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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. Jänner 1989, Zl. BauR-010186/3-1989 Le/Pe, betreffend einen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Parteien:
1. A-Gesellschaft m.b.H. in L; 2. B-KG in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Mitbeteiligten sind Eigentümer von Plakatwänden, die in Linz an der östlichen Seite der N-Straße aufgestellt sind. Mit Bescheid vom 21. Februar 1986 trug der Magistrat Linz den Mitbeteiligten die Beseitigung dieser wie folgt beschriebenen baulichen Anlagen auf:
"a) Plakatwand aus Hartfaserplatten mit vertikaler und horizontaler Lattung; Länge 29,30 m, Tafelhöhe 2,60 m, Gesamthöhe 3,05 m. Die Plakatwand wurde auf 12 m in den Boden eingegrabenen Holzstehern montiert.
b)
Plakatwand wie unter a) beschrieben, Länge ca. 60,00 m
c)
In südlicher Richtung im Anschluß an die Plakatwand b) befindet sich von dieser in einem Abstand von 0,20 m eine zirka 48,00 m lange Plakatwand, wobei die Gesamthöhe 2,90 m und die Tafelhöhe 2,60 m betragen. Befestigt wurde die Plakatwand auf runden Holzstehern mit einem Durchmesser von zirka 10,00 bis 14,00 cm, die in den Boden eingegraben wurden....
Eigentümer: a) und b) (Erstmitbeteiligte)
c) (Zweitmitbeteiligte)."
Begründet wurde der Beseitigungsauftrag damit, daß die bauliche Anlage das Orts- und Landschaftsbild störe (§ 23 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung (BO)). Aufgrund des Gutachtens des Planungsamtes der Beschwerdeführerin vom 28. Jänner 1986 weise das Gebiet westlich der N-Straße die Widmung "Grünland-Erholungsfläche" und östlich der N-Straße die Widmung "Grünland-landwirtschaftlich genutzte Fläche" aus. Die N-Straße stelle eines der Verbindungsstücke zwischen dem nahegelegenen Stadtteil Auhof und dem Pleschinger See mit dem Donauaugebiet dar. Entsprechend der im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Widmung sei entlang des östlichen Teiles der N-Straße ein zirka 200,00 m langer und zirka 30,00 m breiter, einem nahegelegenen Bauernhof zugehöriger Obstgarten mit sehr schönem Obstbaumbestand angelegt. Aufgrund der zwischen dem Obstgarten und dem Gehsteig auf einer Länge von 140,00 m aufgestellten Plakatwände werde dem Beschauer bzw. Erholungssuchenden die Sicht auf den Obstgarten und das Grünland genommen. Durch die massierte Anordnung der Plakattafeln entlang der Zufahrtsstraße zum Naherholungsgebiet über die durchgehende Länge von beinahe 110,00 m werde das Orts- und Landschaftsbild gestört.
Den dagegen erhobenen Berufungen der Mitbeteiligten gab der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz mit Bescheid vom 16. Dezember 1986 keine Folge. Aufgrund eines zusätzlich eingeholten Gutachtens des Amtssachverständigen habe sich ergeben, daß durch die Plakatwand eine dem Ortsbild untypische Grundstücksbegrenzung gebildet werde, die mit ihrer Höhe das harmonische Orts- und Landschaftsbild in diesem Bereich stark beeinträchtige. Die Plakatwände widersprächen § 23 Abs. 1 BO in Verbindung mit § 2 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 der
O.Ö. Bauverordnung, weshalb der Entfernungsauftrag zu Recht erteilt worden sei.
Den dagegen erhobenen Vorstellungen gab die belangte Behörde Folge, sie hob den Berufungsbescheid auf und trug dem Stadtsenat der Stadt Linz die neuerliche Entscheidung über die Berufung auf. Hinsichtlich der angenommenen Ortsbildbeeinträchtigung sei die Tatsachenfeststellung unzureichend erfolgt; aus dem Gutachten gehe nicht hervor, inwiefern das in Beurteilung gezogene Gebiet ein zusammenhängendes Ganzes bilde, das sich dem äußeren Eindruck nach von den angrenzenden Gebieten abhebe. Auch auf allenfalls vorhandene Werbeanlagen in der näheren und weiteren Umgebung werde nicht Bezug genommen.
Nach Einholung zweier weiterer Gutachten gab der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz mit Bescheid vom 13. Juli 1988 der Berufung abermals keine Folge. Klar zu trennen sei der durch Verkehrsanlagen geprägte Bereich (Mühlkreisautobahn, Freistädterstraße) von dem südlich daran anschließenden ländlichen Bereich, der einen eigenständigen und schützenswerten Charakter aufweise. Gerade die südlich der Autobahn befindliche Grünzone müsse in ihrer Natürlichkeit erhalten bleiben. Der Bereich des Haselbaches und der Heilhamer Au sei zweifellos ein schützenswertes Gebiet, das sich in starkem Kontrast zu den Siedlungsgebieten "Steg-Dornach und Auhof" befinde. Die Trasse der Mühlkreisautobahn begrenze gleichsam die genannten Siedlungsgebiete und trenne sie optisch vom Erholungsgebiet. Andere, nicht verfahrensgegenständliche Werbetafeln befänden sich unmittelbar im Bereich der Freistädterstraße. Die Massierung dieser Werbetafeln würde sich dort wegen der in diesem Straßenraum befindlichen Bauwerke (Brückenpfeiler, Masten) nicht in jenem Maße auswirken, wie die gegenständlichen, auf der N-Straße stehenden Werbeeinrichtungen.
Den dagegen erhobenen Vorstellungen gab die Aufsichtsbehörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge und verwies die Angelegenheit abermals zur Entscheidung an den Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz. Die im seinerzeitigen Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde aufgezeigten Mängel seien im ergänzenden Ermittlungsverfahren nur unzureichend saniert worden. Der Gutachter habe nur die östlich, westlich und nördlich anschließende Umgebung einer Betrachtung unterzogen, während er das südlich angrenzende Gebiet übergangen habe. Auch auf die Behauptung weiterer Werbetafeln an der Zufahrt zum und im Bereich des Pleschinger Sees sei nicht eingegangen worden. Die abgegebenen Sachverständigengutachten seien zuwenig aussagekräftig, sodaß es der Berufungsbehörde im ergänzenden Ermittlungsverfahren nicht gelungen sei, darzustellen, inwiefern die gegenständlichen Werbetafeln das Orts- und Landschaftsbild stören.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde und die Zweitmitbeteiligte haben Gegenschriften erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 61 Abs. 5 der O.Ö. Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 35/1976, hat die Baubehörde, wenn sie feststellt, daß eine baubehördlich nicht bewilligungspflichtige bauliche Anlage nicht entsprechend den für sie geltenden baurechtlichen Bestimmungen oder nicht entsprechend den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, dem Eigentümer mit Bescheid die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen. Nach § 23 Abs. 1 BO müssen bauliche Anlagen in allen ihren Teilen nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften so geplant und errichtet werden, daß - u.a. - das Orts- und Landschaftsbild nicht gestört wird. Im § 2 Abs. 1 der O.Ö. Bauverordnung 1985, LGBl. Nr. 5 - nunmehr auf Gesetzesstufe stehend (LGBl. Nr. 37/1989) -, wird zunächst wiederholt, daß bauliche Anlagen in allen ihren Teilen nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften so zu gestalten sind, daß das Orts- und Landschaftsbild nicht gestört wird. Für Werbe- und Ankündigungseinrichtungen bestimmt § 45 Abs. 1 der
O.Ö. Bauverordnung weiters, daß sie in ihrem Ausmaß, ihrer Form, ihrer Farbe und in ihrem Werkstoff sowie in der Art ihrer Anbringung der Umgebung angepaßt werden und auch sonst den allgemeinen Erfordernissen des § 23 BO entsprechen müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mehrfach mit der Frage der Störung des Orts- und/oder Landschaftsbildes auseinandergesetzt. Geklärt werden kann diese Frage jedenfalls nur durch ein begründetes Sachverständigengutachten (siehe etwa Erkenntnis vom 13. März 1983, Zl. 83/05/0097 = BauSlg. 89 u. v.a.). Dabei muß der Befund eine detaillierte Beschreibung der örtlichen Situation, möglichst untermauert durch Planskizzen oder Fotos, enthalten (Erkenntnis vom 28. März 1985, Zl. 83/06/0084 = BauSlg. 422). Es müssen die charakteristischen Merkmale der für die Beurteilung einer allfälligen Störung in Betracht kommenden Teile des Orts- und Landschaftsbildes durch das Gutachten erkennbar sein (Zl. 83/05/0097). Es kommt keineswegs darauf an, ob einzelne störende Objekte schon vorhanden sind, weil allein das Vorhandensein derartiger Objekte noch keine weiteren Störungen erlaubt (Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 87/05/0196; Slg. N.F. Nr. 9.966/A und Nr. 10.067/A u.a.). Selbst in einer eher verwahrlost wirkenden Gegend könnte eine 100,00 m lange Plakatwand als störend angesehen werden (Erkenntnis vom 20. November 1984, Zl. 84/05/0131).
Die belangte Behörde vermißt Feststellungen über 75 Laufmeter Werbefläche direkt an der Zufahrt zum Pleschinger See und über Plakatständer auf den Liegewiesen, also in "unmittelbarer" Umgebung. Damit hat die Aufsichtbehörde auf eine Behauptung Bezug genommen, die die Erstmitbeteiligte schon in ihrer Berufung im ersten Rechtsgang am 2. April 1986 aufgestellt, möglicherweise in der Vorstellung vom 12. Jänner 1987 ("in nächster Nähe zirka 50 Laufmeter Werbefläche"), jedenfalls aber in der Vorstellung vom 29. Oktober 1988 wiederholt hat: Direkt an der Zufahrtstraße zum Pleschinger See stünden 75 Laufmeter Werbefläche quer zur Fahrbahn mitten in der unbebauten Erholungslandschaft.
Daraus ergibt sich aber hinsichtlich der unmittelbaren Nähe, daß diese 75 Laufmeter Werbefläche jedenfalls nicht in der N-Straße situiert sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt ausgesprochen, daß weiter entfernt aufgestellte Werbetafeln bei Beurteilung des Ortsbildes unberücksichtigt bleiben können (Erkenntnis vom 16. Juni 1992, Zl. 91/05/0228). Daher müssen allfällige Mobilständer im Liegebereich des Pleschinger Sees schon wegen der Entfernung (siehe den mit der Gegenschrift von der belangten Behörde vorgelegten Stadtplan) außer Betracht bleiben.
Als wesentlich wurde das Vorbringen erachtet, in UNMITTELBARER Umgebung befänden sich ZAHLREICHE andere Werbetafeln (Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 87/05/0196). Auch in dem zuletzt angeführten Erkenntnis wurde allerdings an der ständigen, schon oben zitierten Rechtsprechung festgehalten, wonach selbst das Vorhandensein einzelner störender Objekte noch nicht dazu führen kann, daß ein weiterer Eingriff in das Ortsbild nicht mehr als störend angesehen werden kann, soweit ein solches noch schutzwürdig vorhanden ist. Im vorliegenden Fall hat niemand das Vorhandensein ZAHLREICHER anderer störender Objekte im Bereich südlich der Verkehrsachse behauptet; sollten sich - mitten im Erholungsgebiet - tatsächlich weitere 75 Laufmeter Werbefläche befinden, so ist eine derartige Störung keineswegs geeignet, die hier gegenständliche Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes hintanzuhalten. Eine derartige Argumentation würde auf eine gewünschte Gleichbehandlung im UNRECHT hinauslaufen.
Überhaupt scheint - trotz einiger Mängel bei der Befundaufnahme - der Charakter der durch die N-Straße gequerten Landschaft als Erholungs- und Grüngebiet unzweifelhaft; die örtlichen Gegebenheiten im Bereich der N-Straße selbst sind durch die Gutachten hinreichend geklärt. Der vom Sachverständigengutachten vom 9. März 1988 hervorgehobene starke Kontrast zwischen dem Siedlungsgebiet nördlich der Mühlkreisautobahn bzw. der Freistädterstraße ("Steg-Dornach und Auhof") zur Grünzone südlich der Autobahn läßt die vom Sachverständigen gezogene Schlußfolgerung, die Plakatwand wirke optisch beeinträchtigend bzw. störend, als durchaus schlüssig erscheinen. Trennend ist eben - wie auch aus dem Stadtplan ersichtlich - die Verkehrsachse; südlich davon befindet sich eine Grünzone, bestehend aus Grünland-Erholungsgebiet und Grünland-landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Diese Grünbereiche durchschneidet die N-Straße, sodaß deren Landschaftscharakter keineswegs mit der Verkehrsachse verglichen werden kann. Auch aufgrund des jedenfalls feststehenden Charakters einer Erholungslandschaft kann die Frage, ob an der Zufahrt zum Pleschinger See (Furtherstraße?) eine 75,00 m lange Plakatwand steht, keine Rolle mehr spielen. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde hätten derartige Tatsachenfeststellungen daher keinen Einfluß auf den gegenständlichen Entfernungsauftrag haben können.
In dem zuletzt ergangenen Erkenntnis vom 16. Juni 1992 hat der Verwaltungsgerichtshof auch die Qualifikation als "störend" dadurch gebilligt, daß Bäume und Sträucher verdeckt werden; im vorliegenden Fall wird ein großer Obstgarten mit dichtem Baumbestand verdeckt, der viel eher der Grünlandschaft entspricht als die beanstandete Plakatfläche.
Von der belangten Behörde wie von den Mitbeteiligten wird auf die Zubringerfunktion der N-Straße hingewiesen. Ob diese Straße eine Zubringerfunktion hat (noch dazu zu einem Naherholungsgebiet) oder nicht, hat aber mit der Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes nichts zu tun.
Die belangte Behörde beanstandet weiters, daß der Gutachter die südliche Umgebung übergangen habe; er hätte im Befund festhalten müssen, wenn der Bereich des Haselbaches und der Heilhamer Au südlich der gegenständlichen Werbetafeln liegen sollte. Die Beschwerdeführerin verweist darauf, daß allgemein gültige Ortsbezeichnungen gewählt worden seien.
Den zusammenhängenden Ausführungen des Gutachtens vom 9. März 1988 ("das vom Gutachter beschriebene Ortsbild südlich der Autobahnkreuzung ... der Bereich des Haselbaches und der Heilhamer Au ist zweifellos ein schützenswertes Gebiet, das sich im starken Kontrast zu den Siedlungsgebieten "Steg-Dornach und Auhof" befindet ....") ist jedenfalls die von der Aufsichtsbehörde als fehlend gerügte Feststellung entnehmbar. Daher kommt es auf die Frage, ob die Situierung der Heilhamer Au "offenkundig" im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG ist, nicht an.
Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz konnte somit ohne wesentlichen Verfahrensvorstoß zum Schluß gelangen, daß das Ortsbild der die Grünzone durchquerenden N-Straße erheblich durch die gegenständlichen Plakatwände gestört ist. Soweit die Aufsichtsbehörde den Vorstellungen der Mitbeteiligten Folge gab und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften den Berufungsbescheid aufhob, hat sie somit ihre Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 sowie III Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild LandschaftsbildEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989050036.X00Im RIS seit
08.02.2002Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008