Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der I-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 24. Februar 1992, Zl. 314.868/1-III/5/92, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Laut Sprucheinleitung des Bescheides vom 24. Februar 1992 erkannte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über das von der Beschwerdeführerin gemäß § 73 AVG gestellte, am 2. Dezember 1991 beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten eingelangte Verlangen auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über das Ansuchen der Beschwerdeführerin
1.) um Bewilligung der Verlegung des Betriebes des ihr zustehenden Reisebürogewerbes gemäß § 208 Abs. 1 GewO 1973 (Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 15. Februar 1979, Zl. MA 63-I-98/78) vom Standort W, O-Gasse 26, in den Standort W., M-Gasse 1, und
2.) um die Bewilligung der Errichtung von weiteren Betriebsstätten des unter Punkt 1. genannten Gewerbes in den Standorten W., T-Straße 24, W, L-Straße 99, W, J-Straße 11, und W, S-Straße 97,
an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dahin, daß das Verlangen gemäß § 73 Abs. 2 AVG abgewiesen werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit der am 27. Mai 1991 beim Amt der Wiener Landesregierung eingelangten Eingabe habe die Beschwerdeführerin die unter den vorangeführten Punkten 1. und 2. näher bezeichneten Ansuchen um Bewilligung der Verlegung des Betriebes und um Bewilligung weiterer Betriebsstätten für Reisebürogewerbe eingebracht. Diesem Ansuchen sei das Konzessionsdekret der Beschwerdeführerin nicht angeschlossen gewesen; diese Unterlage sei auch bis heute nicht vorgelegt worden. Des weiteren wurde unter Bezugnahme auf § 73 Abs. 1 und 2 AVG ausgeführt, da die Ansuchen am 27. Mai 1991 bei der zuständigen Behörde eingebracht worden seien, sei die 6-Monate-Frist am 2. Dezember 1991, dem Tag der Einbringung des Verlangens gemäß § 73 AVG, bereits abgelaufen gewesen. Gemäß § 341 Abs. 4 GewO 1973 sei das Ansuchen um die Ausübung eines konzessionierten Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte (§ 46 Abs. 4) oder zur Verlegung des Betriebes (§ 49 Abs. 2) bei der Behörde einzubringen, die zur Erteilung der betreffenden Konzession in dem Standort, in dem die weitere Betriebsstätte errichtet oder in den der Betrieb verlegt werden soll, zuständig wäre. Diesem Ansuchen sei das Konzessionsdekret anzuschließen (§ 341 Abs. 4). Das Fehlen von Beilagen, deren Beischaffung der Partei aus Eigeninitiative möglich sei, gehöre zu den nach § 13 Abs. 3 zu behebenden Formgebrechen. Beim Konzessionsdekret handle es sich um eine derartige Beilage. Die Ansuchen vom 27. Mai 1991 seien daher mit einem Formgebrechen gemäß § 13 AVG behaftet gewesen. Ob in der Unterlassung eines Auftrages nach § 13 AVG zur Behebung eines Formgebrechens - nach der Aktenlage liege ein solcher Auftrag nicht vor - ein Verschulden der Behörde zu erblicken sei, könne dahingestellt bleiben, da es gemäß § 73 Abs. 2 AVG allein auf die Frage ankomme, ob die Verzögerung der Erledigung ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen sei. Davon könne jedoch "trotz eines Bejahens des ausschließlichen Verschuldens seitens des Amtes der Wiener Landesregierung" nicht gesprochen werden, weil der Erlassung des Bescheides innerhalb der im § 73 Abs. 1 AVG bezeichneten Frist der Umstand entgegenstehe, daß das von der Partei eingebrachte Ansuchen mit einem Formgebrechen behaftet sei. Die Verzögerung der Entscheidung sei daher nicht auf ein ausschließliches Verschulden der Behörde zurückzuführen, sodaß spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ihrem Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Sachentscheidung durch die belangte Behörde (§ 73 Abs. 2 AVG) verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, sie habe am 27. Mai 1991 - soweit hier von Bedeutung - u. a. die Bewilligung weiterer Betriebsstätten (§ 46 Abs. 4 GewO 1973) und die Standortverlegung (§ 49 Abs. 2 GewO 1973) ihres Reisebürogewerbes beantragt. Diesem Ansuchen sei das Konzessionsdekret nicht angeschlossen gewesen, weil für die weiteren Betriebsstätten und den verlegten Standort dieselbe Behörde (§ 341 Abs. 4 GewO 1973) zuständig sei, welche auch die Konzession für den Hauptbetrieb am bisherigen Standort erteilt habe. Da dieses Ansuchen keine weitere Erledigung erfahren habe, habe sie nach Ablauf der Frist des § 73 AVG am 2. Dezember 1991 den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde schon zur pflichtgemäßen Abwendung ihr daraus allenfalls drohender Nachteile gestellt. Der angefochtene Bescheid sei deshalb inhaltlich rechtswidrig, da die Anordnung des § 341 Abs. 4 GewO 1973, daß "diesem Ansuchen das Konzessionsdekret anzuschließen ist", nämlich (nur) dem Zweck diene, der zuständigen Behörde (der weiteren Betriebsstätte/des neuen Standortes) einen vollständigen Überblick über die bestehende Gewerberechtslage zu verschaffen, ebenso wie über die künftig angestrebte, durch sinngemäße Anwendung des § 339 Abs. 2 erster Satz GewO 1973 (Gewerbebezeichnung und Standortangabe). Dabei sei der Gesetzgeber ersichtlich davon ausgegangen, daß für diese Ansuchen (weitere Betriebsstätte bzw. neuer Standort) eine andere Behörde zuständig sei, als für die bisherige Stammgewerbeberechtigung (§ 341 Abs. 4 erster Satz GewO 1973). Anders ergäbe die Verpflichtung ersterer zur Verständigung letzterer (§ 341 Abs. 4 letzter Satz GewO 1973) nämlich keinen Sinn. Für den Fall, daß für den Hauptbetrieb am bisherigen Standort dieselbe Behörde zuständig sei, wie für die weiteren Betriebsstätten und den künftigen Standort - wie im Beschwerdefall -, bedürfe das Erfordernis zum Anschluß des Konzessionsdekretes (§ 341 Abs. 4 mittlerer Satz GewO 1973) daher einer teleologischen Reduktion dahin, daß auch für die bestehende Berechtigung die bloße Angabe ("vgl. § 399 Abs. 2 Satz 1 GewO 1973") genüge. Die Tatsachen, die bei der Behörde selbst offenkundig seien, bedürften keines Beweises (§ 45 Abs. 1 AVG) und keiner weiteren Mitwirkung zu deren Ermittlung. Diesem Erfordernis habe aber die Beschwerdeführerin unter Angabe der Aktenzahl der angerufenen Behörde und der Registerzahl des Konzessionsdekretes schon mit dem Rubrum ihrer Eingabe vom 27. Mai 1991 entsprochen. Der Nichtanschluß des Konzessionsdekretes sei daher bei richtiger - insbesondere verwaltungsökonomischer - Gesetzesauslegung ebenso kein Formmangel (§ 13 Abs. 3 AVG) gewesen, wie das voraussichtliche Unterbleiben einer Verständigung der Behörde "ihrerselbst" (§ 341 Abs. 4 letzter Satz GewO 1973). Das "Amt der Wr.LReg."
habe daher zu Recht auch keinen Auftrag zur Behebung eines solchen erlassen. Die Beschaffung dieser Beilagen wäre ihr zwar möglich gewesen, sei aber der fristgerechten Bescheiderlassung nicht im Wege gestanden, worauf es - nach den insoweit zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde - aber ausschließlich ankomme. Die notwendigen Voraussetzungen seien insoweit offenkundig, die Urkunde selbst werde nicht für den Bescheid der Konzessionsbehörde sondern erst auf Grund desselben von der Bezirksverwaltungsbehörde benötigt (§§ 343 Abs. 4, 340 Abs. 5 GewO 1973). Da der Nichtanschluß des Konzessionsdekretes im vorliegenden Fall somit kein der Bescheiderlassung im Wege stehendes Formgebrechen gewesen sei, und unüberwindliche Hindernisse nicht hervorgekommen seien, sei das von der belangten Behörde ohnedies zutreffend bejahte "ausschließliche Verschulden seitens des Amtes der Wiener Landesregierung" daher ausschließlich für die Verzögerung der Entscheidung ursächlich.
Die belangte Behörde führte zur Beschwerde in ihrer Gegenschrift u.a. aus, ihrer Rechtsmeinung nach sei eine teleologische Interpretation einer Norm immer nur dann zulässig, wenn der Wortlaut einer Norm den Willen des Gesetzgebers nicht eindeutig erkennen lasse. Der Wortlaut der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Normen (§ 341 Abs. 4 GewO 1973) sei aber eindeutig. In diesem Zusammenhang sei es insbesondere auch ohne Relevanz, welche Rechtsansicht die Landesinstanz zu dieser Frage habe. Im übrigen werde bemerkt, daß die Vorlage des Konzessionsdekretes auch in den Fällen der gegenständlichen Art, wenn also für die Konzessionserteilung und für die Bewilligung zur Ausübung des konzessionierten Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte oder zur Verlegung des Betriebes dieselbe Behörde zuständig sei, u.a. offensichtlich den Sinn habe, der Behörde durch Vorlage des Konzessionsdekretes Feststellungen über Bestand oder Nichtbestand der Konzession zu erleichtern.
Das Vorbringen der Beschwerde ist nicht geeignet, diese zum Erfolg zu führen.
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, den Bescheid zu erlassen. Nach Abs. 2 geht, wenn der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt wird, auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Verzögerung der Entscheidung im Sinne des § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn diese Verzögerung weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde. Wenn einem Ansuchen die vom Gesetz verlangten Unterlagen nicht angeschlossen wurden, so bedeutet dies, daß das Gesuch nicht ordnungsgemäß belegt war. Auch dann, wenn die Behörde keinen Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG erteilt hat, kann in einem solchen Fall von einem Alleinverschulden der Behörde im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG nicht ausgegangen werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1992, Zl. 91/04/0125, und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung).
Entsprechend der Anordnung des § 341 Abs. 4 GewO 1973 ist das Ansuchen um die besondere Bewilligung zur Ausübung eines konzessionierten Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte (§ 46 Abs. 4) oder zur Verlegung des Betriebes (§ 49 Abs. 2) bei der Behörde einzubringen, die zur Erteilung der betreffenden Konzession in dem Standort, in dem die weitere Betriebsstätte errichtet oder in den der Betrieb verlegt werden soll, zuständig wäre. Dem betreffenden Ansuchen ist nach dem zweiten Satz des § 341 Abs. 4 GewO 1973 das Konzessionsdekret anzuschließen.
Der Nichtanschluß des Konzessionsdekretes im Sinne des § 341 Abs. 4 zweiter Satz GewO 1973 stellt einen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG verbesserungsfähigen Formmangel dar (vgl. hiezu sinngemäß die Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, Zlen. 87/04/0101, 0102).
Ausgehend vom eindeutigen und zu keinem Zweifel Anlaß gebenden Wortlaut des § 341 Abs. 4 GewO 1973, der zudem keinen überschießenden Inhalt erkennen läßt und daher schon aus diesem Grund einer teleologischen Reduktion im Sinne der dargestellten Beschwerdeannahme für den Fall einer Identität der zur Bewilligung der in Rede stehenden Ansuchen zuständigen Behörde mit der Konzessionsbewilligungsbehörde nicht zugänglich ist, vermag der Verwaltungsgerichtshof aber keine rechtswidrige Gesetzesanwendung der belangten Behörde in dem Umstand zu erblicken, daß diese auch im Beschwerdefall vom Erfordernis des Anschlusses des Konzessionsdekretes nach der vorzitierten Gesetzesstelle ausging. Einer derartigen Überlegung entsprechen aber im Sinne der diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift durchaus auch verfahrensökonomische Erwägungen in Ansehung der über ein Ansuchen nach § 341 Abs. 4 GewO 1973 zu treffenden Entscheidung.
Unter weiterer Bedachtnahme auf die nicht im Widerspruch zur vordargestellten Rechtslage stehenden Annahme der belangten Behörde über die Nichterfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 73 AVG für einen Übergang der Entscheidungspflicht zufolge Nichtanschlusses des Konzessionsdekretes erweist sich daher die vorliegende Beschwerde im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Formgebrechen behebbare Pflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages Manuduktionspflicht Verhältnis zu §73 Abs2 letzter Satz AVG Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992040063.X00Im RIS seit
27.11.2000