TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/29 92/18/0242

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Veröffentlicht am 29.06.1992
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §5 Abs1;
AsylG 1968 §5 Abs4;
FrPolG 1954 §2 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des S, zuletzt in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 17. April 1992, Zl. St-5/3/92, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. April 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 3 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 575/1987 (im folgenden kurz: FPG), ein bis zum 24. Dezember 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2, Z. 6 sowie des Abs. 3 FPG lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Vorauszuschicken ist, daß die belangte Behörde (anders als die Behörde erster Instanz) nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 FPG als gegeben angesehen, sondern den angefochtenen Bescheid insoweit auf den Absatz 1 dieses Paragraphen gestützt hat. Es erübrigt sich daher auf das Beschwerdevorbringen, soweit es auf § 3 Abs. 2 Z. 7 FPG Bezug nimmt, einzugehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. Dezember 1990, Zl. 90/19/0146) handelt es sich bei Abs. 1 des § 3 FPG um die Generalklausel und bei Abs. 2 um die beispielsweise Aufzählung von Fällen, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedenfalls rechtfertigen; ein Aufenthaltsverbot kann gemäß § 3 Abs. 1 FPG auch dann erlassen werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im Abs. 2 angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die Annahme rechtfertigen, daß durch den Aufenthalt des Betroffenen eine tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit vorliegt oder andere öffentliche Interessen verletzt werden. Der Entscheidung über die Erlassung des Aufenthaltsverbotes ist von der Behörde das Gesamtverhalten des Betroffenen zugrunde zu legen.

Die Subsumtion des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers unter § 3 Abs. 1 FPG ist aus folgenden Erwägungen nicht als rechtwidrig zu erkennen:

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, daß der Beschwerdeführer am 27. Jänner 1991, aus Ungarn kommend, unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne im Besitze des für die Einreise in Österreich erforderlichen Sichtvermerkes zu sein, ins Bundesgebiet eingereist sei. Am 28. Jänner habe der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Baden, Außenstelle Flüchtlingslager Traiskirchen, einen Asylantrag gestellt, der letztlich mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Mai 1991, beim Postamt am 13. Juni 1991 hinterlegt, abgewiesen worden sei. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer zwar erst am 18. Dezember 1991 ausgehändigt worden, doch sei dem nicht mehr der Charakter einer Zustellung zugekommen. Der Behauptung des Beschwerdeführers, er habe den hinterlegten Bescheid nicht beheben können, weil er keinen Reisepaß als Ausweisdokument besessen habe, sei entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer sehr wohl im Besitz desselben gewesen sei; der Reisepaß sei im Zuge einer Nachschau in dem vom Beschwerdeführer bewohnten Zimmer vorgefunden worden. Im übrigen habe der Beschwerdeführer im Asylverfahren insofern falsche Angaben gemacht, als er bei der am 30. Jänner 1991 aufgenommenen Niederschrift angegeben habe, noch nie einen Reisepaß besessen und auch keinen diesbezüglichen Antrag gestellt zu haben.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 25. November 1991, Zl. 91/19/0254) kann ein Fehlverhalten, das zu einer Bestrafung nach einem der im § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall FPG genannten vier Gesetze hätte führen müssen, zu welcher es jedoch - aus welchen Gründen immer - nicht gekommen ist, in die Beurteilung des Gesamtverhaltens im Sinne des § 3 Abs. 1 FPG miteinbezogen werden, doch ist auch in diesem Fall das Vorliegen eines zusätzlichen Fehlverhaltens erforderlich, um entsprechend dem so festgestellten Gewicht des Gesamtverhaltens die Annahme einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 FPG zu rechtfertigen.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer durch die am 27. Jänner 1991 erfolgte Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne den erforderlichen Sichtvermerk zunächst sowohl ein strafbares Verhalten nach dem Grenzkontrollgesetz als auch nach dem Paßgesetz gesetzt hat. Weiters ist ein strafbares Verhalten nach dem FPG jedenfalls in dem unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ab dem Zeitpunkt der Zustellung des erwähnten Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 27. Mai 1991 im Wege der Hinterlegung (vgl. § 17 Zustellgesetz) zu erblicken. Daß der Beschwerdeführer, obwohl er sich entsprechend den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Besitz seines Reisepasses befunden hat, den erwähnten Bescheid des Bundesministers nicht behoben hat, hat er selbst zu verantworten. Im übrigen sei zu dem Fall, wenn die Ausfolgung einer hinterlegten Sendung durch das Postamt wegen Fehlens eines entsprechenden Ausweisdokumentes verweigert wird, auf das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1992, Zl. 91/01/0199, verwiesen.

Schließlich hat der Beschwerdeführer ein "zusätzliches" Fehlverhalten mit seinen von der belangten Behörde erwähnten unrichtigen Angaben im Asylverfahren zu verantworten.

Es ist zwar richtig, daß nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 25. November 1991, Zl. 90/19/0531) der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FPG dann nicht erfüllt wurde, wenn die unrichtigen Angaben nicht gemacht wurden, um sich die Aufenthaltsberechtigung gemäß "§ 2 Abs. 1 FPG" zu verschaffen. Allerdings wird unter dem Blickwinkel der - unmittelbaren - Subsumtion unter § 3 Abs. 1 FPG unrichtigen Angaben im Rahmen des Asylverfahrens in der Regel rechtserhebliche Bedeutung zukommen (vgl. in diesem Zusammenhang das soeben zitierte hg. Erkenntnis, insbesondere aber auch die ständige hg. Rechtsprechung - so etwa das Erkenntnis vom 13. November 1991, Zl. 91/01/0133 -, wonach im Asylverfahren das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß). Die von der belangten Behörde angeführten unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren in Hinsicht auf den Besitz eines Reisepasses wurden damit zu Recht als - zusätzliches - Fehlverhalten im Sinne des § 3 Abs. 1 FPG gewertet, waren sie doch geeignet, die Feststellung des wahren Sachverhaltes, insbesondere der Identität des Beschwerdeführers, zu erschweren.

Welchen Einfluß der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides haben sollte, ist im übrigen nicht erkennbar.

Zu der von der belangten Behörde im Grunde des § 3 Abs. 3 FPG vorgenommenen Interessenabwägung bringt der Beschwerdeführer nichts vor; auch der Verwaltungsgerichtshof vermag diese nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180242.X00

Im RIS seit

29.06.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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