TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/25 92/16/0018

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Veröffentlicht am 25.06.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/01 Jurisdiktionsnorm;
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

ABGB §7;
GGG 1984 §1 Abs1;
GGG 1984 §14;
GGG 1984 §18;
GGG 1984 §2 Z1 lita;
JN §54 Abs2;
JN §58 Abs1;
VwRallg;
ZPO §433;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde

1. der I T in B, 2. des R in W und 3. der U T in W, alle vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19. August 1991, Zl. Jv 2979-33a/91, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die drei Beschwerdeführer schlossen am 24. August 1990 beim Bezirksgericht H. einen prätorischen Räumungsvergleich nachstehenden Inhalts:

"1) Frau U T. verpflichtet sich, an die Eigentümer die im Hause W, EZ nnn und nnnn KG X, sowie in den Nebengebäuden gelegenen, in dem, dem Vergleich als integrierten Bestandteil angeschlossenen Plan blau umschriebene Räumlichkeiten samt Zubehör geräumt von ihren eigenen Fahrnissen bis spätestens 31.10.1990 zu übergeben, dies bei sonstiger Exekution. Weiters verzichtet Frau U T. ab dem 31.10.1990 auf jede Art der Gartenbenützung.

2) Über den von Frau I T. an Frau U T. für die Übersiedlungskosten und Beschaffung eines Ersatzobjektes zu leistenden Betrag wurde außergerichtlich zwischen den genannten Parteien eine gesonderte Vereinbarung getroffen. Für Herrn R. entsteht aus dieser Vereinbarung keine Zahlungsverpflichtung.

3) Für den Fall der nicht rechtzeitig geräumten Übergabe verpflichtet sich Frau U T. ein tägliches Pönale von S 5.000,-- an Frau I T. zu bezahlen, dies für jeden angefangenen Tag bei sonstiger Exekution.

4) Frau U T. verzichtet ausdrücklich auf jeden Räumungsaufschub aus welchen Gründen auch immer.

5) Damit sind sämtliche zwischen den Parteien bestehende Ansprüche, Forderungen und Verbindlichkeiten, welcher Art auch immer, verglichen und bereinigt."

Im daraufhin ergangenen Zahlungsauftrag wurde die Pauschalgebühr nach einem Streitwert von S 18,256.000,-- (Pönale von S 5.000,-- x 365 x 10 = 18,250.000,-- zuzüglich S 6.000,-- Räumungsbegehren) ermittelt.

In einem fristgerecht eingebrachten Berichtigungsantrag wurden Einwendungen gegen die Einbeziehung des Pönales in die Bemessungsgrundlage sowie gegen die Erlassung des Zahlungsauftrages auch gegenüber dem Zweitbeschwerdeführer erhoben.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dem Berichtigungsantrag keine Folge gegeben.

Die Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde von diesem Gerichtshof mit Beschluß vom 25. November 1991, B 1090/91-3, B 1091/91-3, abgelehnt. In der Begründung des Beschlusses wurde insbesondere auf den Umstand hingewiesen, daß es den Parteien des Räumungsvergleiches freistand, dessen Inhalt so zu gestalten, daß eine Gebührenpflicht nach den angewendeten Bestimmungen nicht entstehen konnte. Nach einem dementsprechenden Antrag wurde die Beschwerde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Jänner 1992, B 1090/91-5, B 1091/91-5, dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof werden in einer Beschwerdeergänzung inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 7 Abs. 1 Z. 1 zweiter Halbsatz GGG sind bei prätorischen Vergleichen (§ 433 ZPO) beide vertragschließenden Parteien ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen zahlungspflichtig. Unter dem Begriff "beide vertragschließenden Parteien" sind dabei beide Seiten des Vergleichs zu verstehen, unabhängig davon, wieviele Personen auf einer Seite der Parteien auftreten. Trifft die Verpflichtung zur Entrichtung desselben Gebührenbetrages zwei oder mehrere Personen, so sind sie nach Abs. 4 der Gesetzesstelle zur ungeteilten Hand zahlungspflichtig.

Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Nach Abs. 2 Z. 2 dieser Gesetzesstelle tritt nachfolgende Ausnahme ein: Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand eines Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.

Auf Grund des § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 Jurisdiktionsnorm.

Nach § 54 Abs. 1 JN ist für die Berechnung des - für die Zuständigkeit maßgebenden - Wertes des Streitgegenstandes der Zeitpunkt der Anbringung der Klage entscheidend. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle bleiben Zuwachs, Früchte, Zinsen, Schäden und Kosten, die als Nebenforderung geltend gemacht werden, bei der Wertberechnung unberücksichtigt.

Nach § 58 Abs. 1 JN ist als Wert des Rechtes auf den Bezug von Zinsen, Renten, Früchten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen bei immerwährender Dauer das Zwanzigfache, bei unbestimmter oder auf Lebenszeit beschränkter Dauer das Zehnfache, sofern es sich um Ansprüche auf Unterhalts- oder Versorgungsbeträge und auf Zahlung von Renten wegen Körperbeschädigung oder Tötung eines Menschen handelt, das Dreifache der Jahresleistung, bei bestimmter Dauer aber der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge, jedoch in keinem Fall mehr als das Zwanzigfache der Jahresleistung anzunehmen.

Die Gerichtsgebührenpflicht knüpft bewußt an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Oktober 1991, 90/16/0175, mit weiterem Hinweis).

Der Anspruch des Bundes auf die Gebühr wird hinsichtlich der Pauschalgebühren bei prätorischen Vergleichen (§ 433 ZPO) mit der Beurkundung durch den Richter begründet (vgl. § 2 Z. 1 lit. a GGG). Daraus folgt, daß sich die Wertermittlung im Sinne des § 14 GGG unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 18 GGG nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Beurkundung zu richten hat. Die Auffassung der Beschwerdeführer, es sei für die Bemessung der Gerichtsgebühren abzuwarten, ob und in welcher Höhe die vereinbarten Leistungen tatsächlich erbracht werden, findet im Gesetz keine Deckung. Der Umstand, daß im Verlassenschaftsverfahren (vgl. § 2 Z. 1 lit. g GGG) und in den in TP 12 lit. d angeführten außerstreitigen Verfahren (vgl. § 2 Z. 1 lit. i GGG) auf die Beendigung des Verfahrens abgestellt wurde, spricht nicht für den Standpunkt der Beschwerdeführer, sondern gegen diesen: Gerade weil nach den vorstehend angeführten Grundsätzen eine Analogie im Bereich des Gerichtsgebührenrechtes regelmäßig ausgeschlossen sein wird, kann entgegen der klaren und einer weiteren Auslegung nicht mehr zugänglichen Bestimmung der letzten Alternative des § 2 Z. 1 lit. a GGG der tatsächlichen Abwicklung und Erfüllung des Räumungsvergleiches keine Bedeutung zukommen. Insbesondere kommt es also auf die Frage, ob und in welcher Höhe ein Pönale tatsächlich bezahlt wurde oder bezahlt hätte werden müssen, rechtens nicht mehr an (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Mai 1987, 87/16/0020).

Im Hinblick auf die abschließenden Regelungen des Gerichtsgebührengesetzes ist auch entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer eine "analoge Anwendung" des § 15 Abs. 3 Bewertungsgesetz 1955 - dessen Anwendungsbereich Gerichtsgebühren nicht umfaßt (vgl. § 1 BewG 1955) - auf die in Rede stehenden Pauschalgebühren ausgeschlossen.

Die in diesem Zusammenhang stehenden Ausführungen der Beschwerdeführer darüber, daß bedingte Vergleiche eine Gebührenpflicht nicht auszulösen vermögen, gehen schon deswegen ins Leere, weil der beschwerdegegenständliche Vergleich unbedingt abgeschlossen worden ist. Außerdem übersehen die Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen, daß den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren nach § 1 Abs. 1 GGG die Inanspruchnahme der Tätigkeit der Gerichte und der Justizverwaltungsbehörden, nicht aber etwa Rechtsgeschäfte unterliegen (vgl. sinngemäß das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1962, 1281/61).

Daraus, daß in der oben zitierten Gesetzesstelle des § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG auf eine "Leistung" als Gegenstand des Vergleiches abgestellt wird, kann entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer auch nicht entnommen werden, daß Voraussetzung der Zahlungspflicht das tatsächliche Erbringen der (vereinbarten) Leistung ist.

Auch die Meinung der Beschwerdeführer, die streitgegenständliche Konventionalstrafe wäre als vereinbarte Leistung in eine Schadenersatzleistung als Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs. 2 JN einerseits und in wiederkehrende Leistungen nach § 58 Abs. 1 JN aufzuteilen gewesen, entspricht nicht dem Gesetz. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellen finanzielle Entschädigungen der hier vereinbarten Art nämlich keine Nebenforderungen nach § 54 Abs. 2 JN dar (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1983, 81/15/0092, und vom 7. Mai 1987, 87/16/0020). Im übrigen widerspricht das Beschwerdevorbringen, mit der Bestimmung des Punktes 3 des Vergleiches sei eine Konventionalstrafe zur Befestigung der "sonstigen Verbindlichkeiten" vereinbart worden, dem eindeutigen Wortlaut des Vergleiches, nach dem die Pönaleverpflichtung an den "Fall der nicht rechtzeitig geräumten Übergabe" geknüpft ist.

Bei dieser Sach- und Rechtslage geht auch die Verfahrensrüge, wonach die belangte Behörde es unterlassen habe zu klären, ob die Absicht der Parteien dahingegangen sei, eine Nebenforderung nach § 54 Abs. 2 JN oder eine wiederkehrende Leistung nach § 58 JN zu begründen, ins Leere.

Soweit schließlich die Zahlungspflicht des Zweitbeschwerdeführers bestritten wird, ist davon auszugehen, daß dem Streitfall ein in einem einheitlichen Protokoll abgefaßter Räumungsvergleich zugrunde liegt, der ausdrücklich zwischen der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer als Hälfteeigentümer der gegenständlichen Liegenschaft einerseits und der Drittbeschwerdeführerin andererseits abgeschlossen worden ist. Im Hinblick darauf, daß den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren, wie ausgeführt, die Inanspruchnahme der Tätigkeit der Gerichte und Justizverwaltungsbehörden, nicht aber etwa Rechtsgeschäfte

unterliegen, ist damit nur e i n Vergleich gegeben, an dessen

Abschluß sämtliche Beschwerdeführer beteiligt waren (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1962, 1281/61). Daraus folgt, daß - neben den beiden anderen Beschwerdeführern - auch der Zweitbeschwerdeführer als am Abschluß des Vergleiches beteiligte Partei der Zahlungspflicht unterliegt. Bei dieser Rechtslage kommt dem Umstand, daß die Drittbeschwerdeführerin die Pönaleverpflichtung nur der Erstbeschwerdeführerin gegenüber, nicht aber gegenüber dem Zweitbeschwerdeführer eingegangen ist, keine Bedeutung zu.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992160018.X00

Im RIS seit

24.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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