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90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KFG 1967 §109 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in E, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 28. November 1991, Zl. 414.949/1-IV-1/91, betreffend Entziehung der Fahrlehrerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Entziehung der Fahrlehrerberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Gruppen B und F wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen im Betrag von S 10.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 1. September 1967 eine Fahrlehrerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen B, C und F erteilt. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 28. November 1991 wurde ihm diese Berechtigung gemäß § 117 Abs. 1 KFG 1967 entzogen. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 117 Abs. 1 KFG 1967 darf die Berechtigung, als Fahrlehrer an einer Fahrschule praktischen Fahrunterricht zu erteilen, nur Personen erteilt werden, die die im § 109 Abs. 1 lit. b und g angeführten Voraussetzungen erfüllen; § 65 Abs. 1 gilt sinngemäß, jedoch umfaßt die Fahrlehrerberechtigung für die Gruppe C oder D nicht auch die für die Gruppen B, F und G. Die Bestimmungen des § 109 Abs. 3 und des § 116 Abs. 2a, 3, 4 und 6 sind auf Fahrlehrer sinngemäß anzuwenden. Die Fahrlehrerberechtigung ist zu entziehen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr gegeben sind.
Die im § 109 Abs. 1 lit. b und g angeführten Voraussetzungen liegen bei Personen vor, die (lit. b) vertrauenswürdig sind und (lit. g) seit mindestens drei Jahren eine Lenkerberechtigung für die Gruppe von Kraftfahrzeugen besitzen, für die Lenker ausgebildet werden sollen, und glaubhaft machen, daß sie innerhalb der letzten fünf Jahre mindestens drei Jahre lang solche Fahrzeuge tatsächlich gelenkt haben und nicht wegen schwerer Verstöße gegen kraftfahrrechtliche oder straßenpolizeiliche Vorschriften bestraft worden sind.
Nach der von der belangten Behörde als zutreffend übernommenen Begründung des Bescheides der Erstbehörde, des Landeshauptmannes von Niederösterreich, vom 11. Juli 1991 beruht die Entziehung der Fahrlehrerberechtigung des Beschwerdeführers auf der Annahme, dem Beschwerdeführer mangle derzeit die für einen Fahrlehrer nötige geistige und körperliche Eignung. Diese Annahme stützt sich auf das Gutachten eines medizinischen Amtssachverständigen der Erstbehörde vom 26. April 1991. Danach sei der Beschwerdeführer "aufgrund der Vorgeschichte (Gewalttätigkeit gegenüber seinen Familienangehörigen), eines behandlungsbedürftigen psychischen Leidens - durch Facharztgutachten gesichert, wenngleich zur Zeit der Facharztuntersuchung gerade stabilisiert - sowie der beim verkehrspsychologischen Test experimentell erhobenen Leistungsdefizite auf den Gebieten visuelles Auffassungstempo, verlängerte Reaktionszeit und Entscheidungsunsicherheit zum Lenken von Kraftfahrzeugen eines höheren Anforderungeslevels (C, E) und als Fahrlehrer körperlich und geistig derzeit nicht geeignet". Für die geringeren Anforderungen der Lenkerberechtigung der Gruppen A, B und F sei er derzeit bedingt geeignet. Der Sachverständige schlug insoweit die Befristung der Lenkerberechtigung und eine amtsärztliche Nachuntersuchung in einem Jahr vor. Die Wiedererlangung der körperlichen und geistigen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen C und E sei nicht vor Ablauf eines Jahres zu erwarten.
Wie dem Akt der belangten Behörde zu entnehmen ist, wurde daraufhin dem Beschwerdeführer mit rechtskräftigen Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 29. Juli 1991 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen C und E bis zur behördlichen Feststellung der gesundheitlichen Eignung entzogen - dies hat der Beschwerdeführer über hg. Anfrage vom 19. Mai 1992 ausdrücklich bestätigt - und die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, F und G bis zum 26. April 1992 befristet.
Im Hinblick auf die rechtskräftige Entziehung der Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen C und E erweist sich die Beschwerde, soweit sie die Entziehung der Fahrlehrerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe C zum Gegenstand hat, schon aus folgendem Grund als nicht berechtigt:
Aus dem Zusammenhang des § 117 Abs. 1 mit § 109 Abs. 1 lit. g KFG 1967 ist abzuleiten, daß eine Fahrlehrerberechtigung den Besitz der entsprechenden Lenkerberechtigung voraussetzt und daher die Entziehung einer Lenkerberechtigung zwangsläufig die Entziehung der entsprechenden Fahrlehrerberechtigung nach sich zieht. Dafür spricht auch die - wenngleich auf Fahrlehrer nicht anwendbare - vergleichbare Regelung des § 116 Abs. 5 lit a KFG 1967, wonach eine Fahrschullehrerberechtigung zu entziehen ist, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung (wozu auch jene nach § 109 Abs. 1 lit. g gehört) nicht mehr gegeben sind, dies jedoch bei der Entziehung der Lenkerberechtigung wegen eines körperlichen Gebrechens nicht gilt. Der Grund für diese Ausnahme liegt ersichtlich darin, daß ein zur Entziehung der Lenkerberechtigung führendes körperliches Gebrechen, das einem Fahrschullehrer (nur) die Fähigkeit zur Erteilung von praktischem Fahrunterricht nimmt, nicht auch zum Wegfall seiner Fähigkeit, theoretischen Unterricht zu erteilen, führt. Diese Ausnahme kommt bei Fahrlehrern, deren Berechtigung sich auf die Erteilung von praktischem Fahrunterricht beschränkt, von vornherein nicht zum Tragen. Bei ihnen hat daher die Entziehung der Lenkerberechtigung wegen mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausnahmslos zur Entziehung der entsprechenden Fahrlehrerberechtigung zu führen.
Da dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 29. Juli 1991 unter anderem die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe C wegen mangelnder geistiger und körperlicher Eignung rechtskräftig entzogen worden ist, entspricht die Entziehung der Fahrlehrerberechtigung für Kraftfahrzeuge dieser Gruppe dem Gesetz. Die Beschwerde ist daher im Umfang dieses Ausspruches gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid beruht erkennbar auf der Rechtsansicht, die in der Gegenschrift der belangten Behörde auch ausgesprochen wird, daß in Ansehung der geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen "das Anforderungsprofil für Fahrlehrer über jenes von Kraftfahrzeuglenkern hinausgeht", bzw. daß für die Ausübung einer Fahrlehrertätigkeit "die geistige und körperliche Eignung in noch qualifizierterer Form erforderlich ist".
Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Das Kraftfahrgesetz bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Erteilung einer Fahrlehrerberechtigung setze eine andere ("qualifiziertere") geistige und körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen voraus als § 64 Abs. 2 KFG 1967 für die Erteilung einer Lenkerberechtigung. Dementsprechend enthält auch die Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967 keine gesonderten Bestimmungen für die Ermittlung der geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bei Fahrlehrern. Für die Erteilung der Fahrlehrerberechtigung genügt daher jenes Ausmaß der geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, das Voraussetzung für die Erteilung der entsprechenden Lenkerberechtigung ist. Umgekehrt folgt daraus, daß die Fahrlehrerberechtigung für eine bestimmte Gruppe von Kraftfahrzeugen wegen mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung zum Lenken derartiger Kraftfahrzeuge nur dann entzogen werden kann, wenn diese Eignung in dem für die Erteilung der entsprechenden Lenkerberechtigung erforderlichen Ausmaß nicht mehr gegeben ist.
Die unrichtige Rechtsansicht der belangten Behörde hat sich im vorliegenden Fall zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt. Der Amtsarzt der Erstbehörde hat in seinem Gutachten vom 26. April 1991 (in Übereinstimmung mit dem Nachtragsbefund der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 3. April 1991) den Beschwerdeführer im Sinne des § 69 Abs. 1 lit b KFG 1967 als "bedingt geeignet" zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A, B und F bezeichnet und empfohlen, die Lenkerberechtigung insoweit zu befristen. Die Erstbehörde hat sich diesem Gutachten angeschlossen und die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für die genannten Gruppen bis 26. April 1992 befristet. Damit stand die geistige und körperliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A, B und F für die Zeit bis 26. April 1992 bindend fest. Da diese Eignung für die Erteilung einer entsprechenden Fahrlehrerberechtigung genügt, hätte die belangte Behörde die Fahrlehrerberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Gruppen B und F (vorerst) nicht entziehen dürfen.
Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid im Umfang der Entziehung der Fahrlehrerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen B und F gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Ersatz für Stempelgebühren war dem Beschwerdeführer insoweit zuzusprechen, als er solche für zwei Beschwerdeausfertigungen und eine Kopie des angefochtenen Bescheides zu entrichten hatte.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992110032.X00Im RIS seit
19.03.2001