TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/25 91/09/0109

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Veröffentlicht am 25.06.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
BDG 1979 §102 Abs2;
BDG 1979 §105 Z1;
BDG 1979 §118 Abs1 Z4;
BDG 1979 §118 Abs1;
BDG 1979 §123 Abs1;
BDG 1979 §123;
BDG 1979 §133;
BDG 1979 §20;
BDG 1979 §63;
BDG 1979 §91;
VwGG §24 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten vom 16. Mai 1991, Zl. 2/1-DK/91, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach § 123 Abs. 1 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht seit seiner mit 1. April 1991 erfolgten Versetzung in den Ruhestand in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Bund. Er war zuletzt von 1986 bis 31. Jänner 1991 Botschafter in X.

Mit Disziplinaranzeige vom 7. März 1991 legte das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten (Dienstbehörde) dem Beschwerdeführer (mit näherer Umschreibung) die gröbliche Vernachlässigung der Pflege der ihm als Dienstwohnung zur Verfügung gestellten Residenz und deren Einrichtung (Unterlassung der Instandhaltung bzw. der pfleglichen Behandlung; Unterlassung der Informierung der Zentrale über den tatsächlichen Zustand dieser Residenz bzw. der Bekanntgabe der aufgetretenen Schäden sowie deren Behebung; Nichtanhaltung der Mitarbeiter einschließlich der nicht österreichischen sur place-Kräfte und des Hauspersonales, mit der Residenz, deren Garten und deren Inventar wirtschaftlich, sparsam und zweckmäßig umzugehen) zur Last. Diese Disziplinaranzeige beruhte im wesentlichen auf dem administrativen Abschlußbericht des Beschwerdeführers als scheidenden Botschafter vom 31. Jänner 1991, einer Funkdepesche des neuen Botschafters Dr. W. vom 4. Februar 1991 (im wesentlichen Bekanntgabe der Unbenützbarkeit des Wohnbereiches der Residenz und Ersuchen um Hotelkostenerstattung), einer Stellungnahme des Beschwerdeführers hiezu vom 7. Februar 1991, eines als Beweisaufnahme bezeichneten Schreibens des neuen Botschafters vom 12. Februar 1991 (mit genauer Beschreibung der Verschmutzungen und Beschädigungen) sowie der Funkdepesche des nach X entsandten Generalinspektors vom 25. Februar 1991, in der im wesentlichen die Berichterstattung von W. bestätigt wurde. In der Disziplinaranzeige wird auch darauf hingewiesen, daß sich die Originalakten bei der Dienstbehörde befänden, wo sie für die Abwicklung des Schadensfalles (Geltendmachung des Ersatzanspruches gegenüber dem Beschwerdeführer) laufend benötigt würden.

Mit seinem an die belangte Behörde gerichteten Schreiben vom 17. Mai 1991 - bei dieser laut Eingangsstempel am 10. Juni 1991 eingelangt - nahm der Beschwerdeführer ausführlich zu den Anschuldigungen in der Disziplinaranzeige Stellung. Zusammengefaßt auf das Wesentliche brachte der Beschwerdeführer vor, die Dienstbehörde ergehe sich in allgemeinen Behauptungen wie einer "eingetretenen Verwahrlosung", einer Unterlassung einer "zweckmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Geschäftsgebarung" oder einer "pfleglichen" Behandlung der Residenz. Dabei handle es sich in Wahrheit um Beurteilungen und Schlußfolgerungen konkreter Tatsachenangaben; eben diese fehlten aber in der Disziplinaranzeige. Die behaupteten Schäden seien zwar ansatzweise konkretisiert, nichts zeige jedoch ein Verschulden des Beschwerdeführers an. Er beantrage daher, die belangte Behörde möge beschließen, daß ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet werde.

Bereits zuvor hatte die belangte Behörde mit dem nunmehr bekämpften Beschluß vom 16. Mai 1991 - dem Beschwerdeführer zugestellt am 23. Mai - beschlossen, gegen den Beschwerdeführer "gemäß § 123 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG) ein Disziplinarverfahren einzuleiten". Dieser Einleitungsbeschluß weist folgenden (weiteren Wortlaut) auf:

"Nach der Darstellung des Dienstgebers hat Botschafter i.R. Dr. S bei seinem Abgang aus X die von der Republik Österreich gemietete Residenz, die er während der gesamten Dauer seiner Verwendung in X bewohnt hatte, in einem unbenützbaren Zustand zurückgelassen, der u.a. auf den jahrelangen Mangel an ausreichender Obsorge zurückzuführen war. Botschafter i.R. Dr. S hat hierzu nach der Darstellung des Dienstgebers erklärt, daß er den schlechten Zustand der Residenz auf deren langjährige Anmietung (bzw. Benützung) seit 1972 zurückführe, daß er die laufende Instandhaltung ordnungsgemäß vorgenommen und von größeren Investitionen bewußt im Sinne des Gebotes der Sparsamkeit abgesehen habe, weil der Mietvertrag für diese Residenz per 31.12.1991 ablaufe, und daß ohnehin der Ankauf eines anderen Gebäudes vorgesehen sei.

Botschafter i.R. Dr. S wird nunmehr beschuldigt, durch die Unterlassung der Obsorge für die Mietsresidenz der Österreichischen Botschaft X und deren Einrichtung sowie durch die Unterlassung der Informierung der Zentrale über den tatsächlichen Zustand dieser Residenz erstens seine Dienstpflicht als Beamter nach § 43 Absatz 1 Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 zur Beachtung der gesamten Rechtsordnung, zweitens seine Dienstpflicht als Untergebener des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten nach § 44 Absatz 1 leg. cit. zur Befolgung der Weisungen seiner Vorgesetzten und drittens seine Dienstpflicht als Dienststellenleiter nach § 45 Absatz 1 und 2 leg. cit. für eine zweckmäßige, wirtschaftliche und sparsame Geschäftsgebarung seiner Mitarbeiter zu sorgen, verletzt zu haben, weil er

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weder den § 972 (in der Verbindung mit § 979) ABGB noch den Mietvertrag für die Residenz der Österreichischen Botschaft

X noch die 'Vorschrift über die Inventar- und Materialverwaltung des Bundes (RIM)' und die hiezu ergangenen Runderlässe des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten beachtet habe, also die Residenz sowie deren Einrichtung nicht pfleglich behandelt bzw. laufend instandgehalten habe,

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den Weisungen der ihm vorgesetzten Zentrale des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, insbesondere den §§ 26, 27 und 155 Handbuch für den Auswärtigen Dienst sowie dem Runderlaß GZ 595.604/4-VI.3b/87 vom 15. April 1987 betreffend 'Richtlinien für die Behandlung von Schadensfällen im Bereich der Bundesverwaltung' nicht entsprochen habe, indem er die Zentrale über die in der von ihm benützten Residenz aufgetretenen Schäden nicht ordnungsgemäß unterrichtet und auch selbst keine ausreichende Veranlassung zu deren Behebung getroffen habe, und

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weder selbst im Zusammenhang mit der Benützung und Verwaltung der Residenz samt Inventar die Gebote der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit beachtet noch seine Mitarbeiter, zu denen der Dienstgeber auch die nicht-österreichischen sur place-Kräfte sowie jene Hauspersonalkräfte zählt, für die 60 % der Brutto-Lohnkosten getragen werden, zu einem wirtschaftlichen, sparsamen und zweckmäßigen Umgang mit der Residenz, deren Garten und deren Inventar verhalten habe.

Nach der Auffassung des Dienstgebers liegt im vorliegenden Fall eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung im Sinne von § 91 BDG durch Botschafter i.R. Dr. S vor. Hierüber wird in einem Disziplinarverfahren zu entscheiden sein.

Gegen diesen Beschluß ist gemäß § 123 Abs. 2 BDG kein Rechtsmittel zulässig."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (d.h. dem 9. Abschnitt dieses Gesetzes) zur Verantwortung zu ziehen.

§ 118 Abs. 1 BDG 1979 sieht vor, daß das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen ist, wenn

1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,

2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,

3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder

4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folge nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.

Nach § 123 Abs. 1 BDG 1979 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.

Gemäß § 133 sind Beamte des Ruhestandes nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes wegen einer im Dienststand begangenen Dienstpflichtverletzung oder wegen gröblicher Verletzung der ihnen im Ruhestand obliegenden Verpflichtungen zur Verantwortung zu ziehen.

Nach § 105 Z. 1 BDG 1979 ist auf das Disziplinarverfahren das AVG (mit im Beschwerdefall nicht bedeutsamen Ausnahmen) anzuwenden, soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf, daß nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen nach den §§ 91 und 123 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet werde, durch unrichtige Anwendung dieser Bestimmungen in Verbindung mit § 118 leg. cit. sowie der Vorschriften über die Bescheidbegründung (§ 105 BDG 1979 in Verbindung mit § 60 AVG) verletzt.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt der Beschwerdeführer vor, in seinem Fall wäre - selbst wenn entgegen seiner Auffassung die Annahme einer Dienstpflichtverletzung gerechtfertigt sei - § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 anzuwenden gewesen. Er befinde sich im Ruhestand; durch die ihm zur Last gelegten Unterlassungen sei niemandem (außer allenfalls dem Beschwerdeführer selbst) ein Schaden entstanden, der Spezialprävention komme im Hinblick auf seine Pensionierung keine Bedeutung mehr zu und auch der generalpräventive Aspekt sei bedeutungslos, weil es lediglich klarer Weisungen über den beim Auszug einer Residenz zu hinterlassenden Zustand bedürfte, um alle Botschafter zur entsprechenden Veranlassungen anzuhalten.

Dem ist entgegenzuhalten, daß es sich bei § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 um einen Einstellungsfall besonderer Art handelt, der die Einstellung des Disziplinarverfahrens TROTZ Vorliegens einer Verletzung von Dienstpflichten ermöglicht. Die als "gering" anzunehmende Schuld sowie die nur "unbedeutenden Folgen der Tat" und die anzustellenden spezial- und generalpräventiven Überlegungen bedeuten, daß in Ansehung einer

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etwa auf Grund eines Geständnisses - als ERWIESEN

angenommenen Dienstpflichtverletzung das Maß der disziplinären Schuld gering einzuschätzen ist und auch die Disziplinierung zur Wahrung des dienstlichen, durch das Disziplinarrecht geschützten Interesses nicht notwendig erscheint. Die Handhabung des § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 setzt daher in der Regel voraus, daß der vorgeworfene Sachverhalt auf seine Richtigkeit sowie auf seine disziplinäre Stichhaltigkeit und Vollständigkeit geprüft wird (vgl. dazu grundlegend das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1990, Zl. 90/09/0098). Damit scheidet aber eine auf § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 gestützte Einstellung (jedenfalls im Regelfall) als Alternative zu dem im VERDACHTSBEREICH ergehenden Einleitungsbeschluß nach § 123 Abs. 1 BDG 1979 von vornherein aus: Der Einleitungsbeschluß enthält nämlich keine abschließende bindende Feststellung, sondern lediglich eine vorläufige Meinungsäußerung, deren Zutreffen erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahrens zu klären ist (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. z.B. aus jüngster Zeit das Erkenntnis vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0093 sowie das Erkenntnis vom 16. Jänner 1992, Zl. 91/09/0182 u.v.a.).

Darüberhinaus schließt die Versetzung in den Ruhestand

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entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht von

vornherein und in jedem Fall die spezialpräventive Bedeutung einer über einen Beamten des Ruhestandes wegen einer im Dienststand begangen Dienstpflichtverletzung (vgl. § 133 BDG 1979) verhängten Disziplinarstrafe aus: Zum einen stellt nämlich § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG auf die Abhaltung des Beamten von der Verletzung DER Dienstpflichten schlechthin ab, schränkt also nicht auf die Wiederholungsgefahr oder die Möglichkeit der Begehung zumindest gleichartiger Dienstpflichtverletzungen ein, zum anderen treffen auch den Beamten des Ruhestandes (der Ruhestand beendet - wie sich aus § 20 BDG 1979 schlüssig ableiten läßt - nicht das Dienstverhältnis) Pflichten, deren (gröbliche) Verletzung disziplinär zu ahnden ist (siehe §§ 63 in Verbindung mit 133 BDG 1979) (in diesem Sinne bereits zu einer vergleichbaren Problematik nach § 73 Abs. 3 und § 103 LDG 1984 das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1992, Zl. 92/09/0014). Diesem Vorbringen kommt daher keine Berechtigung zu.

Der Beschwerdeführer bringt ferner unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, es sei ihm völlig unklar, welche konkreten Dienstpflichtverletzungen Gegenstand dieses Disziplinarverfahrens sein sollten. Die fehlenden Angaben darüber, worin ein Tatverdacht gelegen sei, fielen mit der mangelnden Bestimmtheit der verdachtsumschreibenden Angaben zusammen. Der Bescheid sei nicht in Spruch und Begründung gegliedert, Rechtliches und Tatsächliches seien vermengt und es müsse erst durch Auslegung herausgefunden werden, was dem Beschwerdeführer vorgeworfen werde. Soweit es ihm erkennbar sei, würden ihm sechs Vorwürfe gemacht. Kein Vorwurf sei ausreichend konkretisiert und durch ausreichende Verdachtsgründe gedeckt. Die Residenz enthalte neben den Wohnräumlichkeiten (Botschafterwohnung) auch Repräsentations- und Gästeräumlichkeiten (etwa 2/3 der Gesamtnutzfläche); letztere seien im Sommer 1990 umfassend renoviert worden. Der angefochtene Bescheid lasse völlig offen, ob die erhobenen Vorwürfe auch diesen (nutzflächenmäßig deutlich überwiegenden) Bereich beträfen. Treffe dies zu, sei der Vorwurf völlig unbegründet. In der Folge führt der Beschwerdeführer zu den von ihm aus dem angefochtenen Bescheid herausgelesenen sechs Anschuldigungspunkten konkret aus, worin er jeweils die Unbestimmtheit des Vorwurfes erblickt.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Ermittlungen der Disziplinarbehörde vor der Einleitung eines Disziplinarverfahren das Ziel, zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind, oder ob allenfalls offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1979, Slg. 8686, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113). Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen gegeben erscheinen lassen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung, er setzt die Kenntnis von Tatsachen voraus, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Vergehen geschlossen werden kann (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113, vom 23. November 1989, Zl. 89/09/0112 sowie vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0061 und Zl. 90/09/0044). Die Disziplinarkommission muß bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob ein bestimmter Beamter eine Dienstpflichtverletzung begangen hätte; dies ist in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebensowenig muß im Einleitungsbeschluß das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1985, Zl. 84/09/0143). Die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zukommende rechtliche Bedeutung ist in erster Linie darin gelegen, dem beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, was insbesondere für die Frage einer allfälligen Verjährung von ausschlaggebender Bedeutung ist (vgl. auch dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0061 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Für den Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 kommen die Bestimmungen des § 58 Abs. 1 und 2 AVG insofern zur Anwendung, als er - neben der Rechtsmittelbelehrung - einen Spruch und eine Begründung zu enthalten hat. Im Spruch des Einleitungsbeschlusses ist das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen zu beschreiben. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Einleitungsbeschlusses ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung ergibt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113 sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1991, Zl. 90/09/0192).

Der Vorwurf des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid entspreche in seinem Aufbau nicht den Bestimmungen des AVG (Gliederung in Spruch und Begründung) trifft zu; dies allein würde allerdings noch nicht zur Aufhebung führen, ließe der angefochtene Bescheid (unter Berücksichtigung der oben dargestellten Funktion des Einleitungsbeschlusses im gestuften Disziplinarverfahren) nur insgesamt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, in welchen konkret umschriebenen und schuldhaft begangenen Verhaltensweisen des Beschwerdeführers die belangte Behörde die Begehung einer bestimmten Dienstpflichtverletzung erblickt, worauf sie diese Sachverhaltsannahme (im Verdachtsbereich) stützt und wie sie den solcherart angenommenen Sachverhalt (vorläufig) rechtlich beurteilt.

Dies ist jedoch im Beschwerdefall nicht gegeben.

Obwohl dies nicht ausdrücklich im angefochtenen Bescheid angeführt wird, geht der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die mehrfache Berufung der belangten Behörde auf die Darstellung bzw. Auffassung des Dienstgebers davon aus, daß sich die belangte Behörde auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 7. März 1991 stützt. Von der allerdings wesentlich umfangreicheren und konkrete Darstellung enthaltenden Disziplinaranzeige, die sich auch auf mehrere Unterlagen gründet, hat die belangte Behörde (fast wörtlich) ausschließlich die abschließende rechtliche Würdigung des abstrakt umschriebenen Verhaltens des Beschwerdeführers durch die Dienstbehörde übernommen, ohne auch nur ansatzweise darzulegen, durch welches konkrete Verhalten die jeweils vorgeworfene Dienstpflichtverletzung begangen worden sein soll.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, daß bei der Art der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung unter Berücksichtung der Funktion des Einleitungsbeschlusses nicht eine abschließende Aufzählung von konkreten Verhaltensweisen (Unterlassungen) im Spruch gefordert werden kann; doch ist zumindestens neben der Angabe des Tatzeitraumes (dies ist im Beschwerdefall ausreichend durch den Hinweis auf die gesamte Dauer der Dienstverwendung des Beschwerdeführers in X gegeben, was auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird) eine beispielhafte Aufzählung der vorgeworfenen Handlungen (Unterlassungen) erforderlich, um nachvollziehen zu können, ob die belangte Behörde die ihr aus der Systematik des Gesetzes ableitbare und in dieser Situation bestehende Entscheidungsalternative (Einstellung des Disziplinarverfahrens bei offenkundigem Vorliegen eines Einstellungsgrundes nach § 118 Abs. 1 Z. 1 bis 3 BDG oder Fassung eines Einleitungsbeschlusses) zutreffend gelöst hat. Auf die dem Gesetz entsprechende Lösung hat der Beamte (wegen der mit einem Einleitungsbeschluß verbundenen rechtlichen Auswirkungen vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1989, Zl. 89/09/0014) einen Rechtsanspruch.

Diesen rechtlichen Anforderungen an die bestimmte Umschreibung der zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen genügt der angefochtene Bescheid aber bei keinem der aus seinem gesamten Inhalt ableitbaren Anschuldigungspunkte, begnügt er sich doch völlig mit einer abstrakten Umschreibung des Verhaltens des Beschwerdeführers, ohne auch nur ansatzweise einen konkreten Tatvorwurf erkennen zu lassen. So läßt sich z. B. dem Vorwurf der Verletzung einer durch (generelle) Weisung festgelegten Meldepflicht in Schadensfällen nicht entnehmen, welche konkreten Zustände im "Residenz"bereich die belangte Behörde als Schadensfall ansieht und ob dieser denkmöglich unter den Schadensbegriff der zitierten Richtlinie der Dienstbehörde fällt. Dazu kommt noch, daß der angefochtene Bescheid auch völlig offen läßt, ob die sich auf die Residenz beziehenden Vorwürfe ausschließlich die Botschafterwohnung oder auch die übrigen Räumlichkeiten betreffen, worauf der Beschwerdeführer zutreffend in seiner Beschwerde hingewiesen hat.

Aus den angeführten Gründen war daher der Einleitungsbeschluß der belangten Behörde zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Ausspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Vorlage der Beschwerde in zweifacher Ausfertigung ausreicht.

Bemerkt wird, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenen Wirkung beantragt wurde, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht.

Schlagworte

Einhaltung der FormvorschriftenSpruch und BegründungInhalt des Spruches Allgemein Angewendete GesetzesbestimmungStempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Nicht erforderliche NICHTERFORDERLICHE Schriftsatzausfertigungen und Beilagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991090109.X00

Im RIS seit

04.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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