TE Vwgh Beschluss 1992/7/1 92/13/0135

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Veröffentlicht am 01.07.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über den Antrag des P in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Mängelbehebungsfrist in der Beschwerdesache betreffend den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat III, vom 23. November 1988, Zl. 6/1-10603/3/87, hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens und Einkommensteuer 1973 - 1975, Vermögensteuer 1.1.1973, 1974, 1976, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß S 46 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei gemäß § 46 Abs. 1 VwGG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Bei einem gemäß § 34 Abs. 2 VwGG erteilten Mängelbehebungsauftrag wird die Frist zur Verbesserung nicht nur dann versäumt, wenn diesem Auftrag innerhalb der Frist überhaupt nicht, sondern auch dann, wenn ihm - wie im Antragsfall - nur unvollständig (mangelhaft, teilweise) entsprochen wurde (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 1988, 87/07/0049, verstärkter Senat).

Das Versehen eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes stellt dann für die Partei ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis im Sinne der erstangeführten Gesetzesstelle dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht seinem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. Ein Rechtsanwalt verstößt insbesondere dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters eine Fristversäumung auszuschließen geeignet waren. Ein Verschulden trifft den Rechtsanwalt jedoch dann nicht, wenn sich zeigt, daß die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht, ohne daß ein eigenes Verschulden des Rechtsanwaltes hinzugetreten wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1989, 89/17/0085, mit weiteren Hinweisen).

Im vorliegenden Fall erscheint durch die dem Wiedereinsetzungsantrag angeschlossenen Beweismittel - eidesstättige Erklärungen des mit der Einbringung der Beschwerde gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid beauftragten Rechtsanwaltes und. dessen Kanzleibediensteter erwiesen, daß die Vorlage einer weiteren Ausfertigung der ursprünglichen (an den Verfassungsgerichtshof gerichteten) Beschwerde - zusammen mit einem entsprechenden Begleitschreiben - an den Verwaltungsgerichtshof unterlassen worden ist, obgleich der bevollmächtigte Rechtsanwalt ausdrücklich angeordnet hat, sämtliche für die Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages erforderlichen Schriftstücke gemeinsam in der Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtshofes abzugeben.

Bei dieser Sachlage konnte dem vom Antragsteller bevollmächtigten Rechtsanwalt jedenfalls kein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden angelastet werden, sodaß dem Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben war.

W i e n , am 1. Juli 1992

Schlagworte

FristMängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992130135.X00

Im RIS seit

14.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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