Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
Äußere Rechtsverhältnisse griechisch-orientalische Kirche 1967 §12 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der serbischen griechisch-orientalischen Kirchengemeinde zum hl. Sava in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom 10. November 1989, Zl. 10.555/9-9c/89, betreffend Aufhebung des Bescheides der genannten Behörde vom 21. Dezember 1984, Zl. 10.555/4-9c/84, und Abberufung eines Kurators, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Unterricht und Kunst) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalles auf die Entscheidungsgründe der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1986, Zl. 85/10/0030, und vom 26. September 1988, Zl. 87/10/0192, verwiesen.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies der Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport (nunmehr: Bundesminister für Unterricht und Kunst) den Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 10. Jänner 1989, ehestens den Bescheid vom 21. Dezember 1984, Zl. 10.555/4-9c/84, aufzuheben und beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Antrag auf Abberufung des gemäß § 12 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1967 über äußere Rechtsverhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich, BGBl. Nr. 229/1967 (in der Folge: OrthG) bestellten Kurators zu stellen, ab. Die Begründung dieses Bescheides lautet im wesentlichen wie folgt:
"I. SACHVERHALT:
1. Mit Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 21.12.1984 wurde die Handlungsfähigkeit der serbischen griechisch-orientalischen Kirchengemeinde zum hl. Sava in Wien (in der Folge: Kirchengemeinde) in äußeren Angelegenheiten gemäß § 12 Abs. 2 OrthG für den staatlichen Bereich für zeitweilig gehemmt erklärt und die Bestellung eines Kurators beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien beantragt. Mit Beschluß dieses Gerichtes vom 30.10.1985 wurde Rechtsanwalt Dr. E zum Kurator für die Kirchengemeinde bestellt. Grund für diesen Hemmungsbescheid war einerseits der Umstand, daß sich in der Statutenfrage eine unüberbrückbare Diskrepanz für den staatlichen und den kirchlichen Bereich ergab; andererseits war zwischen den verschiedenen Gruppierungen in der Kirchengemeinde keine Übereinstimmung zur Durchführung von Neuwahlen zu erreichen. Der Bescheid vom 21.12.1984 ist "nach Anfechtung beim Verwaltungsgerichtshof rechtskräftig" (vgl. das Erkenntnis vom 26. September 1988, Zl.87/10/0192). Die Bestellung des Kurators Dr. E ist nach vielen Anfechtungen im Verfahren des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien und nach mehrmaliger Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtskräftig. Rechtsanwalt Dr. R brachte mit Schriftsatz vom 10.1.1989 den Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 21.12.1984 und "auf Beantragung der Abberufung" des gemäß § 12 Abs. 2 OrthG bestellten Kurators ein. ...
2. Für die Erlassung des Hemmungsbescheides vom 21.12.1984 waren u.a. die ständigen und nachhaltigen Streitigkeiten innerhalb der Kirchengemeinde zum hl. Sava maßgeblich, die dazu führten, daß zumindest drei Gruppen verschiedene Organe wählten und bestellten, die den alleinigen Vertretungsanspruch für die Kirchengemeinde für sich beanspruchten. Diese Haltung der verschiedenen Mitglieder und Gruppen hält auch seit der Erlassung des Hemmungsbescheides an:
a)
Die von Herrn Rechtsanwalt Dr. R vertretene Gruppe um Herrn V beruft sich auf Wahlen vom 7.2.1982, welche vom Bundesministerium bescheidmäßig nicht zur Kenntnis genommen worden sind. Diese Gruppe beruft sich im wesentlichen auf die Geltung der Statuten aus der Zeit der Monarchie mit Abänderungen aus den Fünfziger-Jahren.
b)
Die Gruppe um Herrn M beruft sich neuerdings ausdrücklich auf dieselben Statuten und auf Wahlen vom 6.4.1986. Da in diesem Zeitpunkt die Kuratorbestellung bereits erfolgt war, ist über diese Wahl bisher vom Bundesminister nicht abgesprochen worden, da die Gründe für die Aufhebung dieser Kuratel nach wie vor "(gemeint wohl: nicht)" vorliegen.
c)
Schließlich besteht eine Gruppe um Herrn S im Zusammenwirken mit den bestellten Pfarrern und der kirchlichen Oberleitung. Herr S ist der zuletzt gewählte und zur Kenntnis genommene Vizepräsident der Kirchengemeinde zum hl. Sava.
Während die beiden zuerst genannten Gruppen um Herrn V und Herrn M immer wiederum in deutlicher Opposition zu den kirchlichen Organträgern stehen, arbeitet die letzte Gruppe mit diesen kirchlichen Organen zusammen.
Trotz andauernder und wiederholter Versuche, die betreffenden Gruppen zu einer konstruktiven, kirchlichen Zusammenarbeit zu veranlassen, wurde diese letztlich und erfolgreich abgelehnt. An der Rechtslage hat sich daher seit Erlassung des Hemmungsbescheides nichts geändert.
II. RECHTLICHE BEURTEILUNG:
Die in Punkt I dargelegte und allen Parteien bekannte Sachlage wird durch die Statutendiskrepanz noch vermehrt.
1. Das Statut der serbischen griechisch-orientalischen Kirchengemeinde zum hl. Sava stammt vom 21.8. und 3.9.1906 und wurde von der staatlichen Kultusbehörde am 17.8.1908 zur Kenntnis genommen. Dieses Statut wurde in den Jahren 1951/52 und 1957 abgeändert. Gegen verschiedene dieser Änderungen der Fünfziger Jahre wandten sich einzelne Mitglieder dieser Kirchengemeinde nicht zu unrecht. Die diesbezüglichen Beschwerden führten letztlich zum Orthodoxengesetz des Jahres 1967.
2. Das Orthodoxengesetz regelt in § 4 Abs. 1 die serbische griechisch-orientalische Kirchengemeinde zum hl. Sava in Wien als bestehende Einrichtung. Gemäß § 8 Abs. 3 OrthG blieb der Kreis der entsprechend den Satzungen ausgeübten autonomen kirchlichen Gemeindeangelegenheiten im bisherigen Umfang für den staatlichen Bereich unbeschadet künftiger Änderungen zunächst gewahrt. Bezüglich der serbischen griechisch-orientalischen Kirchengemeinde zum hl. Sava halten die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu § 4 fest, daß diese der geistlichen Jurisdiktion des Patriarchen von Belgrad untersteht. Änderungen bedürfen daher sowohl der entsprechenden innerkirchlichen hierarchischen Maßnahmen als auch der entsprechenden Satzungsänderung. Ehe noch eine im Sinne des Orthodoxengesetzes erforderliche Statutenanpassung erfolgte, gründete das hl. Bischofskonzil der serbisch-orthodoxen Kirche mit Entscheidung vom 12.3.1969, Nr. 33/prot. 4, eine neue Diözese im Bestand der Serbisch-orthodoxen Kirche mit der Benennung Serbisch-orthodoxe Diözese für Westeuropa (und Australien), in welcher die serbisch-orthodoxe Kirchgemeinde zum hl. Sava inkorporiert ist. In Anwesenheit des neuen Bischofs nahm die Versammlung der Kirchengemeinde zum hl. Sava in Wien am 15.6.1969 neue Statuten an, welche von der hl. Bischofssynode mit Bescheid Nr. 4716/prot. 738, am 31.10.1969 genehmigt worden sind. Da diese Statuten in verschiedenen Punkten nicht den Bestimmungen des staatlichen Orthodoxengesetzes entsprachen, ergab sich zunächst eine rechtliche Diskrepanz, die im Wege von Statutenänderungen für den staatlichen und kirchlichen Bereich beseitigt werden sollte. In der von der Antragstellerin immer wieder zitierten Geschäftsordnung der Kommission zur Statutenänderung aus dem Jahre 1973 lautet Punkt II.2.:
Zur Erarbeitung der Statuten ist ein Zeitraum von 4 Monaten vorgesehen (Pkt. 6 d. Prot. v. 25.1.1973). ...
Punkt III.2. dieser Geschäftsordnung lautet:
Für die Dauer der Tätigkeit der Kommission bildet das Statut der serbisch griechisch-orientalischen Kirchengemeinde zum hl. Sava in Wien vom 7./20. Mai 1906, in Fassung 1951, als das jüngste Statut mit staatlicher Rechtswirksamkeit, die gesetzliche Arbeitsgrundlage. Für die angegebene Zeit wird obzit. Statut von Seiten der kirchl. Behörde ausdrücklich als gültig und verbindlich angesehen.
Diese Geschäftsordnung wurde sowohl von den Mitgliedern der Kommission als auch von Bischof L unterfertigt. Trotz langer Bemühungen, ein Statut in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Serbischen Kirchenverfassung und dem österreichischen Orthodoxengesetz zu erarbeiten, konnten sich die Angehörigen der Kommission und der Kirchengemeinde zu keiner Einigung durchringen.
Für den kirchlichen Bereich sind daher die Statutenbestimmungen des Jahres 1906 in der Fassung des Jahres 1951 längst nicht mehr anwendbar. Der Vorwurf, durch die neuen kirchlichen Statuten sei in die Verwaltungsautonomie der Wiener Kirchengemeinden in unzulässiger Weise eingegriffen worden, geht ins Leere, da gerade die Generalversammlung dieser Kirchengemeinde am 15.6.1969 in Anwesenheit des Bischofs L diese kirchlichen Statuten einstimmig beschlossen hat. Es ist richtig, daß verschiedene Bestimmungen dieser kirchlichen Statuten mit dem Orthodoxengesetz nicht übereinstimmen und an dieses angepaßt werden müßten, was bisher nicht geschehen ist. Deshalb fehlt die Kenntnisnahme der Kultusbehörde zu diesen Statuten des Jahres 1969.
3. Bei der Entgegennahme von Wahlanzeigen ist die staatliche Kultusbehörde gemäß § 9 Abs. 4 OrthG verpflichtet, schwerwiegende Mängel infolge Verstoßes gegen innerkirchliche Vorschriften zu berücksichtigen und diesfalls die Entgegennahme einer Anzeige mit Bescheid abzulehen. Der schwerwiegende Mangel ergibt sich schon daraus, daß die von den Gruppen V und M vorgenommenen Wahlen nach innerkirchlichen Statuten des Jahres 1906 und 1951 und nicht des Jahres 1969 vorgenommen worden sind. Die Setzung einer Nachfrist konnte anläßlich der Erlassung des Hemmungsbescheides unterbleiben, weil jahrelange Bestrebungen, die Statutendiskrepanz zu beseitigen, erfolglos geblieben sind. Seit der Erlassung des Hemmungsbescheides hat sich an diesem Zustand nichts geändert.
Dasselbe gilt hinsichtlich der Streitigkeiten unter den einzelnen Gruppen, die keinerlei gemeinsame Ansätze zur Erzielung einer innerkirchlichen Übereinstimmung erkennen lassen. Im Gegenteil wird die Lösung dieser innerkirchlichen Fragen durch Rechtsmittel vor den ordentlichen Gerichten, den Verwaltungsbehörden und den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes gesucht, die aber insgesamt wiederum die Grundrechtsbestimmung von Artikel 15 StGG zu wahren haben. (Im übrigen führte die Hemmung der Befugnisse der Kirchengemeinde zum hl. Sava für den äußeren Bereich und die Bestellung eines Kurators zum faktischen Ergebnis, daß in der Kirche in der Veithgasse wiederum ständige und regelmäßig gut besuchte Gottesdienste stattfinden.)
4. Gemäß § 4 Abs. 2 OrthG genießt die Kirchengemeinde zum hl. Sava die Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Die von der Kirchengemeinde am 15.6.1969 beschlossenen Statuten entsprechen nicht dem § 8 des OrthG. Eine übereinstimmende Anpassung dieser Statuten an das Orthodoxengesetz erscheint trotz jahrelanger Bemühungen im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfolgversprechend, sodaß jede Nachfristsetzung erfolglos erscheinen muß, da jedenfalls zwei der vorhandenen Gruppen ständig die ordentlichen Gerichte, die Verwaltungsbehörden und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes anrufen, statt im kirchlichen Bereich zu einer Übereinkunft zu gelangen. Im Hinblick auf die Körperschaftseigenschaft des öffentlichen Rechtes ist das öffentliche Interesse gemäß § 12 Abs. 2 OrthG jedenfalls gegeben. Darüber hinaus werden drei verschiedene Gruppen für die Kirchengemeinde zum hl. Sava tätig, sodaß auch deshalb die Voraussetzungen für die Kuratorbestellung gemäß § 12 Abs. 2 OrthG vorliegen. An diesem Zustand hat sich seit dem Hemmungsbescheid nichts geändert."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in folgenden Rechten verletzt:
"1. in dem ihr durch § 56 AVG gewährleisteten Recht, daß Bescheide nicht ohne vorherige Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts erlassen werden, also in dem Recht auf ein umfassendes Ermittlungsverfahren;
2. in dem ihr durch § 58 Abs. 2 AVG gewährleisteten Recht auf eine sorgfältige Begründung von Bescheiden, mit denen dem Standpunkt einer Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird;
3. in dem ihr durch § 12 Abs. 5 OrthG gewährleisteten Recht, daß Maßnahmen, die über sie gemäß § 12 Abs. 2 leg. cit. verhängt worden sind, aufgehoben werden, sobald der Grund für ihre Erlassung weggefallen ist."
In Ausführung der so bezeichneten Beschwerdepunkte verweist die beschwerdeführende Partei in einer ausführlichen Darstellung des bisherigen Verfahrensgeschehens unter anderem auf den Umstand, daß mit dem Inkrafttreten des Orthodoxengesetzes und der Gründung der westeuropäischen (und australischen) Diözese durch das bischöfliche Konzil der Serbisch-orthodoxen Kirche eine neue Fassung der aus dem Jahre 1906 stammenden Statuten notwendig geworden sei. Es sei jedoch niemals zu einer endgültigen gemeindeinternen Beschlußfassung über neue Statuten gekommen, da sich die Beschwerdeführerin der vom Patriarchat von Belgrad ausgehenden Einschränkung ihrer autonomen Rechte stets widersetzt habe. Daher würden sowohl innerkirchlich als auch im staatlichen Bereich noch immer die Statuten aus dem Jahre 1906 in der Fassung der Änderungen aus den Jahren 1951/52 gelten. Der Bundesminister habe im wesentlichen die Auffassung vertreten, die Kirchengemeinde sei mangels Geltung eines Statutes nicht in der Lage, ihre Organe zur Vertretung im innerkirchlichen und im staatlichen Bereich selbst zu wählen und bedürfe daher zumindest für den staatlichen Bereich eines Kurators, der die Verwaltung ihres Vermögens (insbesondere ihres Liegenschaftsbesitzes) zu übernehmen hätte. Die Vermögensverwaltung gehöre jedoch nach Auffassung von Gampl, Staatkirchenrecht, 144, und zahlreichen weiteren Autoren nicht zu den äußeren Angelegenheiten einer Kirche. Ein im § 12 Abs. 2 OrthG gefordeter "wichtiger Grund" für die Hemmung der Handlungsfähigkeit einer Kirchengemeinde werde im Bescheid vom 21. Dezember 1984 nicht einmal behauptet. Die beschwerdeführende Partei habe ihren auf § 12 Abs. 5 OrthG gestützten Antrag vom 10. Jänner 1989 auf Aufhebung des Bescheides vom 12. Dezember 1984 darauf gestützt, daß der vom Pflegschaftsgericht bestellte Kurator bis heute eine Einigung der "betroffenen kirchlichen Rechtspersonen" nicht zustande gebracht, ja nicht einmal versucht habe. Es stehe daher fest, daß die Hemmung der Handlungsfähigkeit der Kirchengemeinde und die Bestellung eines Kurators ein völlig ungeeigneter Weg zur Erreichung dieses Zieles gewesen sei.
Ferner sei seit der Erlassung des Bescheides vom 21. Dezember 1984 in der Frage der Vertretung der Kirchengemeinde im innerkirchlichen und im staatlichen Bereich eine wesentliche Änderung eingetreten: Am 6. Jänner 1987 habe die Gemeinde einen Generalausschuß gewählt, der aus seiner Mitte einen engeren Ausschuß gewählt habe. Die Wahl dieser Organe sei dem Minister mit Schreiben vom 6. Jänner 1987 angezeigt und von diesem faktisch zur Kenntnis genommen worden. Wenn auch bis heute das Einlangen dieser Anzeige bei der Behörde nicht gemäß § 9 Abs. 3 OrthG beurkundet worden sei, so ändere dies nichts daran, daß die Bestellung dieser Organe mit dem Einlangen der Anzeige auch für den staatlichen Bereich wirksam geworden sei (vgl. § 9 Abs. 4 leg. cit.). Die Frage, ob die am 6. Jänner 1987 gewählten Organe nach den für die Kirchengemeinde geltenden Statuten wirksam gewählt und daher tatsächlich zur Vertretung der Gemeinde berufen seien, und die Vorfrage, ob im innerkirchlichen sowie im staatlichen Bereich das Statut der Kirchengemeinde aus dem Jahre 1906 in der Fassung der Änderungen aus den Jahren 1951/1952 noch in Geltung stehe, sei in einem Gutachten von Univ. Prof. Dr. Inge Gampl bejaht worden.
Die belangte Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid mit den Gründen, die die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag vom 10. Jänner 1989 für die Aufhebung des Hemmungsbescheides im Sinne des § 12 Abs. 5 OrthG ins Treffen geführt habe, überhaupt nicht beschäftigt. Der angefochtene Bescheid entspreche daher nicht den Anforderungen der §§ 56 und 58 AVG. Hätte sich die belangte Behörde mit den Gründen des Antrages vom 10. Jänner 1989, insbesondere mit dem Sachverständigengutachten von Univ. Prof. Gampl auseinandergesetzt, so hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die beschwerdeführende Partei - ungeachtet der zugegebenermaßen fortbestehenden Meinungsverschiedenheiten unter den Wiener Serbisch-Orthodoxen - durch ordentlich gewählte Organe vertreten sei und kein Anlaß zur Aufrechterhaltung des Hemmungsbescheides und der Kuratel bestehe.
Auch inhaltlich sei der angefochtene Bescheid zu beanstanden: Die Rechtskraft des Hemmungsbescheides vom 21. Dezember 1984 bedeutet zwar, daß nicht neuerlich die Frage aufgerollt werden könne, ob bei seiner Erlassung die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Maßnahme nach § 12 Abs. 2 OrthG vorgelegen gewesen seien. Die Rechtskraft gehe aber nicht so weit, daß auch die dem Hemmungsbescheid zugrunde liegende unrichtige Beurteilung der Vorfrage der Geltung des Statuts von 1906 für alle Zeiten verbindlich entschieden sei.
Schließlich behauptet die beschwerdeführende Partei die Verfassungswidrigkeit des § 12 Abs. 2 OrthG und regt an, diese Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Der Verweis in den Erläuternden Bemerkungen des Gesetzes auf die "besondere Struktur der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich" stelle eine bloße "Behauptung" und "Scheinbegründung" dar. Tatsächlich fehlten jedoch sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung der griechisch-orientalische Kirche.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die beschwerdeführende Partei hat dazu eine Äußerung
erstattet und Urkunden vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 12 Abs. 2 und 5 OrthG lauten:
"(2) Für den Fall, daß geltende Satzungen einer griechisch-orientalischen Kirchengemeinde dem § 8 dieses Bundesgesetzes nicht entsprechen und daß sich derartige Mängel auch nach Setzung einer angemessenen Nachfrist nicht beheben lassen oder daß trotz Aufforderung vertretungsbefugte Organe einer staatlich anerkannten Kirchengemeinde nicht bestellt werden, hat das Bundesministerium für Unterricht" (nunmehr: Bundesministerium für Unterricht und Kunst) "aus wichtigen Gründen die Handlungsfähigkeit in äußeren Angelegenheiten der betreffenden Kirchengemeinde für den staatlichen Bereich mit Bescheid für zeitweilig gehemmt zu erklären und beim zuständigen Gericht die Bestellung eines Kurators zu beantragen. Als ein wichtiger Grund ist es insbesondere anzusehen, wenn der Mangel einen Eingriff in die Rechte anderer Einrichtungen der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich zur Folge hat oder zur Folge haben kann oder wenn durch den Mangel dritten Personen Nachteile erwachsen können.
...
(5) Die getroffenen Maßnahmen sind aufzuheben, sobald der Grund für ihre Erlassung weggefallen ist."
§ 12 Abs. 5 leg. cit. beruht auf dem Gedanken der materiellen Rechtskraft im Sinne der Unwiderrufbarkeit eines formell rechtskräftigen Bescheides (vgl. dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, Rz 458 ff). Der Bescheid, mit dem die Handlungsfähigkeit in äußeren Angelegenheiten einer Kirchengemeinde für den staatlichen Bereich für zeitweilig gehemmt erklärt worden ist, darf, solange die Gründe für diese Maßnahme aufrecht sind, nicht aufgehoben werden. Erst dann, wenn der Grund (die Gründe) für die Erlassung dieses Bescheides weggefallen ist (sind), ist der Bescheid über die Beschränkung der Handlungsfähigkeit aufzuheben. Der formell rechtskräftige Bescheid entfaltet auch dann, wenn er mit der objektiven Rechtslage in Widerspruch steht, seine volle Rechtswirksamkeit (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1988, Zl. 84/05/0214).
Im Beschwerdefall kommt es daher darauf an, ob sich der Sachverhalt, den die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 21. Dezember 1984 als für die Beschränkung der Handlungsfähigkeit der beschwerdeführenden Kirchengemeinde rechtserheblich gewertet hat, in einem wesentlichen Punkt geändert hat (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 7. November 1980, Zl. 1682/78).
Die belangte Behörde hat ihren Bescheid vom 21. Dezember 1954 im wesentlichen damit begründet, daß eine Willensübereinstimmung zwischen der Kirchengemeinde und dem Belgrader Patriarchat in der Statutenfrage und der damit zusammenhängenden Frage der Jurisdiktionsgewalt trotz jahrelanger Vermittlungsbemühungen nicht gelungen sei. In diesem Zusammenhang sei es auch zu wiederholten Wahlen uneiniger Gruppen der Kirchengemeinde gekommen, deren Anzeige der Minister nicht zur Kenntnis genommen habe. Die zeitweilige Hemmung der Handlungsfähigkeit der Kirchengemeinde in äußeren Angelegenheiten für den staatlichen Bereich erfolgte daher bis zum Vorliegen einer entsprechenden Einigung. Im übrigen sollte durch die Bestellung eines Kurators auch "nochmals ein Anlaß zur Einigung gegeben" werden.
"Wichtige Gründe" im Sinne des § 12 Abs. 2 leg. cit. für den Ausspruch der Hemmung der Handlungsfähigkeit wurden zwar nicht ausdrücklich genannt, jedoch läßt sich der Begründung des Bescheides entnehmen, daß der Minister solche in der Vermögensverwaltung der Kirchengemeinde gegeben sah.
Dieser Bescheid vom 21. Dezember 1984 erwuchs in Rechtskraft; die von der beschwerdeführenden Kirchengemeinde erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde aus formalrechtlichen Gründen abgewiesen (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 15. September 1986, Zl. 85/10/0030).
Ein auf § 12 Abs. 5 OrthG gestützter Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Aufhebung des Hemmungsbescheides wurde von der belangten Behörde nicht erledigt. Der von der beschwerdeführenden Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht angerufene Verwaltungsgerichtshof wies den Antrag wegen res iudicata gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück. Die beschwerdeführende Partei hatte ihren Antrag im wesentlichen damit begründet, daß § 12 Abs. 5 leg. cit. auch in jenen Fällen zur Anwendung kommen müsse, in denen Maßnahmen nach § 12 Abs. 2 getroffen worden seien, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen gefehlt hätten. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes habe dieses Vorbringen keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die beschwerdeführende Partei beabsichtige, die mit dem unbestrittenermaßen rechtskräftigen Bescheid vom 21. Dezember 1984 erledigte Angelegenheit neu aufzurollen. Mit ihrer Behauptung, es hätten seinerzeit, also im Zeitpunkt der Erlassung des Hemmungsbescheides, die gesetzlichen Voraussetzungen, die Handlungsfähigkeit der Kirchengemeinde im Sinne des § 12 Abs. 2 OrthG für gehemmt zu erklären, gefehlt, übersehe die Beschwerdeführerin jedoch, daß gerade über diese Frage, ob also die besagten Voraussetzungen als gegeben anzusehen gewesen waren, mit dem genannten Bescheid in bejahendem Sinne rechtskräftig, somit in einer die Behörde wie auch die Beschwerdeführerin bindenden Weise, abgesprochen worden sei (vgl. dazu das ebenfalls bereits genannte Erkenntnis vom 26. September 1988, Zl. 87/10/0192).
Die beschwerdeführende Partei beruft sich in ihrem Antrag vom 10. Jänner 1989 wiederum auf § 12 Abs. 5 OrthG. Zur Begründung verweist sie im wesentlichen darauf, daß sich die von der belangten Behörde erwarteten Einigungsbestrebungen des Kurators als erfolglos herausgestellt hätten. Ferner verfüge die Kirchengemeinde aufgrund der Wahlen vom 6. Jänner 1987 über ordnungsgemäß gewählte und funktionstüchtige Leitungs- und Vertretungsorgane.
Bei diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin jedoch, daß der in Rechtskraft erwachsene Bescheid vom 21. Dezember 1984 in erster Linie wegen der Uneinigkeit zwischen der Kirchengemeinde und dem Belgrader Patriarchat in der Frage, welche Statuten gelten und welcher Jurisdiktion die Kirchengemeinde untersteht, erlassen worden ist. Dieser rechtskräftige Bescheid entfaltet dabei - nach dem vorhin Gesagten - auch dann, wenn er mit der objektiven Rechtslage in Widerspruch stehen sollte, seine volle Rechtswirksamkeit. Da nach § 12 Abs. 5 OrthG die getroffenen Maßnahmen (erst) aufzuheben sind, wenn die Gründe, die für deren Erlassung maßgeblich gewesen sind, weggefallen sind, müßte daher von der Beschwerdeführerin zumindest die IN DER ZWISCHENZEIT ERFOLGTE Einigung in den strittigen Punkten behauptet werden, sollte ihrem Antrag Erfolg beschieden sein. Ein solches Vorbringen wurde jedoch nicht einmal ansatzweise erstattet. Das Vorbringen, die von der belangten Behörde erwarteten Einigungsbestrebungen des Kurators seien ohne Erfolg geblieben und die Kirchengemeinde verfüge aufgrund von Wahlen vom 6. Jänner 1987 über funktionstüchtige Leitungs- und Vertretungsorgane, reicht alleine - unabhängig davon, ob diese Behauptungen zutreffen oder nicht - nicht aus, um zu einer Aufhebung des Bescheides vom 21. Dezember 1984 zu führen.
Da somit jedenfalls nicht alle zur Erlassung des Hemmungsbescheides herangezogenen Gründe im Sinne des § 12 Abs. 5 OrthG weggefallen sind, handelte die belangte Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie den Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 10. Jänner 1989 abgewiesen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich im übrigen nicht veranlaßt, aus den von der beschwerdeführenden Partei vorgebrachten Gründen beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des § 12 Abs. 2 OrthG zu stellen.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989100249.X00Im RIS seit
29.06.1992Zuletzt aktualisiert am
10.03.2009