TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/24 88/12/0198

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Veröffentlicht am 24.06.1992
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

BDG 1979 §4 Abs4;
GehG 1956 §12 Abs1;
GehG 1956 §12 Abs2 Z8;
GehG 1956 §12 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde der NN in W, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Auswärtige Angelegenheiten vom 14. September 1988, Zl. 442207/15-VI.1/88, betreffend Vorrückungsstichtag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht ab 1. Oktober 1988 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; ihre Dienststelle ist das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten.

Sie begann (soweit dies aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles von Bedeutung ist) im Sommersemester 1977 an der Universität Wien ihr Studium der Arabistik (Nebenfach: Politikwissenschaft), das sie mit ihrer Promotion zum Doktor der Philosophie am 9. Juli 1985 abschloß. Bereits zuvor hatte sie am 30. Mai 1980 bzw. am 5. Juni 1981 die Universitätssprachprüfung aus Arabisch (Leistungsstufe 1 bzw. Leistungsstufe 2) erfolgreich abgelegt sowie im Sommer 1981 an einem Intensivsprachprogramm am Bourgiba-Institut für lebende Fremdsprachen an der Universität Tunis (höchste Leistungsstufe) mit Erfolg teilgenommen.

Am 10. März 1982 wurde die Beschwerdeführerin vom Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien zum gerichtlich beeideten Dolmetscher für Arabisch bestellt. In den Jahren 1982 bis 1986 erzielte die Beschwerdeführerin ein zur Einkommensteuer veranlagtes Einkommen aus ihrer selbständigen Tätigkeit als Dolmetsch für Arabisch; neben ihrer Tätigkeit als Gerichtsdolmetsch war sie unter anderem auch bei mehreren offiziellen Besuchen arabischer Politiker in Österreich bzw. bei einem Besuch des damaligen Bundesministers für Inneres in Syrien als Dolmetscher tätig. Ab 14. Juli 1986 stand die Beschwerdeführerin (bis zur Begründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses) als Vertragsbedienstete im Dienststand des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. September 1988 setzte die belangte Behörde für die Beschwerdeführerin den 13. September 1981 als Vorrückungsstichtag fest. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung wie folgt:

"Der für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages maßgebende Sachverhalt wurde entsprechend Ihren Angaben anläßlich der Festsetzung des Vorrückungsstichtages als Vertragsbediensteter des Bundes angenommen.

Das Bundeskanzleramt und das Bundesministerium für Finanzen haben gemäß § 12 Abs. 3 leg. cit. einer vollen Berücksichtigung eines Zeitraumes von 2 Jahren 0 Monaten 0 Tagen aus Ihrer Tätigkeit als Dolmetscher für Arabisch in der Zeit vom 10. März 1982 bis 13. Juli 1986 zugestimmt.

Der Auffassung des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten über die besondere Bedeutung von umfassenden Kenntnissen der arabischen Sprache und eines öffentlichen Interesses an der vollen Berücksichtigung solcher, hiefür aufgewendeter Zeiträume der theoretischen wie praktischen Wissensbildung, wurde im Prinzip beigepflichtet, doch ausgeführt, daß hiebei allerdings nicht übersehen werden könne, daß gründliche Kenntnisse der arabischen Hochsprache, sowie einer regionalen Umgangssprache, einschließlich arabischer Paläographie, Bestandteil beider Diplomprüfungen der Arabistik sind. Weiters könne nicht übersehen werden, daß die positive Ablegung von Universitäts-Sprachprüfungen das einwandfreie Verständnis und den richtigen Gebrauch der Sprache, selbst bei modernen Texten, sowie die Beherrschung von Rechts- und Wirtschaftsterminologie beider Sprachen zur Voraussetzung haben.

Ihre freiberufliche Tätigkeit umfaßte in der Veranlagung ein Einkommen, das etwa der Hälfte eines a-wertigen Anfangs-Monatsbezuges entspricht. Eine Berücksichtigung im Ausmaß von 2 Jahren gemäß § 12 Abs. 3 leg. cit. erscheint somit angemesssen. Über das Zeitausmaß von 2 Jahren hinaus können hingegen die vorgeschriebenen Tatbestandserfordernisse der besonderen Bedeutung und eines öffentlichen Interesses nicht als verwirklicht angesehen werden.

Die für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages dem Tag der Ernennung vorangesetzten Zeiten und die entsprechenden Gesetzesstellen sind der dem Bescheid angeschlossenen Ermittlung zu entnehmen."

Die Beilage lautet: "Ermittlung des Vorrückungsstichtages Folgende nach Vollendung des 18. Lebensjahres liegende

Zeiten werden nach den Bestimmungen des GG 1956, BGBl. Nr. 54/56 i.d.g.F., dem Tag der Ernennung vorangesetzt:

I. in Verw. Gruppe B:

Zeiten gem. § 12 (1)a zur Gänze in Verbindung mit

  § 12 (2) Z. 8: Univ. Wien, Studium der Arabistik

                 1.1.77 - 31.12.80                4 J  - M  - T

                        Überstellungsverlust     -4 J  - M  - T

                                                  - J  - M  - T

II. in Verw. Gruppe A:

Zeiten gem. § 12 (1)a zur Gänze in Verbindung mit

  § 12 (2) Z. 6: Höhere Schule

                 7.3.75 - 30.6.75                 - J  3 M 24 T

           Z. 1: BMfaA, VB I/a

                 14.7.86 - 30.9.1988              2 J  2 M 17 T

Zeiten gem. § 12 (3) zur Gänze im Einvernehmen

mit dem BKA und dem BMfFinanzen:

Tätigkeit als Dolmetscher für Arabisch

10.3.82 - 17.7.86     4 J  4 M  4 T,

davon zur Gänze                                   2 J  - M  - T

den Rest zur Hälfte                               1 J  2 M  2 T

sonstige Zeiten gem. § 12 (1)b zur Hälfte

1.7.75 - 31.12.76       1 J  6 M  - T

1.1.81 -  9. 3.82       1 J  2 M  9 T

                        2 J  8 M  9 T       =    1 J  4 M  5 T

Gesamtausmaß der voranzusetzenden Zeiten         7 J  - M 18 T

               Ernennungstag                     1.  10. 1988

                       Vorrückungsstichtag     13.   9. 1981"

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf gesetzmäßige Vordienstzeitenanrechnung und gesetzmäßige Festsetzung des Vorrückungsstichtages nach § 12 des Gehaltsgesetzes 1956 (im folgenden GG) durch unrichtige Anwendung von dessen Abs. 2 Z. 8 lit. b und Abs. 3 sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG; §§ 37, 39 und 60 AVG) verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 GG ist der Vorrückungsstichtag dadurch zu ermitteln, daß - unter Ausschluß der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs. 4 bis 8 - dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:

a)

die im Abs. 2 angeführten Zeiten zur Gänze;

b)

die sonstigen Zeiten zur Hälfte.

Nach § 12 Abs. 2 GG sind gemäß Abs. 1 lit. a (zur Gänze) (unter anderem) voranzusetzen:

              "8.              die Zeit eines abgeschlossenen Studiums an einer Universität (wissenschaftlichen Hochschule), Kunsthochschule oder einer staatlichen Kunstakademie, das für den Beamten Ernennungserfordernis gewesen ist,

              a)              bei Studien, auf die die Bestimmungen des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes, BGBl. Nr. 177/1966, und die nach ihm erlassenen besonderen Studiengesetze anzuwenden sind, bis zu der in den Studiengesetzen und Studienordnungen für die betreffende Studienrichtung oder den betreffenden Studienzweig vorgesehenen Studiendauer; hat der Beamte an das Diplomstudium, auf das bereits die Bestimmungen des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes anzuwenden waren, das zugehörige Doktorratsstudium angeschlossen und

              aa)              waren auf dieses Doktorratsstudiums die Bestimmungen des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes noch nicht anzuwenden oder

              bb)              wird die Dauer des Doktorratsstudiums in den neuen Studienvorschriften nicht genau festgelegt,

so ist die tatsächliche Dauer des Doktorratsstudiums bis zum Höchstausmaß von einem Jahr für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages zu berücksichtigen;

              b)              bei Studien, auf die die Bestimmungen des Algemeinen Hochschul-Studiengesetzes und die nach ihm erlassenen besonderen Studiengesetze nicht anzuwenden sind, bis zu dem in der Anlage festgesetzten Höchstausmaß; zum Studium zählt auch die für die Erwerbung eines akademischen Grades erforderliche Vorbereitungszeit.

Als Laufzeit des Sommersemesters ist die Zeit vom 1. Jänner bis zum 30. Juni, als Laufzeit des Wintersemesters ist die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember anzusehen. Wurde das Studium mit einem Trimester begonnen so ist als Beginn des Studiums, wenn das erste Trimester ein Sommer- oder Herbsttrimester war, der 1. Juli, wenn das erste Trimester ein Wintersemester war, der 1. Jänner des betreffenden Jahres anzusehen."

Lit. e der Anlage zu § 12 Abs. 2 Z. 8 GG ordnet an, daß das Höchstausmaß für die Berücksichtung der Zeit des Hochschulstudiums nach § 12 Abs. 2 Z. 8 viereinhalb Jahre für alle übrigen Studienrichtungen (die Studienrichtung der Beschwerdeführerin ist in den vorangegangenen lit. nicht erwähnt) beträgt.

Nach § 12 Abs. 3 GG können Zeiten gemäß Abs. 1 lit. b, in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben hat, mit Zustimmung des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für Finanzen im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist.

Gemäß § 234 Abs. 1 Z. 5 BDG 1979 (Paragraphenbezeichnung in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 148/1988) wird der Nachweis der abgeschlossenen Hochschulbildung im Sinn der Anlage 1 bei Beamten, auf deren Hochschulstudium das Allgemeine Hochschul-Studiengesetz, BGBl. Nr. 177/1966, und die nach ihm erlassenen besonderen Studiengesetze nicht anzuwenden sind, bei den philosophischen Studien durch die Erwerbung des Doktorates der Philosophie erbracht.

(Allgemeines) Ernennungserfordernis für einen Beamten der Verwendungsgruppe A ist gemäß Punkt 1.1. der Anlage 1 zum BDG 1979 eine der Verwendung entsprechende abgeschlossene Hochschulbildung. Diese ist durch Erwerbung des Diplomgrades gemäß § 35 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes nachzuweisen.

Als besonderes Ernennungserfordernis normiert Punkt 1.3. der zitierten Anlage für Beamte im auswärtigen Dienst "das Diplom der Diplomatischen Akademie, wenn keines der folgenden Hochschulstudien abgeschlossen wurde: rechts- oder staatswissenschaftliche Studien, sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Studien der volkswirtschaftlichen oder der handelswissenschaftlichen Studienrichtung, Studien an der Wirtschaftsuniversität mit dem Abschluß durch das Doktorrat der Handelswissenschaften;".

Gemäß § 4 Abs. 4 BDG 1979 kann unter anderem die Nichterfüllung eines besonderen Ernennungserfordernisses oder eines Teiles desselben im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler aus dienstlichen Gründen nachgesehen werden, wenn ein gleichgeeigneter Bewerber, der allen Erfordernisen entspricht, nicht vorhanden und nicht in besonderen Vorschriften oder in der Anlage 1 die Nachsicht ausgeschlossen ist.

Aus Punkt 1.4. der Anlage 1 zum BDG 1979 geht hervor, daß eine Nachsicht des in der Ziffer 1.3 lit. d angeführten Ernennungserfordernisses nicht ausgeschlossen ist.

Strittig sind im Beschwerdefall zwei Fragen, nämlich die Anrechnung des Studiums nach § 12 Abs. 2 Z. 8 GG und das Ausmaß der Vollanrechnung der (teilweise innerhalb der Studienzeit der Beschwerdeführerin) liegenden Tätigkeit in der Zeit vom 10. März 1982 bis 13. Juli 1986 (im folgenden Praxis-Vordienstzeit genannt) nach § 12 Abs. 3 GG.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin die Verletzung des Parteiengehörs geltend. Die belangte Behörde sei unrichtig davon ausgegegangen, daß das Studium der Beschwerdeführerin ein Diplomstudium gewesen sei; tatsächlich habe sie ein Doktoratsstudium absolviert. Dies hätte sie bei Wahrung des Parteiengehöres aufklären können. Sie hätte ferner nachgewiesen, daß zusätzlich zu ihrem Studium die gesamte Praxis-Vordienstzeit - und nicht bloß zwei Jahre - voll nach § 12 Abs. 3 GG anzurechnen gewesen wäre, weil sie zur Erlangung des von ihr zu Beginn ihres öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses erzielten Verwendungserfolges im vollen Ausmaß notwendig gewesen sei. Die belangte Behörde habe auch nicht berücksichtigt, daß der Beschwerdeführerin wegen der Praxis-Vordienstzeit das besondere Ernennungserfordernis der Ausbildung an der Diplomatischen Akademie nachgesehen worden sei. Schließlich sei die Bescheidbegründung fehlerhaft geblieben, weil ihr Verwendungserfolg bei Beginn ihres öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses nicht näher dargestellt worden sei.

Die (unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes dargelegte) Rechtserheblichkeit dieser Verfahrensmängel erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß in ihrem Fall die Anrechnung ihrer Studienzeit nach § 12 Abs. 2 Z. 8 lit. b GG hätte erfolgen müssen (Anrechung im Ausmaß von 4 1/2 Jahren statt der von der Behörde vorgenommenen 4 Jahre).

Die Begründung für die nur teilweise erfolgte Vollanrechnung der Praxis-Vordienstzeit nach § 12 Abs. 3 GG sei nicht nachvollziehbar: Ihren Verwendungserfolg hätte die Beschwerdeführerin mit einer Praxis-Vordienstzeit von lediglich 2 Jahren nicht erzielen können, weil die volle Sprachbeherrschung des Arabischen - wegen der Wesensverschiedenheit der "Arabischen Welt" vom indogermanischen Sprach- und Kulturraum - einer langjährigen Praxis bedürfe, sodaß mit einem zusätzlichen Zeitaufwand von zwei Jahren nicht das Auslangen hätte gefunden werden können. Der Schluß von ihrem Einkommen, sie sei während der Praxis-Vordienstzeiten nur halbtags beschäftigt gewesen, sei verfehlt, habe sie doch während dieser Zeit noch weiterstudiert, um ihr Doktorat zu erwerben. Ein ungefähr gleich hoher Aufwand für praktische Tätigkeit (mit der ein intensives Weiterlernen verbunden sei) und weitere (Universitäts)Studien seien geradezu ideal für ein optimales Vorankommen. Dieser optimale Ausbildungseffekt sei ihrem Dienstgeber ab Beginn des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses voll zugute gekommen; es könne keine Rede davon sein, daß die Beschwerdeführerin zu einem bestimmten Zeitpunkt (etwa zwei Jahre nach Beendigung des Studiums) einen bestimmten Standard erreicht hätte, den sie in der Folge nur mehr gehalten habe. Das Absehen vom besonderen Ernennungserfordernis (Ausbildung an der diplomatischen Akademie) wegen der Praxis-Vordienstzeit beweise, daß diese auch für ihre sonstige ressortspezifische Ausbildung von wesentlicher Bedeutung gewesen sei. Am Vorliegen der Voraussetzung des öffentlichen Interesses an der Vollanrechnung könne keinerlei Zweifel bestehen. Die belangte Behörde habe nicht in Handhabung des freien Ermessens weniger als nach der Sachlage gemäß § 12 Abs. 3 GG angezeigt gewesen wäre, anrechnen wollen, sondern weil sie davon ausgegangen sei, daß die im Gesetz genannten Voraussetzungen lediglich für eine Höchstausmaß von zwei Jahren erfüllt seien.

Die Beschwerde ist im Ergebnis zum Teil berechtigt.

Zur Anrechnung des Studiums der Beschwerdeführerin nach § 12 Abs. 2 Z. 8 GG im Ausmaß von vier Jahren (was unter Berücksichtigung des Überstellungsverlustes dazu führt, daß sich das Studium in diesem Ausmaß bei Ermittlung des Vorrückungsstichtages der Beschwerdeführerin nicht auswirkt) läßt der angefochtene Bescheid jede Begründung dafür vermissen, von welcher Anrechnungsregel (lit. a oder lit. b des § 12 Abs. 2 Z. 8 GG) ausgegangen wurde. Aus den Verwaltungsakten geht lediglich hervor, daß die Beschwerdeführerin das für die Verwendungsgruppe A bestehende allgemeine Ernennungserfordernis einer ihrer Verwendung entsprechenden abgeschlossenen Hochschulausbildung durch den Erwerb des Doktorates der Philosophie (dies deutet auf einen Anwendungsfall des § 234 Z. 5 BDG 1979 hin) erfüllt hat; aus den vorliegenden Unterlagen geht aber nicht hervor, daß sie einen Diplomgrad gemäß § 35 AHStG erworben hätte. Es erscheint daher im Beschwerdefall klärungsbedürftig, ob nicht die Anrechnungsregel des § 12 Abs. 2 Z. 8 lit. b GG anzuwenden ist, was dazu führen würde, daß - unter Berücksichtigung des Überstellungsverlustes nach § 12 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 6 Z. 2 und § 12a GG - bei Ermittlung des Vorrückungsstichtages von der Zeit des abgeschlossenen Studiums sechs Monate dem Tag der Anstellung der Beschwerdeführerin (zusätzlich) (unter gleichzeitiger Verringerung der sonstigen Zeiten) voranzusetzen wären. Im übrigen ist die belangte Behörde auch bei Ermittlung des Vorrückungsstichtages nach § 26 des Vertragsbedienstetengesetzes in dieser Weise (also abweichend von der im angefochtene Bescheid zugrundeliegenden Berechnung) vorgegangen.

Schon deshalb ist der angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Was die von der belangten Behörde vorgenommene Anrechnung der Praxis-Vordienstzeit nach § 12 Abs. 3 GG betrifft, trifft der Vorwurf bei Verletzung des Parteiengehörs aber schon deshalb nicht zu, weil die belangte Behörde von einem Sachverhalt ausgegangen ist, zu dem die Beschwerdeführerin nach der Aktenlage (insbesondere durch Vorlage ihrer Einkommensteuererklärungen für die Kalenderjahre 1982 bis 1986 sowie ihrer Zeugnisse) selbst beigetragen hat und ihre Beschwerde ausschließlich die rechtliche Bewertung des an sich unbestrittenen gebliebenen Sachverhaltes in Frage stellt, ohne jedoch neue im Tatsächlichen liegende Momente aufzuzeigen, deren Ermittlung unterblieben ist und die für den Verfahrensausgang erheblich sein könnten. Die Beschwerdeführerin hat nicht bestritten, daß ihr das abgeschlossene Studium sowie die abgelegten Universitäts-Sprachprüfungen das einwandfreie Verständnis und den richtigen Gebrauch der Sprache (selbst bei modernen Texten) vermittelt hätte. Daß dem durch den Studienabschluß erworbenen theoretischen Wissen auf Grund des Studienverlaufes besondere Bedeutung im Sinn des § 12 Abs. 3 GG zugekommen wäre, hat die Beschwerdeführerin weder behauptet noch ergibt sich dies aus den Verwaltungsakten. Wenn die belangte Behörde aus den vorgelegten Einkommensteuererklärungen im Ergebnis einen Rückschluß auf das Ausmaß der praktischen Tätigkeit (Halbtagsbeschäftigung) gezogen hat und das in Verbindung mit dem durch die Studien erworbenen theoretischen Wissen zur Grundlage ihrer Bewertung erhoben hat, wonach von dieser praktischen Tätigkeit nur zwei Jahre zur Gänze wegen in ihrer besonderen Bedeutung angerechnet werden könnten, so ist sie nicht rechtswidrig vorgegangen. Bei dem im Beschwerdefall vorliegenden Umfang der "Praxiskomponente", der allein nach dem maßgeblichen Sachverhalt besondere Bedeutung im Sinn des § 12 Abs. 3 GG 1956 beigemessen werden konnte, in Verbindung mit der theoretischen Ausbildung der Beschwerdeführerin kommt eine über die Hälfte hinausgehende Vollanrechnung der fraglichen Zeit von vornherein nicht in Betracht, sodaß in der Unterlassung der an sich gebotenen Gegenüberstellung (Verwendungserfolg im sechsmonatigen "Beobachtungszeitraum" nach Begründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses - Fähigkeiten und Kenntnisse, die in der Praxis-Vordienstzeit erworben wurden) kein rechtserheblicher Verfahrensfehler liegt.

Der Vorwurf, die belangte Behörde wäre davon ausgegangen, die Beschwerdeführerin habe zu einem bestimmten Zeitpunkt ihren Standard erreicht und sich danach nicht mehr weiterentwickelt, geht ins Leere, weil die belangte Behörde den gesamten Zeitraum (ab Vollendung des 18. Lebensjahres bis zur Begründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses) in ihre Überlegungen miteinbezogen hat und die zur Gänze in diesem Zeitraum liegende Bedeutung der "Praxis-Vordienstzeit" hinreichend gewürdigt hat.

Aus dem nach § 4 Abs. 4 BDG 1979 im Beschwerdefall erfolgten Absehen von dem für die Beschwerdeführerin (im Hinblick auf ihren Studienabschluß) erforderlichen besonderen Ernennungserfordernis des Diplomes der Diplomatischen Akademie läßt sich nichts für die BESONDERE Bedeutung der Praxis-Vordienstzeiten unter dem Gesichtspunkt des § 12 Abs. 3 GG gewinnen. Abgesehen davon, daß hiefür mehrere Umstände (und nicht nur die Praxis-Vordienstzeit) in dem die Nachsicht vorbereitenden Ministerratsvortrag angeführt werden, läßt sich aus der erteilten Nachsicht im Beschwerdefall (in Verbindung mit dem erwähnten Ministerratsvortrag) bestenfalls ableiten, die Beschwerdeführerin hätte einen Wissensstand in jenen Gebieten erreicht, die als Schwerpunktsbereiche im Unterrichtsplan für die Diplomatische Akademie (vgl. Bundesgesetz über die Diplomatische Akademie, BGBl. Nr. 135/1979 sowie die Verordnung des Bundesministers für Auswärtige Angelegenheiten vom 14. August 1980, BGBl. Nr. 413) vorgesehen sind und die von Absolventen bestimmter Studienrichtungen ansonst durch das Diplom der Diplomatischen Akademie nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich aber nicht nur um Sprachkenntnisse, sondern (wie den zitierten Rechtsvorschriften zu entnehmen ist) auch um Kenntnisse auf anderen Gebieten wie z.B. dem Völkerrecht, der Geschichte einschließlich diplomatischer Geschichte sowie bestimmter wirtschaftlicher Kenntnisse. Im übrigen ist im Beschwerdefall auch zu berücksichtigen, daß die Nachsicht vom besonderen Ernennungserfordernis mit Beschluß des Ministerrats vom 13. September 1988 erteilt wurde, die Beschwerdeführerin in diesem Zeitpunkt bereits eine zweijährige Tätigkeit im Außenamt als Vertragsbedienstete aufwies und sie bereits zuvor am 29. Juni 1988 die Dienstprüfung (nach der gemäß Anlage 2 zum BDG 1979 gemäß § 233 Abs. 1 als Bundesgesetz weiter geltenden Verordnung, BGBl. Nr. 398/1972) erfolgreich abgelegt hatte. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin erweist sich demnach, soweit es gegen das Ausmaß der Vollanrechnung ihrer Praxis-Vordienstzeit gemäß § 12 Abs. 3 GG gerichtet war, als unbegründet.

Aus den oben genannten Gründen war der Bescheid jedoch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988120198.X00

Im RIS seit

16.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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