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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AbgEO §18 Z5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der X-AG in Z (Schweiz), vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 7. November 1991, Zl. Senat-B-91-008, betreffend Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch ein Organ des Finanzamtes Graz-Stadt am 8. April 1991 am Flughafen Wien-Schwechat in einer Angelegenheit der Umsatzsteuer durch Abnahme von Flugzeugpapieren und amtliche Zurückhaltung bis zum 25. April 1991, 15.00 Uhr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Sicherstellungsauftrag vom 28. Februar 1991 ordnete das Finanzamt Graz Stadt gemäß § 232 BAO zur Sicherung von Umsatzsteueransprüchen aus den Jahren 1980 bis 1991 im Gesamtbetrag von S 1,331.192,-- die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Abgabenschuldners X-AG Ltd. Vaduz, Liechtenstein an.
Auf Grund des Sicherstellungsauftrages erfolgte am 8. April 1991 die Pfändung eines nicht dem Abgabenschuldner, sondern der Beschwerdeführerin gehörenden (unter Postzahl 1 des Pfändungsprotokolles näher bezeichneten) Flugzeuges. Dabei wurde dem Piloten vom Vollstreckungsbeamten auch eine aus acht Blättern bestehende Mappe "Bordpapiere" abgenommen und hierüber eine vom 8. April 1991 datierte Quittung ausgestellt.
Am 12. April 1991 erhob die Beschwerdeführerin wegen dieses Vollzugsvorganges ausdrücklich "auch in sinngemäßer Anwendung des § 68 EO" Dienstaufsichtsbeschwerde und beantragte unter anderem die Rückgabe der Flugzeugpapiere. Unter einem teilte sie mit, daß ein Antrag nach § 14 AbgEO bereits überreicht worden sei.
Am 25. April 1991 erlegte die Beschwerdeführerin ein Sparbuch mit einer Einlage von S 1,3 Millionen als Pfandersatz (AS 133 der Verwaltungsakten) und kündigte die Rückziehung der Aufsichtsbeschwerde an, worauf mit Bescheid vom 25. April 1991 (AS 137 der Verwaltungsakten) das Vollstreckungsverfahren gemäß § 16 AbgEO eingestellt wurde. Die Rückziehung der Dienstaufsichtsbeschwerde erfolgte mit Schriftsatz vom selben Tag.
Am 15. Mai 1991 erhob dann die Beschwerdeführerin gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG Maßnahmenbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich. Darin wandte sie sich gegen eine am 7. April 1991 "über die Pfändung des Flugzeuges hinaus" erfolgte Abnahme der Flugpapiere (bestehend aus Eintragungszeugnis, Lufttüchtigkeitszeugnis, Verkehrsbewilligung, Certificate of insurance, Zulassungsbereich, Lärmzeugnis, Konzession für Flugzeugstation für Triebwerke an beweglichen Flugzeugeinheiten und Merkblatt Zollverwaltung Schweiz) und begehrte die Feststellung, daß diese Abnahme und die amtliche Zurückbehaltung der Papiere bis zum 25. April 1991, 15.00 Uhr, nicht rechtmäßig war.
Zur Begründung vertrat die Beschwerdeführerin die Rechtsauffassung, die Pfändung einer beweglichen Sache hätte gemäß § 31 AbgEO durch Verzeichnung und Beschreibung im Pfändungsprotokoll zu erfolgen, eine Verwahrung nach § 34 leg.cit. Keine dieser Vorschriften rechtfertige die Beschlagnahme der Flugzeugpapiere. Auch die Exekution auf Kraftfahrzeuge erfolge nicht durch Abnahme des Typenscheins oder Zulassungscheins, die dem Verpflichteten (bzw. dem Eigentümer) verblieben.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unzulässig zurück und vertrat dazu die Auffassung, die Abnahme der Flugpapiere stelle als zusätzliche Sicherung des durch die pfandweise Beschreibung erworbenen Pfandrechtes eine Maßnahme im Hinblick auf die allenfalls erforderliche Verwertung dar. Die Sicherstellung von Flugzeug und Papieren sei als Einheit zu sehen und stelle daher die Abnahme der Flugpapiere keine selbständig bekämpfbare Maßnahme dar.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf "Ausspruch verletzt, daß die beschriebene Amtshandlung rechtswidrig war, des weiteren in ihren Rechten auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und auf eine mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde sowie letztlich auf Kostenersatz".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 1 Z. 2 AVG (der im wesentlichen dem früheren Art. 131a B-VG entspricht) entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.
Die Regelungen über die sogenannte Maßnahmebeschwerde dienen - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 25. September 1991, Zl. 91/16/0017, 0022, 0023 bzw. 0018, 0020, 0031; 24. April 1990, Zl. 90/14/0074; 4. April 1990, Zl. 90/01/0009 u.v.a.) - nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein- und desselben Rechtes. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein.
Im vorliegenden Fall stellt sich daher betreffend die Zulässigkeit der von der belangten Behörde zurückgewiesenen Maßnahmenbeschwerde die zentrale Frage, ob der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Beschlagnahme der Flugzeugpapiere die Möglichkeit einer Austragung der Angelegenheit im Verwaltungsverfahren offenstand oder nicht.
Die streitgegenständliche, vom 8. (in der Maßnahmenbeschwerde unrichtig mit 7. bezeichnet) bis 25. April dauernde Beschlagnahme der Flugzeugpapiere stellt sich - anders als es die Beschwerdeführerin sieht - keineswegs als ein "außerhalb" des Vollzuges stehender Akt dar. Der Beschwerdeführerin ist zunächst zwar zuzugeben, daß die Pfändung einer beweglichen Sache durch die in § 31 Abs. 1 AbgEO näher geregelten Maßnahmen erfolgt und daß eine Fahrnisexekution - wie die Exekution zur Hereinbringung von Geldforderungen überhaupt - auch im Rahmen einer Sicherstellungsmaßnahme nur Objekte mit Vermögenswert betreffen darf und unzulässig ist, wenn eine Sache ohne Vermögenswert in Exekution gezogen wird (wie dies z.B. betreffend Kfz-Typenscheine schon ausgesprochen wurde; vgl. Heller-Berger-Stix, Kommentar zur EO III, 2288 mit Judikaturnachweisen in FN 14; eine Befriedigung des betreibenden Gläubigers aus einer solchen Urkunde ist nämlich
nicht möglich: z.B. OGH 13. Juli 1982, 4 Ob 584/82, HS 12.687 =
JBl. 1984, 143 = SZ 55/112).
Der Vollstrecker hat jedoch im Zuge der Pfändung von Objekten, bei denen (z.B. auf Grund des ausländischen Kennzeichens eines Fahrzeuges, welcher Umstand auch im gegenständlichen Fall gegeben war) wenigstens zu vermuten ist, daß es sich um nicht als zollamtlich behandelte oder vorgemerkt geltende Waren handelt, die zugehörigen Zollpapiere abzunehmen (vgl. Heller-Berger-Stix aaO. II, 1702). Dazu kommt, daß im Falle des exekutiven Verkaufes eines gepfändeten Fahrzeuges nach herrschender Ansicht der Typenschein (der Bescheid über die Einzelgenehmigung) dem neuen Erwerber zu übergeben, Zulassungsschein und Kennzeichentafeln vom Vollstrecker hingegen der ausgebenden Behörde zurückzustellen sind (Heller-Berger-Stix aaO. II, 1755, 1756); bei Schiffen ist das Schiffspatent (bzw. der Bescheid über die Zulassung) dem Ersteher zu übergeben (Heller-Berger-Stix aaO. II, 1756). Dazu muß sich aber der Vollstrecker zunächst die Gewahrsame an diesen Papieren verschaffen, was zweckmäßigerweise im Zuge der Pfändung des Fahrzeuges, also des Vollzuges geschehen kann. Was die zitierte exekutionsrechtliche Literatur zur Kraftfahrzeugen und Schiffen ausgesprochen hat, hat auch für den vorliegenden Fall, in dem ein Flugzeug Objekt des Vollzuges war, zu gelten.
Der mit der erhobenen Maßnahmenbeschwerde vor der belangten Behörde bekämpfte Akt stellt sich somit nicht als eine vom Vollzug der Pfändung des Flugzeuges losgelöste Maßnahme, sondern vielmehr als Teil des Vollzuges selbst dar.
Gegen Vorgänge des Vollstreckungsvollzuges kennt aber auch die Abgabenexekutionsordnung - wie sich aus ihrem § 18 Z. 5 (der dem § 42 Abs. 1 Z. 8 EO nachgebildet ist) eindeutig ergibt - das Institut der Vollzugsbeschwerde (entsprechend der Beschwerde gemäß § 68 EO), von dem die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall auch tatsächlich Gebrauch gemacht hat. Damit steht aber betreffend Vorgänge des Exekutionsvollzuges dieses im Verwaltungsverfahrensrecht geregelte Instrument zur Verfügung, mit welchem Abhilfe verlangt werden kann. Die von der belangten Behörde ausgesprochene Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde erweist sich daher (nicht zuletzt auch deshalb, weil die Beschwerdeführerin den ihr zustehenden Anspruch auf ein Rechtsmittel durch die erhobene und wieder zurückgezogene Vollzugsbeschwerde bereits verbraucht hat) als frei von der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unzulässig abzuweisen, ohne daß auf die erhobene Verfahrensrüge noch näher eingegangen werden mußte.
Ein Kostenzuspruch an die belangte Behörde hatte nicht zu erfolgen, weil diese es verabsäumte, Aufwandersatz anzusprechen (§ 59 Abs. 1 VwGG).
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Faktische Amtshandlungen siehe Art 129a Abs1 Z2 ( früher Art 131a B-VG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991150147.X00Im RIS seit
29.06.1992Zuletzt aktualisiert am
05.02.2016