Index
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1419;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dipl.Ing.Dr. X in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat II, vom 26. Februar 1991, Zl 6/1 - 1266/90-13, betreffend Einkommensteuer 1986, 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Zivilingenieur für Bauwesen; er ermittelte den Gewinn der Streitjahre nach § 4 Abs. 3 EStG 1972. Strittig ist im Beschwerdefall ausschließlich die Frage der periodengerechten Erfassung der Überweisung eines Betrages von S 1,900.000,--, von dem nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides außer Streit steht, daß er am 22. Dezember 1986 an einen Geschäftspartner irrtümlich überwiesen und von diesem am 22. Dezember 1987 wieder rücküberwiesen wurde.
Der Beschwerdeführer ließ diese Geldbewegung bei der Gewinnermittlung der Streitjahre außer Ansatz. Im Zuge einer die Jahre 1985 bis 1987 umfassenden Betriebsprüfung im Unternehmen des Beschwerdeführers wurde diese Vorgangsweise beanstandet und von den Prüfern die Auffassung vertreten, daß sowohl die Ausgaben des Jahres 1986, als auch die Einnahmen des Jahres 1987 um diesen Betrag zu erhöhen seien; in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht sei dementsprechend die auf diese Überweisung entfallende Vorsteuer im Jahre 1986 abzuziehen, der gleiche Betrag im Jahre 1987 als Umsatzsteuer zu entrichten.
Die im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 1986 und 1987 folgten dieser Auffassung. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid aus der Erwägung ab, daß der einmal eingetretene Fluß von Geld und geldwerten Vorteilen mit steuerlicher Wirkung nicht rückgängig gemacht werden könne; Erstattungen und Rückzahlungen blieben auf das in § 19 EStG 1972 normierte Abflußprinzip ohne Auswirkung, einer Berücksichtigung des dem Beschwerdeführer erwachsenen Kondiktionsanspruchs stünde das Wesen der von ihm gewählten Gewinnermittlungsart entgegen.
Gegen diesen Einkommen- und Umsatzsteuer der genannten Jahre betreffenden Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Wiewohl der Beschwerdeführer erklärt, den Bescheid seinem vollen Inhalt nach anzufechten, beschränkt er die Überprüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in der Formulierung des Beschwerdepunktes durch die Erklärung, sich in seinem Recht verletzt zu erachten, daß eine irrtümlich durchgeführte und später wieder rückgängig gemachte Überweisung keine einkommensteuerrechtlichen Folgen mit sich bringe, auf die Beurteilung des angefochtenen Bescheides allein im Umfang seines Abspruchs über die Einkommensteuer der Streitjahre (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, 82/03/0112, Slg. Nr. 11.525/A).
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 erster Satz EStG 1972 Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Soweit die Beschwerdeausführungen der irrtümlichen Überweisung die Eigenschaft als Betriebsausgabe mit dem Fehlen einer betrieblichen Veranlassung abzusprechen versuchen, ist ihnen nicht zu folgen. Dem Begriff des "Veranlassens" in der Bestimmung des § 4 Abs. 4 EStG 1972 ist nämlich nicht bloß die Bedeutung eines bewußten, also gewollten und beabsichtigten Tätigwerdens zu unterstellen; vielmehr können auch ungewollte, sogar unerkannte Ereignisse zu Vermögensminderungen führen, die den steuerlichen Gewinn beeinflussen (vgl. Tanzer, Die Kausalität im Betriebsausgabenbegriff, ÖStZ 1975, 50ff), wie dies spiegelgleich auch für den durch § 15 Abs. 1 EStG 1972 definierten Einnahmenbegriff gilt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. November 1987, 86/14/0201).
Recht hat die Beschwerde mit der Auffassung, es fehle der irrtümlichen Überweisung an der für die Betriebsausgabenqualifikation erforderlichen Minderung im Vermögen des Beschwerdeführers. Der Vermögensabgang muß, um steuerlich beachtet zu werden, im Zeitpunkt des Abgangs ein endgültiger sein, weshalb etwa bei der Darlehenshingabe ebenso wie bei der Pfandbestellung wegen der von Anfang an bestehenden Rückzahlungs(stellungs)ansprüche kein Abfluß, sondern eine bloße Vermögensumschichtung anzunehmen ist (vgl. Taucher, Das Zufluß-Abfluß-Prinzip im Einkommensteuerrecht, Wien 1983, 46, zur Darlehenshingabe ebenso
Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, TZ 67 zu § 4 EStG 1972, Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, TZ 214 zu § 4 EStG 1988).
Den Standpunkt der belangten Behörde, der Berücksichtigung des mit der irrtümlich geleisteten Zahlung entstandenen Rückforderungsanspruches stehe die vom Beschwerdeführer gewählte Gewinnermittlungsart entgegen, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Wohl ist für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1972, von Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich nur die Geldbewegung erfolgswirksam, sodaß Rückzahlungen vorausempfangener Beträge etwa deswegen, weil ein erwarteter Vertrag nicht zustandekam, im Rückzahlungszeitpunkt eine Betriebsausgabe darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1983, 82/14/0076, 0086, 0087). Es ist der auf die Lehrmeinung Tauchers (a.a.O., 53) gestützten Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die steuerliche Berücksichtigung getätigter Ausgaben entsprechend dem Abflußprinzip durch Rückzahlungen keine Einschränkung erfahre, nicht entgegenzutreten. Der Gerichtshof erkennt aber im Falle einer betrieblich veranlaßten rechtsgrundlosen Leistung dem rechtlich im Leistungszeitpunkt entstandenen Rückforderungsanspruch die gleiche, der Leistung die Ausgabeneigenschaft nehmende Wirkung zu, wie sie nach einhelliger Auffassung dem Darlehensrückforderungsanspruch im Verhältnis zur Darlehenshingabe zugebilligt wird (vgl. dazu auch Herrmann - Heuer - Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz19, Kommentar, Anm. 61 zu § 11 EStG). Anders als im Fall einer nachträglichen Rückabwicklung oder Korrektur vertraglicher Leistungsbeziehungen aus den zivilrechtlich eingeräumten Gründen von Vertragsanfechtung oder Leistungsstörung zieht die betrieblich veranlaßte irrtümliche Leistung einer Nichtschuld das gleichzeitige Entstehen des - ebenso betrieblich veranlaßten und daher nach den oben getroffenen Ausführungen von Kenntnis und Willentlichkeit ebenso unabhängigen - Kondiktionsanspruchs nach sich, der es verbietet, in der irrtümlich erbrachten Leistung eine Betriebsausgabe zu sehen. Danach kann aber in der vom Beschwerdeführer eingehaltenen Vorgangsweise, Überweisung und Rücküberweisung des - unbestritten - irrtümlich bezahlten Betrages bei der Gewinnermittlungsart außer Ansatz zu lassen, ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 19 EStG 1972 auch unter dem Aspekt der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1972 nicht erkannt werden.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er im spruchgemäßen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war; die beantragte Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991130084.X00Im RIS seit
01.07.1992