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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §224 Abs1;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1993, 307;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. März 1991, Zl. GA 11 - 1678/90, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Haftung der Beschwerdeführerin für die Steuer der am Erbfall Beteiligten betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde - also soweit sie sich gegen die Festsetzung der Erbschaftssteuer gegenüber der Beschwerdeführerin richtet - als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.960,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Eine Inländerin, die u.a. Eigentümerin einer bebauten Liegenschaft in Wien (mit einem zuletzt festgestellt gewesenen Einheitswert von S 722.000,--) gewesen war, war am 9. Mai 1989 gestorben.
Im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung war ein Reinnachlaß (Aktiva: S 743.499,82 einschließlich der mit dem genannten Einheitswert bewerteten Liegenschaft; Passiva: S 730.854,88 ohne 1. die Gebühren des Sachverständigen Heinrich B. in Höhe von S 1.658,--, 2. die S 20.546,-- betragenden Gebühren des Gerichtskommissärs und 3. die Mindestpauschalgebühr von S 400,-- gemäß TP 8 B. des nach § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs) von S 12.645,14 festgestellt worden.
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 3. Oktober 1989 war der betreffende Nachlaß auf Grund des Testamentes vom 28. Mai 1988 - nach Annahme der entsprechenden bedingten Erbserklärungen - der Beschwerdeführerin zu 1/4tel, deren am 25. Juli 1972 geborenem Sohn Wolfgang zu 14/20tel und deren am 9. September 1964 geborenem Sohn Andreas zu 1/20tel eingeantwortet worden.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien - insbesondere im Hinblick auf die oben erwähnten Gebühren des Gerichtskommissärs offensichtlich eine Überschuldung des Nachlasses annehmend - setzte mit Bescheid vom 27. April 1990 (ausgehend von dem genannten Einheitswert der Liegenschaft) gegenüber der Beschwerdeführerin für ihren Erbteil von 1/4tel (S 180.500,--) auf Grund des § 8 Abs. 5 ErbStG Erbschaftssteuer in der Höhe von 2 v.H. (S 3.610,--) fest und machte ihre Haftung für die Steuer der am Erbfall Beteiligten als Gesamtschuldnerin gemäß §§ 13 Abs. 2 ErbStG und 224 Abs. 1 BAO geltend.
Gegen diesen Bescheid brachten die Beschwerdeführerin und ihre Söhne in einem Schriftsatz vom 31. Mai 1990 Berufung ein. Einleitend erklärten die Berufungswerber, der bezeichnete Bescheid werde zur Gänze angefochten. Anschließlich rügten sie die Verletzung der Wertermittlungsbestimmungen der §§ 18 bis 21 ErbStG, weil vom Einheitswert der Liegenschaft nicht die Passiva, die insbesondere mit dem Liegenschaftserwerb im Zusammenhang stünden, in Abzug gebracht worden seien. Es sei daher die Bemessungsgrundlage und auch die Höhe der Abgabe unrichtig. Aus den angeführten Gründen beantragten die Berufungswerber 1. die Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Rückverweisung an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Bescheidfällung nach allfälliger Verfahrensergänzung und 2. in eventu die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahin, daß die Ermittlung der Bemessungsgrundlage im Sinne des §§ 18 bis 21 ErbStG erfolgen möge.
Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (in der Folge: belangte Behörde) wies diese Berufung der Beschwerdeführerin mit Berufungsentscheidung vom 5. März 1991 als unbegründet ab, und zwar im wesentlichen mit folgender Begründung:
Die Beschwerdeführerin meine, die Bemessungsgrundlage wäre unrichtig ermittelt worden, da die Passiva nicht von den Aktiva in Abzug gebracht worden seien.
Auf dieses Vorbringen antwortete die belangte Behörde im wesentlichen mit einem Hinweis auf die Bestimmungen des § 8 Abs. 1, 4 und 5 ErbStG und das - z.B. in der ÖStZB 6/1983, S. 138, veröffentlichte - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Juni 1982, Zl. 81/15/0119.
Abschließend beurteilte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 13 Abs. 2 ErbStG die außergerichtliche Erbteilung, das offensichtliche Nichtbestehen von Streitigkeiten zwischen den Erben und die Tatsache, daß auch der mj. Sohn der Beschwerdeführerin Erbe sei, die Erlassung eines einzigen Abgaben- und Haftungsbescheides als durchaus zweckmäßig.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt (siehe z. B. sein gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführtes Erkenntnis vom 27. Juni 1991, Zl. 90/16/0097, mit weiterem Hinweis) dargetan hat, stellt sich nach § 8 Abs. 5 ErbStG der im Abs. 4 umschriebene Erhöhungsbetrag als MINDESTSTEUER dar, die UNTER ALLEN UMSTÄNDEN einzuheben ist, auch wenn die Zuwendung an sich steuerfrei ist oder infolge Abzuges von Freibeträgen ganz oder zum Teil frei bleibt. Weiters ist die Erhöhung als Mindeststeuer aber auch dann einzuheben, wenn der Nachlaß infolge Überschuldung zu keiner Erbschaftssteuer führen könnte, wenn zum Nachlaß Liegenschaften nicht gehörten.
Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung wurde sie daher durch die hier in Rede stehende, ihr gegenüber erfolgte Erbschaftssteuerfestsetzung in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt.
Zur Frage der Haftung der Beschwerdeführerin für die Steuer der am Erbfall Beteiligten ist folgendes zu bemerken:
Die Abgabenbehörden sind an die gerichtliche Feststellung der Erbenqualität gebunden (s.z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 1990, Zl. 89/16/0020, ÖStZB 16/1991, S. 330, insb. S. 333 rechts Abs. 1, mit weiterem Hinweis).
Auf Grund des § 13 Abs. 2 ErbStG haftet neben den im Abs. 1 Genannten der Nachlaß sowie jeder Erbe in Höhe des Wertes des aus der Erbschaft Empfangenen für die Steuer der am Erbfall Beteiligten als Gesamtschuldner.
§ 7 Abs. 1 BAO bestimmt, daß Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, durch Geltendmachung dieser Haftung (§ 224 Abs. 1) zu Gesamtschuldnern werden.
Auf Grund des § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Gemäß § 224 Abs. 1 erster Satz BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht.
Die Beschwerdeführerin, die in der Beschwerde offensichtlich irrtümlich in bezug auf die Erbteile ihrer Söhne ein "Zwölftel" und 14 "Zwölftel" erwähnt, scheint u.a. insbesondere folgendes zu übersehen:
Abgabenrechtliche Haftungen setzen wohl den Bestand einer Schuld (§ 4 BAO) voraus, nicht jedoch, daß diese Schuld dem Abgaben(Erst)schuldner gegenüber auch bereits geltend gemacht wurde; sie haben daher keinen akzessorischen Charakter. Wenn auch dem Erstschuldner gegenüber der Anspruch noch nicht geltend gemacht worden wäre, würde doch durch den Haftungsbescheid ein Gesamtschuldverhältnis begründet, welches dem Erstschuldner gegenüber allerdings erst mit Erlassung des Abgabenbescheides wirksam wird (siehe z.B. das oben angeführte Erkenntnis vom 27. Juni 1991).
Für die "Höhe des Wertes des aus der Erbschaft Empfangenen" im Sinne des § 13 Abs. 2 ErbStG ist nicht der Einheits-, sondern der Verkehrswert der Nachlaßliegenschaft maßgebend (siehe z.B. das für das ErbStG bedeutungsvoll gebliebene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1960, Zl. 1441/56, Slg. Nr. 2287/F). Zutreffend weisen z.B. Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts, Band II2, Wien 1988, S. 29, darauf hin, daß die Einheitswerte bebauter Grundstücke erfahrungsgemäß in der Regel nur einen Bruchteil des Verkehrswertes ausmachen.
Zumindest im Ergebnis kommt jedoch den Ausführungen in der Beschwerde im Zusammenhang mit § 13 Abs. 2 ErbStG Berechtigung zu, weil die belangte Behörde bei der Erlassung der angefochtenen Berufungsentscheidungen zwar erkannte, daß die Inanspruchnahme der Haftenden im Ermessen der Abgabenbehörde liegt, aber keine der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugängliche Begründung für ihre Ermessensentscheidung lieferte. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht ausschließen, daß die belangte Behörde unter dem Druck der sie treffenden Begründungspflicht im Zusammenhang mit § 13 Abs. 2 ErbStG zu einem anderen - für die Beschwerdeführerin günstigeren - Bescheid hätte kommen können. Das Ermessen ist nämlich auch bei der Erbenhaftung des § 13 Abs. 2 ErbStG im Sinne einer Nachrangigkeit der Haftungsinanspruchnahme zu üben. Es wird daher im allgemeinen nur dann gesetzeskonform sein, den Erben als Haftenden in Anspruch zu nehmen, wenn die Einbringlichkeit der Abgabe beim Eigenschuldner gefährdet oder wesentlich erschwert ist (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1992, Zl. 90/16/0196, mit weiterem Hinweis).
Auf Grund vorstehender Ausführungen ist der die Haftung der Beschwerdeführerin für die Steuer der am Erbfall Beteiligten betreffende - trennbare - Teil der angefochtenen Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Im übrigen ist die vorliegende Beschwerde jedoch gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Bei dem in dieser Verordnung für Schriftsatzaufwand vorgesehenen Betrag handelt es sich um einen PAUSCHALbetrag. Die Vorlage - offensichtlich für die belangte Behörde gedachter - Beilagen ist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich.
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991160045.X00Im RIS seit
14.01.2002Zuletzt aktualisiert am
31.10.2009