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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des NN in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 29. Mai 1991, Zl. 35/5-DOK/91, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Amtsrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erkannte die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen (Disziplinarbehörde erster Instanz) mit Bescheid vom 15. Februar 1991 den Beschwerdeführer schuldig, 27 Anträge auf Mietzinsbeihilfe gemäß § 106a EStG 1972, die zwischen dem 2. Juli 1987 und 16. November 1989 beim Finanzamt für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien eingelangt waren, nicht ordnungsgemäß erledigt, sondern auf allen diesen Anträgen am 22. Juni 1990 den Vermerk "Antragsteller verzogen" angebracht, ohne daß er diesbezüglich Erhebungen durchgeführt hätte, und diese Anträge sodann abgelegt zu haben. Der Beschwerdeführer habe hiedurch gegen § 43 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung im Sinn des § 91 BDG 1979 begangen. Über ihn wurde gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von S 20.000,-- verhängt.
Die Disziplinarbehörde erster Instanz begründete ausführlich, warum sie auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens abweichend von der Verantwortung des Beschwerdeführers den im Schuldspruch angeführten Sachverhalt als erwiesen angenommen hat. Als Motiv für die zur Last gelegte Handlungsweise führte sie an, der Beschwerdeführer sei offenbar wegen einer (einige Zeit vor der Anfertigung des Aktenvermerkes) aus Anlaß der Vorlage eines Antrages mit altem Antragsdatum zur Genehmigung von seinem Vorgesetzten gestellten Frage nach weiteren "alten Akten" in Panik geraten und habe versucht, durch die Ablage vorhandener alter Akten dieses Faktum zu verschleiern; durch die Vermerke "Antragsteller verzogen" habe er offensichtlich eine Bearbeitung vortäuschen wollen. In diesem Zusammenhang sei die vom Zeugen L. in der mündlichen Verhandlung bekanntgegebene Erledigungsstatistik bemerkenswert. Nach dieser Statistik seien auf den Beschwerdeführer im Zeitraum 1987 bis (14. März) 1990 nur ein Viertel bis ein Drittel der gesamten Erledigungen, zwei Drittel bis drei Viertel bei Erledigungen auf Frau S. entfallen. Der Beschwerdeführer habe dieses Arbeitsprodukt in 199 Tagen geschafft, während Frau S. dafür nur 125 Tage aufgewendet habe. Diese geringe Arbeitsleistung könne nicht ernsthaft zur Gänze mit dem nur auf den Beschwerdeführer entfallenden Parteienverkehr erklärt werden. Vielmehr zeige dies die geringe Effektivität des Beschwerdeführers auf, was wiederum den Aktenrückstand als logisch erscheinen lasse. Im gesamten Ermittlungsverfahren sei dem Beschwerdeführer durch nichts auch nur der Ansatz eines Beweises gelungen, er habe diese Vermerke tatsächlich auf Grund durchgeführter Ermittlungen gemacht und vorgehabt, die Akten weiter zu bearbeiten. Das Verfahren (insbesondere die Aussagen des Zeugen L.) habe das Gegenteil ergeben. Es sei somit erwiesen, daß der Beschwerdeführer einen bei ihm angewachsenen Aktenrückstand nicht sachgerecht bearbeitet, sondern 27 Akten (diese werden in der Begründung näher bezeichnet) mit dem auf keinerlei Ermittlungen basierenden Vermerk "Antragsteller verzogen" versehen habe; dies habe er an einem Tag, nämlich am 22. Juni 1990, getan und damit eine Erledigung nur vorgeschoben und sodann - wieder völlig unrichtig - diese noch gar nicht erledigten Akten im Fach der erledigten Akten abgelegt. Daß schließlich diese Akten einer Erledigung zugeführt worden seien, könne sich der Beschwerdeführer nicht zu seinem Vorteil anrechnen, sei dies doch einzig und allein darauf zurückzuführen, daß seine Nichterledigung und Fehlablage aufgedeckt worden und die weitere Bearbeitung unter laufender Kontrolle erfolgt sei. Mit diesem Verhalten habe der Beschwerdeführer gegen § 43 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen, weshalb ein Schuldspruch zu fällen gewesen sei.
Bei der Strafbemessung wertete die Disziplinarbehörde erster Instanz die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und die ausgezeichnete Leistungsfeststellung als mildernd; erschwerend hingegen die große Zahl der von der Fehlhandlung betroffenen Akten. In dem von § 92 BDG 1979 vorgegebenen Rahmen sei der Disziplinarbehörde erster Instanz weder ein Verweis noch eine Geldbuße schuldangemessen erschienen; dies vor allem deshalb, da der Beschwerdeführer nicht die geringste Schuldeinsicht habe erkennen lassen. Um ihm die Unrechtmäßigkeit seiner Handlung deutlich vor Augen zu führen, sei die Verhängung einer Geldstrafe notwendig erschienen, wobei die Höhe im Hinblick auf die bestehenden Sorgepflichten (Ehegattin und ein Kind) an der Untergrenze des in Z. 3 des § 92 Abs. 1 BDG 1979 angeführten Rahmens (monatlicher Bruttobezug des Beschwerdeführers ca. S 30.000,--) angesetzt habe werden können.
In seiner innerhalb offener Frist eingebrachten Berufung führte der Beschwerdeführer folgendes aus:
"Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ich schuldig erkannt, 27 Anträge auf Mietzinsbeihilfe, beim Finanzamt eingelangt zwischen dem 2.7.1987 und 16.11.1989, ohne vorherige Erhebungen und Erledigungen am 22.6.1990 mit dem Vermerk 'Antragsteller verzogen' versehen und abgelegt zu haben.
Ich habe mich bei der Verhandlung am 25.1.1991 für nicht schuldig bekannt, weil ich die Disziplinaranzeige irrtümlich so verstanden habe, als würde ich beschuldigt, die gegenständlichen Fälle überhaupt keiner Erledigung zugeführt zu haben. Da ich diese Fälle, wenn auch verspätet, einer Erledigung zugeführt habe, betrachtete ich den Vorwurf der Nichterledigung als ungerechtfertigt.
Ich war in erster Instanz anwaltlich nicht vertreten und habe nun infolge anwaltlicher Beratung meinen Irrtum eingesehen.
Ich widerrufe sohin meine Nichtschuldigerklärung in erster Instanz und bitte, mir das nunmehrige Geständnis, meine Schuldeinsicht und meine durch die Befreiung meiner körperbehinderten Kollegin S. vom Parteienverkehr bedingte Überlastung strafmildernd anzurechnen. Wegen dieser Überlastung habe ich ja auch eine zusätzliche Kraft bzw. meine Versetzung beantragt, aber nicht bewilligt erhalten.
Ich bitte daher, das angefochtene Erkenntnis dahin abzuändern, daß die über mich verhängte Geldstrafe von S 20.000,-- entsprechend herabgesetzt wird."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Mai 1991 gab die belangte Behörde der Berufung Folge und setzte die über den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe auf S 19.000,-- herab. Gleichzeitig wurde gemäß § 127 Abs. 2 BDG 1979 die Abstattung der Geldstrafe in 7 Monatsraten (6 Monatsraten von je S 3.000,--, eine Monatsrate zu S 1.000,--) gewährt. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Schuldfrage sei nicht mehr näher zu prüfen gewesen, weil sich die Berufung des Beschwerdeführers ausschließlich gegen die von der Disziplinarbehörde erster Instanz verhängte Disziplinarstrafe gerichtet habe. Für die Strafbemessung sei § 93 Abs. 1 BDG 1979 maßgebend. Zur Schwere der Dienstpflichtverletzung habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung keinerlei Ausführungen gemacht, sodaß die diesbezügliche Würdigung der strafbaren Handlung durch die Disziplinarbehörde erster Instanz unbestritten geblieben sei. Demzufolge sei die ihm angelastete Dienstpflichtverletzung als durchaus gravierend zu erachten, zumal er mit der Unterlassung ihm obliegender dienstlicher Tätigkeiten in seinem engsten Pflichtenkreis versagt habe. Eine der grundlegendsten Dienstpflichten des Beamten bilde die Erfüllung der mit dem jeweiligen Arbeitsplatz verbundenen Aufgaben. Komme ein Bediensteter diesen vorsätzlich nicht nach, so trete damit eine nachhaltige Beeinträchtigung des zwischen der Behörde und dem Beamten bestehenden Vertrauensverhältnisses ein. Da der Beschwerdeführer mehrfach und nachhaltig ihm obliegende Dienstpflichten verletzt habe, scheine die Verhängung einer strengen Disziplinarstrafe durchaus tat- und schuldangemessen. Zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen sei folgendes zu bemerken: Erschwerend sei die große Zahl der von der Fehlhandlung des Beschwerdeführers betroffenen Akten zu berücksichtigen gewesen. Mildernd hingegen habe sich die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit und die ausgezeichnete Leistungsfeststellung des Beschwerdeführers ausgewirkt. Das vom Beschwerdeführer in seiner Berufung als Milderungsgrund hervorgehobene nunmehrige Geständnis und seine Schuldeinsicht seien relativ spät zutage getreten und habe daher keinen wesentlichen Einfluß auf die Strafhöhe haben können. Dennoch sei diesem Milderungsgrund mit der vorgenommenen Strafmilderung entsprochen worden, wobei Geständnis und Schuldeinsicht wegen des engen Zusammenhanges, in dem sie stünden, nur einen einzigen Milderungsgrund bildeten. Zur vom Beschwerdeführer geltend gemachten Überlastung wies die belangte Behörde darauf hin, es sei auf Grund der Sachverhaltsermittlungen der Disziplinarbehörde erster Instanz als erwiesen anzunehmen, daß Frau S. rund 75 % der Erledigungen, der Beschwerdeführer lediglich 25 % bearbeitet habe. Wenn auch dem Beschwerdeführer zugute gehalten werden müsse, daß er jene Fälle in Bearbeitung genommen habe, in denen ein Parteienverkehr erforderlich gewesen sei, könne man aus der obigen Aufstellung dennoch erkennen, daß keine grobe Ungleichgewichtung bezüglich des Arbeitsanfalles der einzelnen Referenten bestanden habe. Deshalb habe dieser Umstand nicht als strafmildernd anerkannt werden können. Bei der Bemessung der Disziplinarstrafe sei auch auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers (Sorgepflicht für die Ehegattin und ein Kind) sowie seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (monatlicher Bruttobezug in Höhe von S 30.000,--) Bedacht genommen worden. Die verhängte Strafe sei den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers durchaus angemessen, wobei unter Bedachtnahme auf die gegebenen Sorgepflichten die Abstattung in Teilbeträgen zu bewilligen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.
§ 92 regelt die Disziplinarstrafen. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung sind Disziplinarstrafen 1. der Verweis, 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage, 3. die Geldstrafe bis zur Höhe von 5 Monatsbezügen unter Ausschluß der Haushaltszulage, 4. die Entlassung.
§ 93 regelt die Grundsätze der Strafbemessung. Nach seinem Abs. 1 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
Nach § 115 BDG 1979 kann im Falle eines Schuldspruches von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, daß ein Schuldspruch allein genügen wird, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten.
§ 105 Z. 1 BDG 1979 ordnet die subsidiäre Anwendbarkeit des AVG (mit im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden Ausnahmen) für das Disziplinarverfahren an.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, disziplinär nicht schuldig gesprochen und bestraft zu werden, ohne daß dies (im vollen Umfang) durch die §§ 91 und 93 BDG 1979 gedeckt sei, durch unrichtige Anwendung dieser Normen in Verbindung mit § 43 Abs. 1 BDG 1979 sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 37, 39 und 60 AVG in Verbindung mit § 105 BDG 1979) verletzt.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, die belangte Behörde habe seine Berufung nur als gegen die Strafe gerichtet aufgefaßt und sich nicht mit der Schuldfrage befaßt. Der Beschwerdeführer habe den Spruch des Bescheides der Disziplinarbehörde erster Instanz, der ausdrücklich darauf abgestellt habe, er habe 27 Anträge "nicht ordnungsgemäß erledigt", sondern sie unter Anbringung des Vermerkes "Antragsteller verzogen" abgelegt, tatsächlich nicht anfechten wollen. Die Disziplinarbehörde erster Instanz habe angenommen, daß diese Vermerke bewußt unrichtig angebracht worden seien; dagegen habe er in der Berufung nichts eingewendet. Ob dies zutreffe oder nicht, könne nicht mehr erörtert werden. In diesem Umfang habe sich der Beschwerdeführer als schuldig bekennen wollen und daher eine Schuldberufung nicht beabsichtigt. In der Begründung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses sei jedoch auch zum Ausdruck gebracht worden, daß der Beschwerdeführer die betreffenden 27 Anträge überhaupt nicht mehr hätte bearbeiten wollen. Auf Grund des Prinzipes der Einheit von Spruch und Begründung sei dieser Schuldvorwurf gleichfalls Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung gewesen. Lege man denselben Maßstab an seine Berufung an, kommen hier mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, daß er damit zwei Ziele verfolgt hätte: a) die Korrigierung der Tatsachenannahme und die Annullierung des Schuldvorwurfes, er hätte die Akten überhaupt nicht mehr bearbeiten wollen und b) die Herabsetzung der Strafe auf ein angemessenes Maß.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die oben im vollen Wortlaut wiedergegebene Berufung die nunmehr in der Beschwerde vorgebrachte Bedeutung einer teilweisen Bekämpfung eines nach Auffassung des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis enthaltenen (weiteren) Schuldspruches auch nicht ansatzweise erkennen läßt. Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im Hinblick auf die eindeutige Anfechtungserklärung der Berufung diese als lediglich gegen den Strafausspruch gerichtet sah und daher den Schuldspruch als unbekämpft behandelte. Eine Zweifelssituation war auch deshalb nicht gegeben, weil der Spruch des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses - wie auch der Beschwerdeführer einräumt - ausdrücklich auf die nichtordnungsgemäße Erledigung von 27 Anträgen auf Mietzinsbeihilfe abstellte (durch Anbringen des Vermerkes "Antragsteller verzogen" am 22. Juni 1990 ohne vorherige Erhebungen und durch unrichtige Ablage dieser Anträge) und insoweit auch mit dem Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß der Disziplinarbehörde erster Instanz übereinstimmt, jedoch nicht den Schuldvorwurf enthält, der Beschwerdeführer habe diese Anträge in der Folge nicht weiter erledigen wollen. Die Begründung eines Bescheides kann nur zur Auslegung eines unklaren Spruches herangezogen werden; dies ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes aber im Beschwerdefall nicht gegeben.
Das übrige Vorbringen des Beschwerdeführers richtet sich gegen die Strafbemessung.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde hätte (selbst wenn der Schuldvorwurf des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses auf die im Spruch zur Last gelegte Handlung beschränkt wäre) im Rahmen der Strafbemessung (anders als die Disziplinarbehörde erster Instanz) davon ausgehen müssen, daß das ihm anzulastende Verschulden nicht auch die Absicht, die Akten nicht mehr zu bearbeiten, mitumfaßt habe. Wesentlich für die Strafbemessung sei ferner die Frage, ob es - wie der Beschwerdeführer vorgebracht habe - durch Arbeitsüberlastung zum Aktenrückstand gekommen sei. Darauf sei die belangte Behörde nur unzureichend eingegangen. Vor allem sei seine zeitliche Belastung durch den Parteienverkehr nicht erhoben worden. Bei Vermeidung des vorgeworfenen Verfahrensmangels wäre als zusätzlicher Milderungsgrund festgestellt worden, daß es zu dem ihm angelasteten Verhalten nur als Folge einer Arbeitsüberlastung gekommen sei. Darüber hinaus sei unabhängig von diesen Überlegungen die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von S 19.000,-- exzessiv gewesen. In seiner langen Dienstzeit sei der Beschwerdeführer disziplinär unbescholten geblieben und weise eine ausgezeichnete Leistungsfeststellung auf. Stelle man dem den ihm gemachten Schuldvorwurf gegenüber, sei ein Straferfordernis zu verneinen. Auch wenn es im Beschwerdefall um mehrere Anträge gehe, handle es sich um eine einmalige Verfehlung - die inkriminierte Handlung sei an einem Tag und in einem Zuge gesetzt worden -, sodaß ein spezialpräventives Straferfordernis überhaupt zu verneinen sei. Auch die Schwere der Tat sei keineswegs groß: Bei den betroffenen Anträgen sei es nur deshalb nicht "weitergegangen", weil es an der erforderlichen Mitwirkung der Antragsteller gefehlt habe, weshalb sie schwerlich berechtigt seien, das behördliche Verhalten zu beanstanden. Dem Bund sei durch die Nichtbewilligung der Anträge offensichtlich kein Schaden entstanden. Der Beschwerdeführer sei daher der Ansicht, daß die Voraussetzungen für einen Schuldspruch ohne Strafe nach § 115 BDG 1979 erfüllt seien; höchstens hätte jedoch die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt werden dürfen.
Dem ist folgendes zu erwidern:
Die Disziplinarstrafen sind im § 92 Abs. 1 Z. 1 bis 4 BDG aufgezählt. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber auch der Schuldspruch ohne Strafe nach § 115 BDG 1979 - ungeachtet des Umstandes, daß er nicht im Katalog der Disziplinarstrafen in § 92 Abs. 1 BDG aufgezählt wird - eine Disziplinarstrafe. Dies folgte aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu dem (in dieser Frage inhaltsgleichen) BDG 1977, 500 Blg. St. Prot. NR 14. GP, Seite 87, wonach es unbenommen bleibt, "anläßlich einer späteren Verurteilung
diesen Schuldspruch ... als erschwerend zu berücksichtigen."
(so schon KUCSKO-STADLMAYER, Das Disziplinarrecht der Beamten, Seite 171).
Die Strafbemessung ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 93 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist, bzw. im Fall des § 115 BDG 1979 nur unter den dort vorgesehenen (eingeschränkten) Voraussetzungen zulässig ist. Als Ermessensentscheidung unterliegt sie nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, als dieser zu prüfen hat, ob die Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 130 Abs. 2 B-VG). Die Behörde ist verpflichtet, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offenzulegen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich ist (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1980, Slg. 10.077/A).
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, sind bei der Strafbemessung vor allem die Schwere, insbesondere die Bedeutung der verletzten Pflicht, der Grad des Verschuldens und der Beweggrund der Tat, ferner die Auswirkung der Tat für den Dienstgeber, für das Ansehen des Beschuldigten selbst und der Beamtenschaft in der Öffentlichkeit und schließlich die bisherige dienstliche Führung des Beamten zu berücksichtigen. Die Bestrafung soll sich nach der Art und Schwere des Dienstvergehens richten. Die Disziplinarstrafe muß grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zu dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen stehen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 8. September 1987, Zl. 87/09/0139 = Slg. NF Nr. 12520/A).
Im Beschwerdefall ist bei der zur Last gelegten Tat auch für die Strafbemessung für die Disziplinarbehörden beider Rechtsstufen der Vorwurf ausschlaggebend gewesen, der Beschwerdeführer habe eine sachgerechte Bearbeitung von Mietzinsbeihilfeanträgen vorgetäuscht, um seine Aktenrückstände zu verschleiern. Ob und gegebenenfalls zu welchem späteren Zeitpunkt der Beschwerdeführer die 27 (vom Schuldvorwurf erfaßten) Akten bearbeiten wollte oder nicht, spielt nach der Begründung der belangten Behörde für die von ihr vorgenommene Strafbemessung keine Rolle. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist in diesem Fall die Schwere der Dienstpflichtverletzung eine sehr bedeutende: Zum einen hat der Beschwerdeführer in objektiver Hinsicht das Vertrauen seines Dienstgebers erheblich beeinträchtigt, muß sich dieser doch mangels einer lückenlosen Kontrolle der Arbeitsleistung seiner Dienstnehmer darauf verlassen können, daß diese die ihnen obliegenden Aufgaben unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften korrekt erledigen. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Fehlleistung im Bereich der ihm auf seinem Arbeitsplatz in erster Linie zur Besorgung anvertrauten Aufgabe (der Bearbeitung der Mietzinsbeihilfe) gesetzt und nicht etwa bloß in einem Randbereich von lediglich gelegentlich und nur fallweise zu besorgenden Aufgaben; daher sind dienstliche Interessen durch das Verhalten des Beschwerdeführers massiv verletzt worden; ob dem Bund hiedurch ein Schaden entstanden ist oder ob für das Verhalten des Beschwerdeführers auch eine angebliche Verletzung der Mitwirkungspflicht der Antragsteller (dieses Beschwerdevorbringen steht in offenkundigem Widerspruch zum nichtbekämpften und auch in der Beschwerde anerkannten Schuldspruch) von Bedeutung ist, ist demnach nicht wesentlich. Schon deshalb fehlt es an einer notwendigen Voraussetzung für den Schuldspruch ohne Strafe im Sinn des § 115 BDG 1979, weil ein Absehen von der Strafe ohne Verletzung dienstlicher Interessen nicht möglich ist. Zum anderen ist nach der Art des Vorwurfes davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer vorsätzlich gehandelt hat.
Die planmäßige Vorgangsweise des Beschwerdeführers, die sich auf eine nicht unerhebliche Anzahl von unerledigten Fällen bezog, offenbart eine Haltung, bei der es zur Sicherung des künftigen Wohlverhaltens und damit auch unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention notwendig erscheint, eine adäquate Disziplinarstrafe zu verhängen. Dabei ist es ohne Bedeutung, daß die vorgeworfene Tat an einem einzigen Tag und "in einem Zuge" gesetzt wurde.
Was den Vorwurf der mangelhaften Ermittlung der Arbeitsüberlastung als möglichen Milderungsgrund für die zur Last gelegte Tat betrifft, kommt dem schon deshalb keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil auch eine allenfalls gegebene Arbeitsüberlastung, die zu Aktenrückständen geführt hat, das Ausmaß der Schuld, das in der Vortäuschung einer sachgerechten Bearbeitung der aus welchem Grund auch immer unerledigt gebliebenen Akten liegt, nicht zu verringern vermag.
Die belangte Behörde hat ausreichend dargetan, worin sie die Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung erblickt, die maßgeblichen Erschwerungs- und Milderungsgründe dargelegt sowie auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers bei der Strafbemessung berücksichtigt.
Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht finden, daß die von der belangten Behörde im untersten Bereich der verhängten Disziplinarstrafe der Geldstrafe (Ausmaß: unbestritten zwei Drittel eines Monatsbezuges) in einem unangemessenen Verhältnis zur festgestellten Dienstpflichtverletzung stünde und sie hiedurch innerhalb des Rahmens, den das Gesetz ihr für die Strafzumessung einräumt, eine nicht im Sinne des Gesetzes liegende Ermessensübung vorgenommen hätte. Der angefochtene Bescheid entspricht auch - soweit dies die für die Strafbemessung erheblichen Umstände betrifft - den vom Gesetz gestellten Begründungsanforderungen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH ErmessensentscheidungenSpruch und BegründungBegründung von ErmessensentscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991090148.X00Im RIS seit
25.06.1992Zuletzt aktualisiert am
18.12.2014