TE Vfgh Beschluss 1989/12/15 A142/89

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Veröffentlicht am 15.12.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art137 / ord Rechtsweg
FinStrG §54 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung einer Klage auf Herausgabe der im Zuge eines Finanzstrafverfahrens beschlagnahmten Teppiche wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes; Geltendmachung des Anspruches im anhängigen strafgerichtlichen Verfahren möglich

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit der vorliegenden, auf Art137 B-VG gestützten, gegen die "Republik Österreich" (richtig: gegen den Bund) gerichteten, am 14. Juni 1989 zur Post gegebenen Klage begehrt der Kläger die Herausgabe von 46 Orientteppichen, die im Zuge des gegen ihn beim Landesgericht Salzburg zu 26 Vr 126/89 anhängigen Verfahrens beschlagnahmt wurden. Außerdem wird Kostenersatz begehrt.

2. Der Klage liegt folgender - sich aus dem vorgelegten Strafakt des Zollamtes Salzburg Straflisten-Nr. 484-1988 sowie aus dem in tatsächlicher Hinsicht übereinstimmenden Parteienvorbringen ergebender - Sachverhalt zugrunde:

Das Zollamt Salzburg verfügte mit einem auf §89 Abs1 iVm §35 Abs1 und §17 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) gestützten an den Kläger gerichteten Bescheid vom 16. Dezember 1988 die Beschlagnahme von 46 Orientteppichen. Aufgrund dieses Bescheides wurden die Teppiche am selben Tag von Organen des Zollamtes Salzburg in amtliche Verwahrung genommen.

Das Zollamt gelangte nach Ermittlung des Wertes der Teppiche und der darauf entfallenden Eingangsabgaben sowie aufgrund des Verdachtes der gewerbsmäßigen Tatbegehung zur Annahme, der Kläger habe sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht, zu dessen Ahndung gemäß §53 FinStrG das Gericht zuständig sei. Es erstattete daher nach §54 Abs1 FinStrG am 7. Jänner 1989 Anzeige an die Staatsanwaltschaft Salzburg und gab darin gemäß §54 Abs2 leg.cit. die durchgeführte Beschlagnahme der 46 Teppiche bekannt. Hievon wurde der Kläger am 11. Jänner 1989 verständigt.

Das Landesgericht Salzburg leitete zu 26 Vr 126/89 gegen den Kläger wegen Verdachtes des Vergehens nach §35 Abs1 bzw. §37 Abs1 lita iVm §38 Abs1 lita FinStrG die Voruntersuchung ein und teilte dies am 17. Jänner 1989 dem Zollamt Salzburg mit. Am 26. Jänner 1989 erließ die Ratskammer zu Zl. 30 Ns 2/89 gemäß §54 Abs2 iVm §207a Abs4 lita FinStrG eine einstweilige

Verfügung, mit der angeordnet wurde, daß die beschlagnahmten Teppiche weiterhin in Verwahrung des Zollamtes Salzburg zu bleiben haben. Mit Beschluß des Oberlandesgerichtes (OLG) Linz vom 1. März 1989, Zl. 9 Bs 58/89 wurde über Beschwerde des Klägers der Beschluß der Ratskammer aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Ratskammer zurückverwiesen.

Die Ratskammer erließ am 21. Juni 1989 neuerlich eine auf §54 Abs2 iVm §207a Abs4 lita FinStrG gestützte einstweilige Verfügung, mit der sie den Verbleib der Teppiche beim Zollamt Salzburg anordnete. Der dagegen vom Kläger erhobenen Beschwerde gab das OLG Linz mit Beschluß vom 17. Juli 1989, Zl. 9 Bs 178/89, statt, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung durch die Ratskammer zurück.

Im dritten Rechtsgang endlich ordnete das OLG Linz mit dem im Instanzenzug ergangenen, in Rechtskraft erwachsenen Beschluß vom 31. Oktober 1989, Zl. 9 Bs 303/89, an, daß die beschlagnahmten Teppiche in Verwahrung des Zollamtes Salzburg zu verbleiben haben.

3.a) Der beklagte Bund, vertreten durch den Bundesminister für Finanzen, legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, mit der begehrt wird, die Klage als unzulässig zurückzuweisen; dem Kläger stünde der ordentliche Rechtsweg zur Geltendmachung seiner Ansprüche offen.

b) Darauf replizierte der Kläger: Zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage (14. Juni 1989) habe kein gerichtlicher Beschluß vorgelegen; die im §54 Abs2 FinStrG vorgesehene Frist von sechs Wochen sei auch dann maßgebend, wenn der vom Erstgericht gefaßte Beschluß vom Gericht zweiter Instanz aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Daß es sich im vorliegenden Falle, in welchem vom Bund die Herausgabe von Sachen begehrt wird, um einen vermögensrechtlichen Anspruch handelt, ist augenscheinlich. Es liegen aber nicht die weiteren durch Art137 B-VG geforderten Voraussetzungen, vor. Der Anspruch kann nämlich im "ordentlichen Rechtsweg" iS des Art137 B-VG geltend gemacht werden:

Der Begriff des ordentlichen Rechtsweges ist nicht auf jene Fälle zu beschränken, die von den ordentlichen Gerichten im Streitverfahren nach den Bestimmungen der ZPO zu entscheiden sind; die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes ist vielmehr auch etwa in solchen Angelegenheiten ausgeschlossen, in denen der vermögensrechtliche Anspruch im Zuge eines strafgerichtlichen Verfahrens geltend gemacht werden kann (vgl. zB VfSlg. 3287/1957).

a) §54 FinStrG lautet auszugsweise:

"§54. (1) Findet die Finanzstrafbehörde nach Einleitung des Strafverfahrens, daß für dessen Durchführung das Gericht zuständig ist, so hat sie in jeder Lage des Verfahrens ohne unnötigen Aufschub die Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu erstatten und hievon den Beschuldigten und die gemäß §122 dem Verfahren zugezogenen Nebenbeteiligten zu verständigen; Personen, die sich in vorläufiger Verwahrung oder in Untersuchungshaft der Finanzstrafbehörde befinden, sind dem Gericht zu übergeben.

(2) Über die Beschlagnahme von Gegenständen und über Sicherstellungsmaßnahmen ist in der Anzeige Mitteilung zu machen. Soweit nicht binnen sechs Wochen nach der Anzeige der Untersuchungsrichter die Beschlagnahme seinerseits anordnet oder die Ratskammer eine einstweilige Verfügung erläßt (§207 a), hat die Finanzstrafbehörde die Beschlagnahme oder Sicherstellung unverzüglich aufzuheben.

(3) Nach Erstattung der Anzeige hat die Finanzbehörde eine weitere Tätigkeit nur so weit zu entfalten, als dies §197 vorsieht.

(4) Wird der Finanzstrafbehörde gemäß §203 die Einleitung der Voruntersuchung oder gemäß §209 Abs2 die Einleitung des Strafverfahrens wegen eines Finanzvergehens mitgeteilt, so hat sie ein wegen desselben Finanzvergehens anhängiges verwaltungsbehördliches Finanzstrafverfahren vorläufig einzustellen; ist bereits der Strafvollzug eingeleitet, so ist er zu unterbrechen.

(5) ......".

b) Hier hat nun innerhalb der in §54 Abs2 FinStrG vorgesehenen sechswöchigen Frist die Ratskammer erstmals am 26. Jänner 1989 eine einstweilige Verfügung erlassen; damit war die Finanzbehörde nicht mehr berufen, irgendwelche Anordnungen über die beschlagnahmten Teppiche zu treffen. Vielmehr gründet sich seither die Verwahrung der Teppiche (auch wenn diese nach wie vor beim Zollamt erfolgt) auf die Beschlagnahmeanordnung durch das Strafgericht; nur dieses ist seither zuständig, über die amtlich verwahrten Teppiche zu verfügen. Daran ändert nichts, daß das OLG Linz in der Folge die einstweilige Verfügung der Ratskammer behob; §54 Abs2 zweiter Satz FinStrG fordert nämlich die Rechtskraft der richterlichen Beschlagnahme nicht (vgl. VwGH 18.4.1985 Zl. 83/16/0090, 0091, S 8 f.).

Dem Kläger stand die Möglichkeit offen, im Zuge des gegen ihn anhängigen strafgerichtlichen Verfahrens seinen Anspruch auf Herausgabe der Teppiche geltend zu machen. Selbst wenn die Ratskammer im zweiten oder dritten Rechtsgang nicht innerhalb der im §54 Abs2 FinStrG vorgesehenen Frist entschieden haben sollte, würde dadurch dem Gericht nicht die Kompetenz genommen, über ein Begehren des Klägers auf Herausgabe der Teppiche zu entscheiden. Der Umstand, daß letztendlich das Strafgericht zuungunsten des Klägers entschieden hat, begründet keine Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes.

Die Klage war sohin wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Finanzstrafrecht, ordentlicher Rechtsweg, Beschlagnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:A142.1989

Dokumentnummer

JFT_10108785_89A00142_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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