchgeführt werden könne, wenn die Wasserentnahme mit den angestrebten 150 l/s erfolgt sei; dem Bescheidspruch sei sohin nicht eindeutig zu entnehmen, ob nunmehr ein "Probebetrieb" zur Durchführung der Beweissicherung bewilligt oder von vornherein der Konsens zur Entnahme von 150 l/s bereits erteilt worden sei.
Als wesentliche Mangelhaftigkeit des Verfahrens führt die Beschwerde die Formulierung der Bescheidauflage I.2 an. Da die volle Auswirkung einer Wasserentnahme beim M-Hof im Bereich der Meßstelle BI 10 nach dem behördlichen Sachverständigengutachten vom Juli 1989 erst ein bis zwei Monate später zum Tragen komme, nütze eine Reduzierung der Wasserentnahme nichts, da zwischenzeitig ein wesentliches Absinken des Grundwasserspiegels mit Austrocknung des I-Baches bereits eingetreten sein könne; die belangte Behörde hätte daher mit Hilfe des Sachverständigen darlegen müssen, ob nicht bereits bei einem höheren Grundwasserspiegel bei der obgenannten Meßstelle eine Drosselung der Wasserentnahme stattfinden hätte müssen; auch habe die belangte Behörde nicht erörtert, ob nicht zwecks Vermeidung nachteiliger Auswirkungen überhaupt die gänzliche zeitweise Einstellung der Wasserentnahme notwendig sein könnte, um das Austrocknen des I-Tales zu verhindern; erörterungsbedürftig erscheine auch die von der belangten Behörde übernommene Sachverständigenmeinung, daß nach Überschreiten des Meßwertes von 778,50 m ü.A. bei der Meßstelle BI 10 die Entnahme wieder gesteigert werden dürfe, da nach den im Sachverständigengutachten dargelegten Grundwasserverhältnissen im Hinblick auf die zeitliche Verzögerung und das nur langsam mögliche Ansteigen des Grundwasserspiegels im I-Tal ein höherer Ausgangswert abzuwarten wäre. Im übrigen sei das gesamte Verfahren insofern mangelhaft geblieben, als die belangte Behörde eine Bewilligung ungeachtet der Tatsache erteilt habe, daß die rechtlich-relevanten Faktoren noch nicht ermittelt worden seien, wie die Vorschreibungen bezüglich des Beweissicherungsprogrammes zeigten.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mP eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Fall hatte die Wasserrechtsbehörde das Wasserrechtsgesetz in der Fassung vor der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252 anzuwenden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der mP eine Konsenserhöhung von derzeit 25 l/s auf 150 l/s Entnahme aus dem bestehenden Vertikalfilterbrunnen beim M-Hof wasserrechtlich bewilligt. Im Gegenstand hat die belangte Behörde mit Kundmachung vom 17. Oktober 1989 eine mündliche Wasserrechtsverhandlung für den 20. und 21. November 1989 anberaumt und durchgeführt. An dieser Verhandlung haben die Beschwerdeführer teilgenommen, gemeinsam eine Stellungnahme abgegeben und diese jeweils persönlich unterfertigt. Die in dieser Stellungnahme enthaltenen Einwendungen beinhalteten die Forderungen,
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den I-Bach in seiner ursprünglichen Form zu erhalten und eine weitere Grundwasserentnahme nicht zu genehmigen,
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noch offene Entschädigungsforderungen an den Erstbeschwerdeführer unverzüglich inklusive Verzinsung zu leisten und
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ehestens eine ausreichende Restwassermenge sicherzustellen sowie ein entsprechendes Beweissicherungsverfahren innerhalb angemessener Frist durchzuführen.
Über diese Forderungen hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid insoweit abgesprochen, als sie
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auf Ablehnung des Bewilligungsvorhabens gerichtete Einwendungen gemäß § 115 WRG 1959 abgewiesen (vgl. Spruchabschnitt V),
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Regelungen über das Enteignungs- und Entschädigungsverfahren getroffen (vgl. Spruchabschnitt VII) und
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insbesondere in den Vorschreibungspunkten des Spruchabschnittes I. wasserwirtschaftliche Vorkehrungen veranlaßt hat; schließlich wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides (Seite 9) ausgeführt: "Bezüglich der Liegenschaftseigentümer P hat die Konsenswerberin betont, deren tatsächliche Beeinträchtigung der Schüttung während des bereits getätigten Pumpversuches mit einem Betrag von S 90.000,-- abgegolten und im übrigen Beweissicherungsmaßnahmen an sich schon seit etwa 5 Jahren durchgeführt zu haben. Hiezu ist zu vermerken, daß auch die rechtlichen Interessen dieser Grundeigentümer in den Nebenbestimmungen des Bescheides ihren Niederschlag gefunden haben und sich daraus ergebende künftige Entschädigungsfragen in ein eigenes Vefahren des Landeshauptmannes gehören."
Der angefochtene Bescheid läßt nicht erkennen, in welchem wasserrechtlich geschützten Recht jeder einzelne der Beschwerdeführer projektsgemäß berührt bzw. beeinträchtigt wird (§ 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959). So hat zwar der Erstbeschwerdeführer in der Wasserrechtsverhandlung eine Kopie seiner Wasserbucheintragung vorgelegt (danach ist sein Wasserbenutzungsrecht mit dem auf GP 790 und 1009 KG S gelegenen Krafthaus verbunden); dagegen läßt der angefochtene Bescheid offen, aus welchen Gründen er offenbar die Parteistellung des Zweitbeschwerdeführers bejaht und durch welche projektsgemäß vorgesehenen Maßnahmen jeweils in wasserrechtlich geschützte Rechte der Beschwerdeführer eingegriffen wird. Die daher ungeklärt gebliebene Parteistellung belastet den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die Beschwerde weist weiters zutreffend auf die widersprüchlich formulierten Nebenbestimmungen des angefochtenen Bescheides hin: Wenn einerseits Grundlage für die Erstellung des Beweissicherungsprogramms die tatsächliche Entnahme der konsentierten Wassermenge von 150 l/sec ist, andererseits gerade das positive Ergebnis dieses Beweissicherungsprogrammes Voraussetzung für die "Konsenserhöhung von 25 l/sec auf 150 l/sec" (vgl. Spruchabschnitt I., I.3 und I.6 des angefochtenen Bescheides) sein soll, dann wird hiedurch Unvollziehbares angeordnet und auch dadurch der Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Da im übrigen die im angefochtenen Bescheid angeordneten Maßnahmen nach den Ausführungen der wasserbautechnischen Amtssachverständigen in der Wasserrechtsverhandlung vom 20. und 21. November 1989 (vgl. Verhandlungsschrift Seite 20) erst Beurteilungsgrundlagen dahin gehend liefern sollen, "ob die derzeit vorgesehene Staffelung des Konsenses eine nachteilige Absenkung des Grundwasserspiegels im maßgebenden Bereich des I-Tales verhindert und ob dadurch die Verminderung des Durchflusses im I-Bach in einem zumutbaren Ausmaß verbleibt, oder ob die Konsensstaffelung verstärkt (zeitlich und/oder der Größe nach) werden muß", kann nicht ausgeschlossen werden, daß durch diese offenbare "Projektsunterlagenforschung" die Beschwerdeführer in ihren wasserrechtlich geschützten Rechten (z.B. durch Trockenfallen des I-Baches) beeinträchtigt werden. Auch hiemit hat sich die belangte Behörde nicht näher auseinandergesetzt und daher ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
Schließlich hat die belangte Behörde auch nicht über die ebenfalls in der Verhandlung abgegebene Stellungnahme der von den Beschwerdeführern erhobenen Forderung nach Festlegung einer Restwassermenge im I-Bach abgesprochen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei Stempelgebühren für nicht erforderliche Beilagen nicht erstattet werden konnten.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990070014.X00Im RIS seit
12.11.2001