TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/2 88/04/0057

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Veröffentlicht am 02.07.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §366 Abs1 Z4 idF 1988/399;
GewO 1973 §366 Abs1 Z4;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2;
GewO 1973 §81 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 29. Dezember 1987, Zl. IIa-19.221/4, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 15. Juni 1987 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als verantwortlicher gewerberechtlicher Geschäftsführer der Y-GesmbH (§ 370 Abs. 2 GewO 1973) zu verantworten, daß der Baumarkt in X, welcher mit den Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft vom 28. Mai 1984 und vom 18. Dezember 1984 gewerbebehördlich genehmigt wurde, in der Zeit vom 8. September 1986 bis 17. März 1987 in erweitertem Umfang betrieben worden sei, obwohl hiefür keine rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung nach § 81 GewO 1973 vorgelegen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 81 und § 370 GewO 1973 begangen. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 6.000,-- (Ersatzarreststrafe 6 Tage) verhängt. Die vom Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 29. Dezember 1987 als unbegründet abgewiesen, der Spruch jedoch wie folgt abgeändert:

"Der Beschuldigte N in K, W-Straße 92, hat es als verantwortlicher gewerberechtlicher Geschäftsführer der Y-GesmbH im Sinne des § 370 Abs. 2 Gewerbeordnung 1973 durch mangelnde Kontrolle seiner Mitarbeiter zu verantworten, daß der Baumarkt der Y-GesmbH in X, welcher mit den Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft vom 28. 5. 1984 und vom 18. 12. 1984 rechtskräftig genehmigt worden war, in der Zeit vom 8. 9. 1986 bis 17. 3. 1987 durch Vergrößerung der Verkaufsfläche um ca. 500 m2 und der Lagerfläche um ca. 200 m2 im erweiterten Umfang betrieben wurde, obwohl der hiefür erlassene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 24. 1. 1986, Zl. III-759/85, infolge der Berufung der Y-GesmbH nicht in Rechtskraft erwachsen war und zumindest die Auflage Punkt 2. dieses Bescheides - die Ablieferung aller im Baumarkt verkauften Waren dürfte nur an der Westseite der Anlage erfolgen - nicht eingehalten wurde und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit §§ 78, 81 und 370 Gewerbeordnung 1973 begangen."

Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer als gewerberechtlicher Geschäftsführer hätte wissen müssen, daß von der noch nicht rechtskräftigen Genehmigung der Bezirkshauptmannschaft vom 24. Jänner 1986 nur dann Gebrauch gemacht werden könnte, wenn die Auflagen dieses Bescheides eingehalten würden. Diesbezüglich werde auf die Bestimmung des § 78 GewO 1973 verwiesen, laut der die Anlagen oder Teile von Anlagen, für die im Genehmigungsbescheid keine Betriebsbewilligung vorgeschrieben ist, vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden dürfen, wenn nur der Genehmigungswerber gegen den Genehmigungsbescheid berufen hat und die Auflagen des Genehmigungsbescheides bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. Daß die Auflage Punkt 2. angeblich nicht einhaltbar sei, habe die Konsenswerberin immer behauptet. Sie werde also nicht bestreiten können, daß diese Auflage nicht eingehalten worden sei und damit gegen die Bestimmung des § 366 Abs. 1 Z. 4, § 78 Abs. 1 und § 81 GewO 1973 verstoßen worden sei.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluß vom 14. März 1988 abgelehnt und die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen nach in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht einer Verwaltungsübertretung schuldig befunden und hiefür bestraft zu werden. Der Beschwerdeführer bringt in Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, es sei zu bemerken, daß die Erweiterung der Betriebsanlage lediglich in einem geringfügigen Ausmaß erfolgt sei, sodaß die Bestimmung des § 81 GewO 1973 schon deswegen keine Anwendung finden könne, weil die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 28. Mai 1984 genehmigte Anlage nicht so weit geändert worden sei, daß sich neue Gefährdungen, Belästigungen oder Beeinträchtigungen ergeben könnten. Die mit Bescheid vom 24. Jänner 1986 ausgesprochene Auflage, die Ablieferung aller im Y verkauften Waren dürfe nur an der Westseite der Anlage erfolgen, sei technisch gar nicht möglich. Die Ausgangstüre an der Westseite sei ca. 1,80 m breit und ca. 2,10 m hoch. Vor dieser Haustür befinde sich eine Ausgangsrampe, welche zwischen dem Niveau der Verkaufsfläche und dem des Parkplatzes einen Höhenunterschied von ca. 1,10 m zu überwinden habe und direkt auf den Parkplatz führe. Daraus folge, daß der Abtransport sperriger und schwerer Baustoffe durch diesen Ausgang unmöglich sei. Die belangte Behörde stütze sich nunmehr auf Feststellungen über die Genehmigungspflicht des Baumarktes, die im Bescheid vom 16. April 1987 getroffen worden seien und verweise darauf, daß dieser Bescheid des Landeshauptmannes in Rechtskraft erwachsen sei. Keinesfalls könne jedoch daraus abgeleitet werden, daß der Beschwerdeführer seit der Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 17. Juni 1986 über die Notwendigkeit einer rechtskräftigen Genehmigung nach § 81 GewO 1973 für den Fall des Betriebes des Marktes Bescheid gewußt hätte. In diesem Zusammenhang gebe die belangte Behörde selbst zu, daß die Genehmigung der Bezirkshauptmannschaft vom 24. Jänner 1986 noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Die Behörde lasse völlig unberücksichtigt, daß die Nichteinhaltung einer undurchführbaren Auflage nicht rechtswidrig sei. Die abschließende Beurteilung dieses Sachverhaltes und die damit verbundene Erledigung durch Erlassung eines entsprechenden Bescheides hätte daher unbedingt zur Voraussetzung gehabt, daß das bei der Bezirkshauptmannschaft anhängige Genehmigungsverfahren rechtskräftig beendet sei.

Die Beschwerde ist im Ergebnis schon insofern begründet, als gerügt wird, daß die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 28. Mai 1984 genehmigte Anlage nicht soweit geändert worden sei, daß sich neue Gefährdungen, Belästigungen oder Beeinträchtigungen ergeben könnten.

Die belangte Behörde ging bei der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat davon aus, daß der näher bezeichnete Baumarkt (gegenüber der erteilten Genehmigung) "durch Vergrößerung der Verkaufsfläche um ca. 500 m2 und der Lagerfläche um ca. 200 m2 im erweiterten Umfang betrieben wurde". Als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, wird im Spruch § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 bezeichnet.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 in der hier anzuwendenden Fassung vor Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu sechs Wochen zu ahnden ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach Änderung betreibt (§ 81).

Wird eine genehmigte Anlage so geändert, daß sich neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 ergeben können, so bedarf nach § 81 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 auch die Änderung der Anlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.

Gemäß § 44a lit. a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Um den Erfordernissen der zuletzt genannten Gesetzesstelle zu entsprechen, hat der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich ist und die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. N.F. Nr. 11466/A).

Nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut der Bestimmung des § 81 Abs. 1 GewO 1973 bedarf nicht jede Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung, sondern nur eine solche, die geeignet ist, die im § 74 Abs. 2 leg. cit. umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen. Ein Schuldspruch nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 muß daher, um das Erfordernis des § 44a lit. a VStG zu erfüllen, auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahin zulassen, ob die vorgenommene Änderung der Betriebsanlage die im § 74 Abs. 2 GewO 1973 genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 1991, Zl. 91/04/0167). Ein derartiger Hinweis ist dem Spruch des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen. Derartiges kann insbesondere auch nicht aus dem Hinweis auf den (nicht rechtskräftigen) Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 24. Jänner 1986 abgeleitet werden (vgl. im übrigen auch das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1991, Zl. 90/04/0211).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den - im Hinblick auf die gesetzliche Kostenpauschalierung nicht zuzuerkennenden - für Umsatzsteuer geltend gemachten Betrag.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Mängel im Spruch Fehlen von wesentlichen Tatbestandsmerkmalen Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung) Tatvorwurf Beschreibung des in der Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988040057.X00

Im RIS seit

02.07.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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