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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1422;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Dezember 1990, GZ. GA 7 - 1222/7/90, betreffend Abrechnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In einem an das Finanzamt und an die Finanzprokuratur gerichteten Schreiben vom 15. November 1988 führte Dr. I. aus, er habe in Erfahrung gebracht, daß der Beschwerdeführer an Einkommen- und Umsatzsteuer "für die Jahre 1978 ff" einen Betrag von mindestens S 100.000,-- schulde. Dr. I. nehme gemäß § 1422 ABGB die Einlösung der (im einzelnen bezeichneten) Abgabenforderungen vor. Soferne für die Einlösung ein höherer Betrag als S 100.000,-- erforderlich sein sollte, erbiete er sich zur umgehenden Überweisung des fehlenden Differenzbetrages. Da mit der Zahlung bereits sämtliche Forderungsrechte auf Dr. I. übergingen, begehre er weiters die Ausfolgung sämtlicher Abgabenbescheide, einer Ausfertigung eines den Bestimmungen des § 229 BAO entsprechenden Rückstandsausweises über die eingelösten Abgabenverbindlichkeiten sowie einer der Bestimmung des § 9 EO genügenden Abtretungserklärung.
Mit einem vom Postamt mit 16. November 1988 datierten Erlagschein zahlte Dr. I. einen Betrag von S 100.000,-- an das Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk in Wien ein. Als Zahlungszweck war angeführt: "Einlösezahlung gemäß § 1422 ABGB gemäß der Eingabe vom 15. November 1988 i.S. Stpfl. Dr. H., W für ESt und USt 1978 bis 1985".
Das Finanzamt buchte diesen Betrag zunächst dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers gut. Am 3. Februar 1989 wurde diese Gebarung vom Finanzamt jedoch berichtigt und der Betrag von S 100.000,-- an Dr. I. zurückgezahlt.
Auf einen entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers erließ das Finanzamt am 1. Juni 1990 einen Abrechnungsbescheid, in dem es aussprach, daß die dort näher bezeichneten Abgabenschuldigkeiten durch die von Dr. I. geleistete Einzahlung von S 100.000,-- nicht erloschen seien.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat dabei die Auffassung, daß eine Abgabenschuld durch eine Einlösung iSd § 1422 ABGB nicht getilgt werden kann.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen
inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bestehen zwischen einem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde Meinungsverschiedenheiten, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, so hat die Abgabenbehörde darüber gemäß § 216 BAO auf Antrag zu entscheiden (Abrechnungsbescheid).
Das Erlöschen der Abgabenschuld wird unter anderem durch die Entrichtung der Abgaben bewirkt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juni 1967, Slg. Nr. 3625/F).
Bezüglich der Anwendbarkeit des § 1422 ABGB teilt der Verwaltungsgerichtshof den auf das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1965, 894/64, gestützten und in der Beschwerde auch nicht in Frage gestellten Standpunkt der belangten Behörde, daß eine Abtretung von Abgabenforderungen aus den in diesem Erkenntnis ausführlich dargelegten Gründen nicht in Betracht kommt. Die Abgabenbehörde ist daher im Beschwerdefall zu Recht davon ausgegangen, daß durch die erfolgte Einlösung die Abgabenschuldigkeit nicht entrichtet werden konnte, worauf sie - nach Rückgängigmachung des Buchungsvorganges - den gegenständlichen Betrag an den Einzahler rückzahlte.
Der Beschwerdeführer vertritt nun aber im Hinblick auf die Bestimmung des § 211 Abs. 1 lit. b BAO die Auffassung, daß die Abgabenschuld in Höhe von S 100.000,-- durch die von Dr. I. vorgenommene Einzahlung an sich erloschen ist. Nach dieser Gesetzesstelle gelten Abgaben bei Einzahlung mit Erlagschein an dem Tag entrichtet, der sich aus dem Tagesstempel des Aufgabepostamtes ergibt.
Die Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten ist im
6. Abschnitt der Bundesabgabenordnung unter A. Z. 1 (§§ 210 ff) nicht abschließend geregelt. So sind insbesondere im § 211 Abs. 1 BAO die zulässigen Entrichtungsarten nicht vollständig aufgezählt. Vielmehr beschränkt sich der normative Inhalt dieser Gesetzesstelle - somit auch die vom Beschwerdeführer für seinen Rechtsstandpunkt herangezogene lit. b - darauf, den Zeitpunkt der Entrichtung festzulegen (vgl. Reeger-Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, S. 702, und Stoll, BAO-Handbuch, S. 507). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann aus § 211 Abs. 1 lit. b BAO nicht abgeleitet werden, daß durch den bloß faktischen Vorgang einer Einzahlung mittels Erlagscheines die Entrichtung der Abgabenschuld jedenfalls bewirkt ist.
Ebensowenig hat die Buchung auf dem Abgabenkonto für das Erlöschen der Abgabenschuld eine Rechtswirkung. Denn eine Abgabenschuld erlischt nicht durch Buchung auf dem Abgabenkonto, sondern durch einen gesetzlichen Tilgungstatbestand. Das Finanzamt hat daher eine der Rechtslage nicht entsprechende Buchung von Amts wegen richtigzustellen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1990, 90/14/0038).
Daß die Einzahlung mittels Erlagscheines und der damit übereinstimmende Buchungsvorgang nicht jedenfalls das Erlöschen der Abgabenschuld nach sich zieht, ist auch aus der Bestimmung des § 228 erster Satz BAO ersichtlich. Danach ist § 227 BAO (betreffend Mahnung vollstreckbarer Abgabenschuldigkeiten) unter anderem auf Abgabenschuldigkeiten anzuwenden, die deswegen wiederaufleben, weil eine unrichtige oder nachträglich unrichtig gewordene Verbuchung der Gebarung rückgängig gemacht wird. Da das Gesetz somit ausdrücklich von der Möglichkeit eines Wiederauflebens der Abgabenschuldigkeit und Rückgängigmachung der Gebarung ausgeht, kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers dem bloß faktischen Vorgang der Einzahlung mittels Erlagscheines - dem wie ausgeführt keine zulässige Entrichtungsart zugrunde lag - eine rechtliche Relevanz nicht zukommen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991130046.X00Im RIS seit
01.07.1992Zuletzt aktualisiert am
15.04.2010