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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Waldner, über die Beschwerde der WASSERGENOSSENSCHAFT GM in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 2. Dezember 1988, Zl. 410.945/10-I 4/88, betreffend wasserrechtlichen Instandsetzungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 30. April 1986 wurde unter Spruchabschnitt I der Beschwerdeführerin gemäß §§ 99 Abs. 1 lit. k), 50 und 138 Abs. 1 WRG 1959 aufgetragen, folgende Maßnahmen bis 30. September 1986 durchzuführen:
"1.
Im Bereich der ehemaligen F ist die rechte Uferbeschlachtung zu erneuern.
2.
Entlang der M-Bachgasse ist die Uferbeschlachtung des G-Baches bei den Häusern Nr. 10 und 14 zu sanieren.
3.
Der gesamte G-Bach ist zu räumen, insbesondere sind die Ablagerungen unter der Brücke im Zuge der B-Straße zu entfernen.
4.
Die Wasserrechtsbehörde ist von der Bachabkehr zu verständigen."
Die gegen diesen Auftrag gerichtete Berufung wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 2. Dezember 1988 gemäß § 66 AVG 1950 ab, änderte jedoch zugleich den Bescheid des Landeshauptmannes insofern ab, als die Instandsetzungsarbeiten nicht gemäß § 138 Abs. 1 WRG 1959, sondern gemäß § 85 Abs. 2 WRG 1959 aufgetragen wurden; der Beschwerdeführerin wurde ferner gemäß § 77 AVG 1950 für die mündliche Berufungsverhandlung ein Betrag von S 3.900,-- zur Bezahlung vorgeschrieben. Begründend wurden zunächst Stellungnahmen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen der Berufungsbehörde insbesondere zur Frage, ob es sich beim G-Bach um ein natürliches oder künstliches Gewässer handle, wiedergegeben und sodann mit Bezug hierauf und auf das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin ausgeführt:
Die von der Beschwerdeführerin in Zweifel gezogene Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides gründe sich auf § 99 Abs. 1 lit. k) WRG 1959, wonach der Landeshauptmann in erster Instanz für Anlagen zuständig sei, bei denen eine mit der allgemeinen Verwaltung betraute, sonst nach § 98 zuständige Ortsgemeinde als Unternehmer auftrete oder als Partei beteiligt sei. Da die Stadt Salzburg Mitglied des Wasserverbandes G sei und sie daher, wenn auch nicht im gegenständlichen Berufungsverfahren, so doch im erstinstanzlichen Verfahren als Partei geladen worden sei, habe das wasserrechtliche Verfahren zu Recht der Landeshauptmann durchgeführt.
Gemäß § 85 Abs. 2 WRG 1959 könne eine Genossenschaft, die ihre Aufgaben, insbesondere die ordnungsgemäße Instandhaltung ihrer Anlagen vernachlässige, verhalten werden, innerhalb angemessener Frist das Erforderliche zu veranlassen. Diese Vorschrift stelle gegenüber dem wasserpolizeilichen Auftrag gemäß § 138 WRG 1959 eine lex specialis dar und gehe daher der letzteren Bestimmung vor.
Die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Instandhaltung des G-Baches gründe sich sowohl auf § 50 WRG 1959 als auch auf ihre Statuten, die mit Bescheid des Magistrates (richtig: des Bürgermeisters der Stadt) Salzburg vom 4. August 1980 genehmigt worden seien. Nach deren § 1 Pkt. 3 sei Zweck der Genossenschaft die Verwaltung, Instandhaltung und Räumung des G-Baches (ohne lokale Einschränkung). Gemäß § 50 Abs. 1 WRG 1959 hätten die Wasserberechtigten ihre Wasserbenutzungsanlagen einschließlich der dazugehörigen Kanäle und künstlichen Gerinne derart zu erhalten, daß keine Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte stattfinde.
Da aus dem Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen eindeutig hervorgehe, daß der G-Bach ein künstliches Gerinne sei, habe im gegenständlichen Verfahren geprüft werden müssen, ob die Beschwerdeführerin bzw. ihr (letztes) Mitglied - die Firma R - Wasserberechtigte am G-Bach seien. Das der Behörde vorliegende Aktenmaterial zeige, daß die Beschwerdeführerin Wasserberechtigte am F-Wehr sei. Dies leite sich sowohl vom Kollaudierungsbescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 25. Jänner 1979 als auch von dem Umstand her, daß die Beschwerdeführerin die betreffende Anlage schon seit jeher instand gehalten habe. Unbestritten sei, daß die Firma R, als letztes Mitglied der Beschwerdeführerin, eine Wasserkraftanlage (F-Mühle) betreibe und somit Wasserberechtigte am G-Bach sei. Im Sinne der besonderen Rechtsstellung der Wassergenossenschaft als treuhändige Vertreterin ihrer Mitglieder habe die Beschwerdeführerin IM EIGENEN NAMEN die Interessen der Mitglieder wahrzunehmen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1987, Zl. 87/07/0087).
Aus diesen Gründen sei die Beschwerdeführerin zu den aufgetragenen Instandhaltungsarbeiten verpflichtet und die Berufung abzuweisen.
Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten, wobei sich die Beschwerdeführerin nach ihrem ganzen Vorbringen in dem Recht auf Entscheidung durch zuständige Behörden und Unterbleiben des ihr erteilten Auftrages verletzt erachtet.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erwiderte hierauf mit einer Gegenäußerung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin hält wie schon im Berufungsverfahren die Zuständigkeit des Landeshauptmannes als Wasserrechtsbehörde erster Instanz im Beschwerdefall für nicht gegeben. Die belangte Behörde stütze sich auf § 85 Abs. 2 WRG 1959, eine Bestimmung, bei der nur Genossenschaft und Behörde einander gegenüberstünden; es sei auch sonst kein Sachverhalt hervorgekommen, der auf eine Parteistellung der Stadtgemeinde Salzburg im Verfahren - was Voraussetzung für die Anwendung des § 99 Abs. 1 lit. k) WRG 1959 wäre - hindeutete; es könne nicht darauf ankommen, ob im erstinstanzlichen Verfahren "der Magistrat Salzburg" oder die "Stadtgemeinde Salzburg" zu einer Verhandlung geladen oder von ihr verständigt worden sei, sondern allein darauf, ob die Stadtgemeinde Salzburg Parteistellung hatte.
Im angefochtenen Bescheid ist diese Parteistellung - wie oben wiedergegeben - mit der Mitgliedschaft der Stadt Salzburg am Wasserverband G begründet worden, was auch in der Gegenschrift bestätigt wurde; zugleich ist im angefochtenen Bescheid eingeräumt worden, daß die Stadt Salzburg zwar nicht im Berufungsverfahren, jedoch im erstinstanzlichen Verfahren "als Partei geladen" worden sei. Mit dieser Begründung ist jedoch die Parteistellung nicht einsichtig gemacht worden. Denn einerseits vermag weder die "Beiziehung im erstinstanzlichen Verfahren" noch die "Zuziehung zu einer kommissionellen Verhandlung" für sich allein die Parteistellung zu begründen (siehe die Rechtsprechung bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, S. 217), andererseits geht nach Lage der Verwaltungsakten die Beiziehung der Stadt Salzburg zur Verhandlung am 30. August 1982 - zu jener Zeit noch vor der Bezirksverwaltungsbehörde ("Magistrat Salzburg") - auf das Eigentum der Stadt an bestimmten Grundstücken zurück, die sich in einem "Anrainerverzeichnis" finden, wobei zu bemerken ist, daß sich ganz allgemein nur auf die Tatsache der Nachbarschaft die Parteistellung im Wasserrechtsverfahren nicht stützen ließe (siehe dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1979, Zl. 2829/78). Die Anrainer jedoch sollten, wie aus den Akten ersichtlich, ursprünglich selbst zu Instandsetzungsarbeiten am G-Bach herangezogen werden. Die Abtretung des Verfahrensaktes vom ursprünglich einschreitenden Bürgermeister der Stadt Salzburg an den Landeshauptmann erfolgte mit Schreiben vom 21. März 1985 ohne jede Erläuterung ("Der o.a. Verfahrensakt wird zuständigkeitshalber vorgelegt."). Der erstinstanzliche Bescheid vom 30. April 1986 wurde der Stadt Salzburg nicht zugestellt, was konsequenterweise hätte geschehen müssen, wenn die Behörde der Ansicht gewesen wäre, daß jene als Partei zu betrachten sei.
Dazu kommt folgendes: Die belangte Behörde hatte ihre Entscheidung - wobei die Frage, ob diese inhaltlich dem Gesetz entsprach, zunächst dahinstehen muß - zutreffend auf § 85 Abs. 2 (in Verbindung mit § 50) WRG 1959 gestützt. Wie aber der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 19. Jänner 1978, Zl. 867/77, Slg. Nr. 9477/A, ausgeführt hat, handelt es sich bei einem Verfahren nach §§ 50 und 85 Abs. 2 WRG 1959 "ausschließlich um ein Verfahren zwischen der Wasserrechtsbehörde und demjenigen Wasserberechtigten bzw. derjenigen Wassergenossenschaft, die die ordnungsgemäße Instandhaltung ihrer Anlagen vernachlässigt hat. Dritten Personen kommt in einem solchen Verfahren keine Parteistellung zu".
Da der Landeshauptmann gemäß § 99 Abs. 1 lit. k) WRG 1959 - allein auf diese Bestimmung wurde seine vermeinte Zuständigkeit gegründet - in erster Instanz nur "für Anlagen (zuständig ist), bei denen eine mit der allgemeinen Verwaltung betraute, sonst nach § 98 zuständige Ortsgemeinde als Unternehmer auftritt oder als Partei beteiligt ist", muß nach allem Vorgesagten davon ausgegangen werden, daß diese Voraussetzung im vorliegenden Beschwerdefall nicht erfüllt war. Eine Zuständigkeit nach § 99 Abs. 1 lit. h) WRG 1959 ist sachverhaltsbezogen nicht ersichtlich und wurde nicht behauptet (siehe auch das Schreiben des Landeshauptmannes an den "Magistrat Salzburg" vom 28. April 1980). Ein Bescheid ist aus dem Titel seiner inhaltlichen Rechtswidrigkeit aufzuheben, wenn bei seiner Erlassung die Unzuständigkeit der Vorinstanz nicht wahrgenommen wurde (siehe dazu die Rechtsprechung bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 576).
Demnach war auch der im vorliegenden Fall angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das sonstige Beschwerdevorbringen eingegangen werden konnte.
Von der beantragten Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Verfahrensrecht AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989070030.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
03.03.2009