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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art139 Abs6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Schubert sowie die Hofräte Dr Hnatek, Dr Pokorny, Dr Karger und Dr Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr Kirchmayr, über die Beschwerde des Dr W in E, vertreten durch Dr H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat III, vom 27. Mai 1991, Zl 6/71/4-BK/Ma-1991, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1982 bis 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war bis zu seiner Pensionierung am 1. Jänner 1987 Primararzt für Chirurgie. Er ist Eigentümer eines im Jahr 1928 errichteten und seit August 1980 vermieteten Einfamilienhauses. In den Jahren 1980 bis 1982 führte er umfangreiche Renovierungsarbeiten durch, wobei die Kosten in den Jahren 1980 und 1981 zur Gänze, im Jahr 1982 lediglich zu einem geringen Anteil aktiviert worden sind. Die Finanzierung der Arbeiten erfolgte mittels Bankdarlehen.
Für die Jahre 1980 bis 1984 erklärte der Beschwerdeführer Werbungskostenüberschüsse aus dem Einfamilienhaus in einer Gesamthöhe von 1,016.405 S. Im Jahr 1985 ergab sich erstmals auf Grund einer einmaligen Zahlung seitens der Mieterin ein Einnahmenüberschuß in der Höhe von 7.808 S.
Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahre 1982 bis 1985 qualifizierte das Finanzamt - im wiederaufgenommenen Verfahren - die Vermietung durch den Beschwerdeführer als Liebhaberei, weil diese auf Dauer keine Einnahmenüberschüsse erwarten lasse. Dementsprechend wurden die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide berichtigt.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Bescheide Berufung. Die Verluste der Jahre 1980 bis 1984 seien auf Grund der Renovierungsarbeiten entstanden; die Benutzung der Räume sei dadurch teilweise eingeschränkt gewesen. Mit dem Abschluß der Arbeiten im Jahr 1985 habe er einen entsprechend höheren Mietzins verlangen können, sodaß mit jährlichen Einnahmen in der Höhe von 103.500 S zu rechnen sei. Der sich ergebende Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten würde sich darüber hinaus laufend erhöhen, weil mit fortschreitender Laufzeit des zur Finanzierung benötigten Darlehens der Zinsanteil der Annuitätenzahlungen sinken werde.
In weiterer Folge des Ermittlungsverfahrens erstellte die belangte Behörde unter Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers eine Rentabilitätsrechnung für die Jahre 1980 bis 2002 (Beilagen 1 und 2 des angefochtenen Bescheides). Insgesamt ergaben sich für den Zeitraum 1980 bis 1984 Werbungskostenüberschüsse in der Höhe von 1,016.404 S, für den Zeitraum 1985 bis 2002 (ab dem Jahr 1991 prognostizierte) Einnahmenüberschüsse in der Höhe von 1,218.607 S.
Bezugnehmend auf diese Daten wies die belangte Behörde die Berufung ab. Das Mietobjekt, ein Einfamilienhaus, falle unter die Liebhabereivermutung des § 1 Abs 2 Z 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 18. Mai 1990, BGBl Nr 322/1990 (Liebhabereiverordnung). Für eine Widerlegung dieser Vermutung nach § 2 Abs 4 der Verordnung müsse die Tätigkeit einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten erwarten lassen. Da eine Gesamtschau nicht möglich sei, müsse die Eignung einer Tätigkeit, positive Erträgnisse abzuwerfen, in absehbarer Zeit feststehen; als jedenfalls nicht mehr absehbar gelte eine Zeitspanne von 13 bzw 14 Jahren. Die ausschließlich auf den Angaben des Beschwerdeführers beruhende Rentabilitätsrechnung lasse einen Gesamtüberschuß erst nach 20 Jahren erwarten. Insgesamt sei somit die Vermietung durch den Beschwerdeführer als Liebhaberei zu qualifizieren.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Ertragsfähigkeit der Vermietung sei gegeben, weil bereits während der Anlaufphase Einnahmenüberschüsse erzielt worden seien, die in weiterer Folge progressiv ansteigen würden. Daneben sei aus der dem Bescheid beigegebenen Rentabilitätsrechnung ersichtlich, daß innerhalb eines noch überschaubaren Zeitraumes - ab dem Jahr 2002 - ein positives Gesamtergebnis im Sinn des § 3 Liebhabereiverordnung erzielt werde. Die restriktive Auffassung, ein positives Gesamtergebnis müsse bereits nach wenigen Jahren erzielt werden, sei insbesondere bei der Beurteilung langlebiger Wirtschaftsgüter nicht haltbar. Bei einer die reale Nutzungsdauer umfassenden Betrachtungsweise seien im vorliegenden Fall wesentliche Einnahmenüberschüsse erzielbar.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde möge als unbegründet kostenpflichtig abgewiesen werden.
Aus Anlaß dieses Beschwerdefalles stellte der Verwaltungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, die Liebhabereiverordnung hinsichtlich ihres Abschnittes I als gesetzwidrig aufzuheben (V 264/91 des Verfassungsgerichtshofes).
Auf Grund dieses Antrages hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. Dezember 1991, V 53/91-15 ua, in Abschnitt I Liebhabereiverordnung Art I § 1 Abs 3 Z 1 und Art II als gesetzwidrig aufgehoben, den Antrag aber im übrigen abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vom Verwaltungsgerichtshof ist im Beschwerdefall, der Anlaßfall für das erwähnte Normenprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof war, gemäß Art 139 Abs 6 B-VG die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bereinigte Rechtslage anzuwenden. Da mit diesem Erkenntnis die Übergangsbestimmung der Liebhabereiverordnung (Abschnitt I Art II) als gesetzwidrig aufgehoben wurde, wonach Art I auf alle (im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung mit dem ihrer Kundmachung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag, das ist der 23. Juni 1990) noch nicht endgültig rechtskräftig veranlagten Fälle anzuwenden ist, sind für den zeitlichen Anwendungsbereich der Verordnung nun die allgemeinen Grundsätze entscheidend. Nach diesen richtet sich die materiellrechtliche Beurteilung abgabenrechtlich relevanter Sachverhalte, soweit der Gesetzgeber nicht anderes bestimmt, nach dem zur Zeit der Verwirklichung dieses Sachverhaltes geltenden Recht. Änderungen der materiellen Rechtslage kommt daher grundsätzlich rückwirkende Kraft nicht zu. Da im Beschwerdefall die Veranlagung zur Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1982 bis 1985 zu beurteilen ist, scheidet die Anwendung des gesamten Art I Liebhabereiverordnung aus. Der Beschwerdefall ist sohin anhand der vor Inkrafttreten der Liebhabereiverordnung geltenden Rechtslage dahingehend zu prüfen, ob steuerliche Liebhaberei vorliegt (vgl hg Erkenntnis vom 11. März 1992, 92/13/0019).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelten nur Tätigkeiten, die auf Dauer gesehen positive Einkünfte erwarten lassen, als Einkunftsquelle, wobei es in erster Linie auf die objektive Möglichkeit, positive Einkünfte zu erzielen, auf die (subjektive) Einkunftserzielungsabsicht hingegen nur im Zweifel ankommt (vgl nochmals das eben erwähnte hg Erkenntnis).
Ob das wirtschaftliche Engagement des Steuerpflichtigen auf Dauer gesehen positive Einkünfte erwarten läßt, kann mit Sicherheit erst nach Beendigung der Vermietung beurteilt werden. Bei einer Gesamtschau wäre eine Vermietung, bei der hohe Werbungskostenüberschüsse durch Einnahmenüberschüsse folgender Jahre nicht ausgeglichen werden, keine Quelle von Einkünften (vgl hg Erkenntnis vom 14. Mai 1991, 88/14/0167, 0168).
Bei der Beurteilung einer laufenden Tätigkeit kann nur auf die voraussichtliche Entwicklung von Einnahmen und Aufwendungen im Rahmen einer Prognoserechnung abgestellt werden. Da mit fortschreitender Zeit - allein schon im Hinblick auf die wechselnden Geldwertänderungen - Prognoserechnungen immer unsicherer werden, muß die Eignung einer Tätigkeit, positive Ergebnisse abzuwerfen, in absehbarer Zeit feststehen. Als nicht mehr absehbar erscheint eine Zeitspanne von zwölf Jahren (vgl nochmals das zuletzt erwähnte hg Erkenntnis).
Die Vermietung durch den Beschwerdeführer führte in den Jahren 1980 bis 1984 zu Werbungskostenüberschüssen in der Höhe von rund 1,016.000 S. Diesen stehen in der Rentabilitätsrechnung, die ab dem Jahr 1991 als Prognoserechnung anzusehen ist, ausgewiesene Einnahmenüberschüsse in der Höhe von rund 1,219.000 S für den Zeitraum 1985 bis 2002 gegenüber. Ein positiver Gesamtertrag ist erst ab dem Jahr 2001 - somit nach 21 Jahren - zu erwarten. Bei dieser unbestrittenen Sachlage kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Vermietung durch den Beschwerdeführer als Liebhaberei qualifiziert hat.
Das in der Beschwerde angeführte Argument, aus der Vermietung seien bereits in der Anlaufphase positive Ergebnisse erwirtschaftet worden, die in weiterer Folge progressiv ansteigen würden, spielt in Anbetracht der Beurteilung nach dem in absehbarer Zeit zu erzielenden Erfolg keine Rolle. Diese Berechnungsmethode stellt nicht auf das bloße Vorhandensein von Einnahmenüberschüssen, sondern auf deren Relation zu den Anlaufverlusten ab.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992140017.X00Im RIS seit
12.02.2002Zuletzt aktualisiert am
03.02.2009