TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/26 90/17/0392

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Veröffentlicht am 26.06.1992
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Index

L10016 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Steiermark;
L37136 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe Sondermüllabgabe
Müllabfuhrabgabe Steiermark;
L82406 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Stmk 1967 §94 Abs5;
MüllabfuhrO Vordernberg §14 Abs2;
MüllwirtschaftsG Stmk 1988 §16 Abs2;
MüllwirtschaftsG Stmk 1988 §16;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/17/0393

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Wochner, über die Beschwerden des A in V, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung vom 30. Juli 1990, Zlen. 7-48 Ke 15/16-1990 und 7-48 Ke 15/17-1990, betreffend Müllabfuhrgebühren für das zweite und vierte Quartal 1988 (mP: Marktgemeinde Vordernberg), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Bundesland Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 23.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf den hg. Beschluß vom 9. Februar 1990, Zlen. 90/17/0035, 0037, verwiesen. Mit diesem Beschluß wurden die Beschwerden des damaligen und nunmehrigen Beschwerdeführers gegen zwei kassatorische Vorstellungsentscheidungen der damals und nunmehr belangten Behörde betreffend die im Spruch angeführten Müllabfuhrgebühren zurückgewiesen, weil der Beschwerdeführer weder durch den Spruch der angefochten gewesenen Bescheide, mit denen im Instanzenzug ergangene gemeindebehördliche Abgabenfestsetzungen aufgehoben worden waren, noch auch durch den jeweils als tragend erkannten Aufhebungsgrund (Beurteilung der Abgabenfestsetzungen als rechtswidrig, weil mangels eines entsprechenden Beschlusses des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde zur Erhebung der Umsatzsteuer als Teil der Müllabfuhrgebühren insoweit für die Abgabenfestsetzungen keine Rechtsgrundlage bestanden habe) in seinen Rechten nicht verletzt sein konnte.

Mit (Ersatz-)Bescheiden des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 20. März 1990 wurden die Berufungen des Beschwerdeführers gegen die erstinstanzlichen Abgabenbescheide abermals als unbegründet abgewiesen.

Auf Grund der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellungen hob die belangte Behörde mit den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden jeweils den mit Vorstellung bekämpften Bescheid, "soweit er die Vorschreibung der gesetzlichen Mehrwertsteuer betrifft," auf; dies im wesentlichen mit der Begründung, daß der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde zwar mit Beschluß vom 20. Dezember 1989 die Müllabfuhrordnung dieser Gemeinde in § 14 Abs. 2 so geändert habe, daß die Müllabfuhr- und Müllbeseitigungsgebühren nunmehr auch die gesetzliche Mehrwertsteuer erfaßten, daß aber diese Verordnung erst mit 5. Jänner 1990 in Kraft getreten sei und damit keine Rechtsgrundlage für die im Beschwerdefall strittigen Müllabfuhrgebührenfestsetzungen bilden könne.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobenen Beschwerden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres engen persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden; er hat über die Beschwerden erwogen:

Zunächst ist zu erörtern, in welchem Umfang die bekämpften Bescheide angefochten sind, und was jeweils den Beschwerdepunkt bildet:

In beiden Beschwerden heißt es gleichlautend, daß der bekämpfte Bescheid insoweit angefochten wird, "als der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Vordernberg vom 2.3.1990, Zahl...... betreffend die Vorschreibung von Müllgebühren nur insoweit stattgegeben wurde, als dieser Bescheid lediglich wegen der Vorschreibung einer Mehrwertsteuer aufgehoben wurde und nicht auch aus dem hauptsächlichen Beschwerdegrund, daß die Gemeinde Vordernberg eine Müllabfuhrgebühr verrechnet, obgleich sie seit geraumer Zeit die Liegenschaft des Beschwerdeführers vom Müll nicht entsorgt und keinerlei Tätigkeit entfaltet, die eine Müllabfuhrgebühr rechtfertigen würde." Andererseits beantragt der Beschwerdeführer jeweils, DEN angefochtenen Bescheid als rechtswidrig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof deutet dieses Vorbringen, daß damit die bekämpften Vorstellungsentscheidungen ZUR GÄNZE angefochten werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht verletzt, daß die Bescheide des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde je vom 20. März 1990 jeweils von der Vorstellungsbehörde ZUR GÄNZE aufgehoben werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Vorstellungswerber durch die einem kassatorischen aufsichtsbehördlichen Vorstellungsbescheid beigegebene Begründung nur insoweit in seinen Rechten verletzt sein, als die Begründung für die Aufhebung des mit Vorstellung bekämpften gemeindebehördlichen Bescheides TRAGEND ist (vgl. hiezu beispielsweise den eingangs zitierten Beschluß vom 9. Februar 1990, Zlen. 90/17/0035, 0037). Tragender Aufhebungsgrund war in den vorliegenden Beschwerdefällen, daß die Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Dezember 1989, mit der überhaupt erst eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen wurde, die Umsatzsteuer als Teil der Müllabfuhrgebühren zu erheben, wegen des Inkrafttretens am 5. Jänner 1990 nicht auf die in den Beschwerdefällen strittigen Zeiträume anzuwenden war. Dem widerspricht auch der Beschwerdeführer in seinen Beschwerden zu Recht nicht. Somit erweisen sich die angefochtenen Bescheide jeweils nicht schon wegen des Fehlens eines Aufhebungsgrundes als inhaltlich rechtswidrig. Eine solche Rechtswidrigkeit ergibt sich indes aus folgendem:

Gemäß § 94 Abs. 5 Stmk. Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115, idgF hat die (mit Vorstellung angerufene) Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, AUFZUHEBEN und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

Dies entspricht der verfassungsgesetzlichen Grundlage des Art. 119a Abs. 5 zweiter Satz B-VG, wonach die (mit Vorstellung angerufene) Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, AUFZUHEBEN und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen hat.

Insbesondere auf dem Boden dieser Verfassungsbestimmung wird in der Lehre vom "Grundsatz der bloß kassatorischen Wirkung einer der Vorstellung stattgebenden Entscheidung der Aufsichtsbehörde" gesprochen. Diese Regelung, so meint Berchtold in "Gemeindeaufsicht", S 58 und 79, entspreche dem Grundgedanken der Gemeindeselbstverwaltung, wie er im Art. 118 Abs. 4 B-VG niedergelegt wurde: Im eigenen Wirkungsbereich habe in der Sache nur die Gemeindebehörde zu entscheiden. Dieser fundamentale Grundsatz der Gemeindeselbstverwaltung werde auch durch die Vorstellung als Durchbrechung des Grundsatzes des Ausschlusses eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde insofern nicht durchbrochen, als die meritorische (Sach-)Entscheidung auch in diesem Falle den Gemeindebehörden vorbehalten bleibe. Dem Umstand, daß die Aufsichtsbehörde den gemeindebehördlichen Bescheid nur aufheben könne, entspreche ihre Verpflichtung, die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

In den vorliegenden Fällen hat die belangte Behörde die im Instanzenzug erlassenen, je für sich eine untrennbare Einheit bildenden gemeindebehördlichen Abgabenbescheide nur hinsichtlich einer unselbständigen Bescheidkomponente, also bloß TEILWEISE - nämlich hinsichtlich der einen untrennbaren Teil der Müllabfuhrgebühren bildenden Umsatzsteuer - aufgehoben, somit im Ergebnis ABGEÄNDERT. Diese Vorgangsweise war aber nach den oben zitierten Gesetzesstellen inhaltlich rechtswidrig, weil die mit Vorstellung bekämpften Bescheide mit der von der belangten Behörde gegebenen Begründung jeweils ZUR GÄNZE hätten aufgehoben werden müssen.

Da dies nicht geschehen ist, mußten die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihrees Inhaltes aufgehoben werden.

Für die fortzusetzenden Verwaltungsverfahren sei noch folgendes bemerkt: Die Erhebung von Gebühren für die Benützung von Einrichtungen und Anlagen der öffentlichen Müllabfuhr im Sinne des § 16 des Stmk. Müllwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 7/1988, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 68/1990 hat wohl eine Benützung der genannten Einrichtungen und Anlagen durch den jeweiligen Interessenten zur Voraussetzung, eine solche Benützung ist aber gemäß Abs. 2 der in Rede stehenden Gesetzesstelle unwiderleglich schon mit der AUFSTELLUNG DER MÜLLBEHÄLTER (an der dafür vorgesehenen Stelle) verbunden, weil es in dieser Bestimmung heißt, daß die Verpflichtung zur Entrichtung der Benützungsgebühren mit Beginn des Monats entsteht, in dem die Müllbehälter AUFGESTELLT werden. Darauf, ob bzw. inwieweit ein Grundeigentümer dann TATSÄCHLICH den auf seinem Grundstück anfallenden Müll über die aufgestellten Müllbehälter entsorgt, kommt es nach dem Gesetz dagegen NICHT an.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebührenersatz war nur hinsichtlich der zur Beschwerdeführung notwendigen Urkunden zuzuerkennen.

Schlagworte

Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990170392.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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