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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art138 Abs1 lita Nö JagdG 1974 §108 Nö JagdG 1974 §121Leitsatz
Verneinender Kompetenzkonflikt zwischen Gericht und Verwaltungsbehörde; Feststellung der Zuständigkeit der Jagd- und Wildschadenskommission zur Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz eines Wildschadens in Ermangelung eines verfahrensbeendenden VergleichsSpruch
Zur Entscheidung über das Begehren des F B auf Ersatz eines im Jahr 1984 entstandenen Wildschadens durch die Firma S & Co. KG in der Höhe von 9055,87 S sind die Jagd- und Wildschadensbehörden zuständig.
Der entgegenstehende Bescheid der Landeskommission für Jagdund Wildschäden beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. Juni 1989, Zl. VI/4-J-148, wird aufgehoben.
Das Bundesland Niederösterreich ist schuldig, der antragstellenden Partei F B die Kosten dieses Rechtsstreites im Betrag von 15.000 S binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Am 29. Mai 1984 meldete F B bei der Jagd- und Wildschadenskommission der Marktgemeinde Fels am Wagram (Niederösterreich) einen Anspruch auf Ersatz eines Wildschadens durch die Jagdausübungsberechtigte Firma S & Co. KG an. In der darüber abgeführten Kommissionsverhandlung vom 5. Juni 1984 wurde folgender "Vergleich" protokolliert:
"Der Jagdausübungsberechtigte, vertreten durch ÖKR H S, in Thürnthal verpflichtet sich, dem Geschädigten F B in Engelmannsbrunn 12 für den . . . verursachten Jagd-Wildschaden folgenden Ersatz zu leisten: Sollte der Ertrag durch Wildschaden geringer sein als der Stationsdurchschnitt, erklärt sich der Jagdausübungsberechtigte bereit, die Differenz bzw. den Schaden zu ersetzen. Die Ersatzleistung hat bis zum 1. März 1985 zu erfolgen."
1.2.1. F B brachte am 5. Dezember 1985 beim Bezirksgericht Kirchberg am Wagram zum AZ C 211/85 eine Klage gegen die H S & Co. KG auf Zahlung eines Betrages von 10113,97 S samt Zinsen - aus dem Titel Wildschadenszufügung - ein.
1.2.2. Das Bezirksgericht Kirchberg am Wagram gab mit Urteil vom 18. März 1986, GZ C 211/85-9, der Klage insoweit statt, als es die beklagte Partei zur Zahlung eines Betrages von 9055,87 S samt Zinsen und Verfahrenskosten verpflichtete.
1.2.3.1. Beendet wurde dieser Rechtsstreit mit dem im Instanzenzug ergangenen Beschluß des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau vom 8. Juni 1986, AZ 1 b R 186/86, womit die Klage, soweit sie die Zahlung eines Betrages von 9055,87 S samt Zinsen begehrte, (als unzulässig) zurückgewiesen wurde.
1.2.3.2. Begründend wurde ua. ausgeführt:
"Im vorliegenden Fall haben sich die Kläger nicht auf
'besondere Vereinbarungen' iSd §108 Abs1 bzw. des §124 NÖ JG
berufen, vielmehr auf einen am 5. Juni 1984 vor der Jagd- und
Wildschadenskommission der Marktgemeinde Fels am Wagram
abgeschlossenen Vergleich. . .
Dieser Vergleich stellt keine 'besondere Vereinbarung' iSd
. . . zitierten Gesetzesstellen dar, er ist vielmehr das Ergebnis
des verwaltungsbehördlichen Verfahrens vor der Jagd- und
Wildschadenskommission . . . Ein derartiges Ergebnis ist im NÖ JG
vorgesehen, bestimmt doch dessen §114 Abs3, daß nach erfolgter
Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes der Obmann (der Jagdund
Wildschadenskommission) einen auch die Kosten des Verfahrens
einschließenden Vergleich zu versuchen hat. Der . . . Kläger (F B)
und die beklagte Partei haben mit diesem vor der zuständigen
Verwaltungsbehörde abgeschlossenen Vergleich den Schadenersatz dem
Grunde nach verglichen und darüberhinaus hinsichtlich der Berechnung
der Höhe eine Einigung insoweit erzielt, als sich der
Jagdausübungsberechtigte bereit erklärt hat, die Differenz zwischen
dem gegenüber dem Stationsdurchschnitt allenfalls geringeren Ertrag
zu ersetzen. Das NÖ JG sieht keineswegs vor, daß Streitigkeiten über
die Höhe des Ersatzes des Wildschadens, die aus einem solchen vor
der Jagd- und Wildschadenskommission abgeschlossenen Vergleich
entstehen, von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden sind. §115
Abs1 NÖ JG bestimmt, daß der Geschädigte in jenen Fällen, in denen
nach dem Ausspruch der Kommission zur richtigen Schadensschätzung
die Erntezeit abgewartet werden muß, rechtzeitig um die Vornahme
einer neuerlichen Verhandlung noch vor Beginn der Ernte anzusuchen
hat. Um einen solchen Fall handelt es sich hier: Da der Vergleich
vor der Jagd- und Wildschadenskommission für die Marktgemeinde Fels
am Wagram am 5. Juni 1984 abgeschlossen worden ist, konnte die
tatsächliche Höhe des Schadens bei der Ernte 1984 noch nicht
festgestellt werden, wie sich aus dem Wortlaut des Vergleiches
ergibt, sodaß die Erntezeit abzuwarten war. Es schadet nicht, daß
§115 Abs1 NÖ JG auf den Ausspruch der Kommission über das Abwarten
der Erntezeit abstellt, da für einen anstelle eines Ausspruches der
Jagd- und Wildschadenskommission tretenden Vergleich nichts anderes
gelten kann. Für die Festsetzung der Schadenshöhe ist daher nach wie
vor die Jagd- und Wildschadenskommission der Marktgemeinde Fels am
Wagram zuständig, durch den mehrfach erwähnten Vergleich konnte die
Sache nicht von der Verwaltungsbehörde in die Zuständigkeit der
ordentlichen Gerichte übergeleitet werden. . .
Aus all dem ergibt sich, daß der Rechtsweg zur Geltendmachung
des vorliegenden Wildschadens unzulässig ist. . . "
1.3.1. Daraufhin beantragte F B mit Schreiben vom 29. Oktober 1986, die Jagd- und Wildschadenskommission der Marktgemeinde Fels am Wagram möge den ihm (im Frühjahr 1984) entstandenen Wildschaden mit 9055,87 S festsetzen und der H S & Co. KG eine Ersatzleistung in dieser Höhe auftragen.
1.3.2.1. In Stattgebung dieses Antrags wurde die Firma S & Co. KG mit Bescheid der Jagd- und Wildschadenskommission für die Marktgemeinde Fels am Wagram vom 5. März 1987, ohne Zl., zum Ersatz des dem Antragsteller (auf den Grundstücken Nr. 863 und 864 der Katastralgemeinde Thürnthal) entstandenen Wildschadens in der Höhe von 9055,87 S verpflichtet.
Gegen diesen Bescheid ergriff die Firma H S & Co. KG Berufung, der die Oberkommission für Jagd- und Wildschäden am Sitz der Bezirkshauptmannschaft Tulln mit Bescheid vom 28. Dezember 1988, Zl. 9-J-879/5, Folge gab, indem sie das Begehren des F B- dessen Ersatzanspruch als erloschen betrachtet wurde - zur Gänze abwies.
Über Berufung des F B gegen diesen Bescheid der Oberkommission änderte die Landeskommission für Jagd- und Wildschäden beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung (§120a NÖ Jagdgesetz 1974 (NÖ JG) idF der 4. Novelle, LGBl. 6500-7) den angefochtenen Verwaltungsakt mit Bescheid vom 16. Juni 1989, Zl. VI/4-J-148, dahin ab, daß sie das Ersatzleistungsbegehren (als unzulässig) zurückwies.
1.3.2.2. Zur Begründung legte die Landeskommission ua. dar:
"Aus der Niederschrift der Jagd- und Wildschadenskommission für die Marktgemeinde Fels am Wagram vom 5. Juni 1986 geht . . . hervor, daß der Vertreter der Jagdausübungsberechtigten und der Geschädigte einen Vergleich abgeschlossen haben.
Eine Entscheidung der Kommission, daß zur richtigen Schadensschätzung die Erntezeit abgewartet werden muß und der Geschädigte bei sonstigem Erlöschen des Anspruches auf Entschädigung rechtzeitig die Vornahme einer zweiten Verhandlung noch vor Beginn der Ernte zu beantragen hat, wurde nicht getroffen.
. . .
Es kann daher davon ausgegangen werden, daß das Verfahren mit einem Vergleich (Vereinbarung) abgeschlossen wurde. So betrachtet muß der in der Berufung angeführte Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als nicht schlüssig angesehen werden.
Gemäß §108 Abs1 des NÖ JG sind Ansprüche aus besonderen Vereinbarungen im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen. Dies bedeutet, daß nach Abschluß einer besonderen Vereinbarung die Geltendmachung von Ersatzansprüchen in Wildschadensangelegenheiten im Verwaltungswege nicht mehr zulässig ist . . . "
1.4. Unter Hinweis auf diesen Sachverhalt stellte F B nunmehr beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes (§46 Abs1 VerfGG 1953).
Das Kreisgericht Krems an der Donau verteidigte in einer schriftlichen Äußerung seine schon im Beschluß vom 8. Juni 1986, AZ 1b R 186/86, verfochtene Rechtsmeinung; desgleichen hielt die Landeskommission für Jagd- und Wildschäden beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung in einer schriftlichen Stellungnahme an ihrer dem Bescheid vom 16. Juni 1989, Zl. VI/4-J-148, zugrundeliegenden Rechtsauffassung fest.
2.1. Der Antrag ist zulässig.
Gemäß Art138 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden. Im vorliegenden Fall lehnte das Kreisgericht Krems an der Donau die gerichtliche Zuständigkeit wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges ab, die angerufene Landeskommission für Jagd- und Wildschäden beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung verneinte die Zuständigkeit der Jagd- und Wildschadensbehörden. Da die Unzuständigkeitserklärungen des Gerichtes und der Verwaltungsbehörde dasselbe Begehren betreffen, handelt es sich also um einen verneinenden Kompetenzkonflikt, der vor dem Verfassungsgerichtshof auszutragen ist (vgl. VfSlg. 8065/1977).
2.2. Zur Entscheidung über das geltend gemachte Begehren sind die Jagd- und Wildschadensbehörden zuständig.
2.2.1. §108 NÖ JG (über die Jagd- und Wildschadenskommission) unterscheidet unmißverständlich zwischen Ansprüchen (auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden) "aus besonderen Vereinbarungen", die im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen sind (Abs1), und "anderen", also nicht aus solchen "besonderen Vereinbarungen" abgeleiteten Ansprüchen dieser Art, über welche die (in jeder Gemeinde einzurichtende) Jagd- und Wildschadenskommission befindet; es sei denn, daß (zwischen dem Geschädigten und dem Jagdausübungsberechtigten) ein "Vergleich" über den Schadenersatz zustandekommt (Abs2). Ein derartiger Vergleich iSd §108 Abs2 NÖ JG, der kraft §121 NÖ JG einen Exekutionstitel iSd §1 (Z15) EO bildet, hat insoweit, als sich die Parteien über den Streitgegenstand einigen, prozeßbeendende Wirkung (vgl. Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts, Wien 1984, Rz 1357); er muß so bestimmt formuliert sein, daß er den Voraussetzungen des §7 Abs1 EO genügt (Fasching, aaO, Rz 1354). Dies trifft hier auf den im Verfahren vor der Jagd- und Wildschadenskommission geschlossenen "Vergleich" vom 5. Juni 1984 aber nicht zu. Denn er ist - ganz offenkundig - nicht bestimmt genug abgefaßt, weil ihm weder die Art noch der Umfang der geschuldeten Leistung mit zureichender Gewißheit entnommen werden kann (§7 Abs1 EO). Sollte es sich hier um eine Geldforderung handeln, müßte der geschuldete Betrag nämlich ziffernmäßig angegeben sein; mögliche Bestimmbarkeit allein genügt nicht (Angst-Jakusch-Pimmer, Die Exekutionsordnung, 12. Aufl., Wien 1989, E31, 32 zu §7).
2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof pflichtet daher im Ergebnis dem Kreisgericht Krems an der Donau bei, wenn es ausführt, daß die Zuständigkeit der Jagd- und Wildschadensbehörden zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch (der Höhe nach) - in Ermangelung eines insoweit verfahrensbeendenden und damit die Entscheidungspflicht der Verwaltungsinstanzen aufhebenden Vergleichs iSd §§108, 121 NÖ JG - unverändert fortdauert. Für einen Übergang der Entscheidungszuständigkeit an die Gerichte bietet die hier maßgebende Bestimmung des §108 Abs2 NÖ JG nicht den geringsten Anhaltspunkt.
Die Landeskommission verneinte darum ihre Kompetenz zu Unrecht, sodaß spruchgemäß entschieden werden mußte.
3. Die Kostenentscheidung fußt auf §52 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.500 S enthalten.
4. Die Entscheidung konnte in nichtöffentlicher Sitzung ergehen (§19 Abs4 Satz 1 VerfGG 1953 idF BGBl. 297/1984).
Schlagworte
VfGH / Kompetenzkonflikt, Jagdrecht, Jagdschaden, Jagd- und Wildschadenskommission, Schadenersatz, BehördenzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:KI2.1989Dokumentnummer
JFT_10099774_89K00I02_00