TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/2 88/04/0236

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Veröffentlicht am 02.07.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §366 Abs1 Z4 idF 1988/399;
GewO 1973 §366 Abs1 Z4;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2;
GewO 1973 §81 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VwGG §48 Abs1 lita;
VwGG §48 Abs1 Z1 impl;
VwGG §59 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 14. September 1988, Zl. IIa-20.216/2, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 24. Mai 1988 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als gemäß § 370 Abs. 2 GewO 1973 verantwortlicher gewerberechtlicher Geschäftsführer der Y-GesmbH zu verantworten, daß der Baumarkt der Y-GesmbH in X, welcher mit den Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft vom 28. Mai 1984 und vom 18. Dezember 1984 rechtskräftig genehmigt worden sei, in der Zeit vom 15. Juli 1987 bis 20. April 1988 durch Vergrößerung der Verkaufsfläche um ca. 500 m2 und der Lagerfläche um ca. 200 m2 in erweitertem Umfang betrieben worden sei, obwohl der hiefür erlassene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 24. Jänner 1986, Zl. III-759/85, noch nicht in Rechtskraft erwachsen und zumindest Auflagepunkt 2 dieses Bescheides - die Ablieferung aller im Baumarkt verkauften Waren darf nur an der Westseite der Anlage erfolgen - nicht eingehalten worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit §§ 78, 81 und 370 GewO 1973 begangen. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzarreststrafe 20 Tage) verhängt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 14. September 1988 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach § 78 Abs. 1 GewO 1973 dürfen Anlagen oder Teile von Anlagen, für die im Genehmigungsbescheid keine Betriebsbewilligung vorgeschrieben sei, vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden, wenn nur der Genehmigungswerber gegen den Genehmigungsbescheid berufen habe und die Auflage des Genehmigungsbescheides bei der Errichtung und beim Betrieb der Betriebsanlage eingehalten werden. Lägen diese Voraussetzungen nicht vor, liege eine Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 oder Z. 4 GewO 1973 vor. Im gegenständlichen Fall habe zwar nur die Betriebsanlagengenehmigungswerberin gegen den Betriebsanlagenbescheid Berufung erhoben, sie halte aber weiterhin, wie sie auch selbst zugebe, die durch den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 24. Februar 1987 präzisierte Auflage 2 nicht ein. Die in Rede stehende Auflage sei keineswegs undurchführbar, "wie man dem Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 18. Juli 1988 entnehmen" könne. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer Betriebsanlagengenehmigung für den Betrieb der schon vorgenommenen Änderung des Baumarktes werde auf den Berufungsbescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 18. Juli 1988 verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen nach in dem Recht verletzt, nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. Der Beschwerdeführer bringt in Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, das Sachverständigengutachten sei in wesentlichen Teilen mangelhaft geblieben, weil der Sachverständige in keiner Weise darauf eingegangen sei, daß der Einbau eines Liftes zwar technisch möglich erscheine, die sperrigen Holzprodukte jedoch nicht über eine Liftanlage transportiert werden könnten. Der Abtransport sperriger Güter über den Kassenbereich sei "abwicklungstechnisch" unmöglich, über eine Rampe von ca. 8 % Neigung könnten Waren ohne Gefährdung anderer Personen nicht transportiert werden. Die Erweiterung des Baumarktes sei lediglich in geringfügigem Ausmaß erfolgt, weshalb die Bestimmungen des § 81 GewO 1973 insofern keine Anwendung finden könnten, weil die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 28. Mai 1984 genehmigte Anlage nicht so weit geändert worden sei, daß sich neue Gefährdungen, Belästigungen oder Beeinträchtigungen ergeben könnten. Weiters habe die belangte Behörde die Frage der Zumutbarkeit einer Belästigung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 in keiner Weise berücksichtigt und es verabsäumt, Feststellungen darüber zu treffen. Ein gewisses Maß an Gefährdung oder Belästigung müsse im Interesse der Freiheit der wirtschaftlichen Tätigkeit in Kauf genommen werden. Durch die gegenständliche Auflage sei die gewerbliche Tätigkeit in höchstem Maß eingeschränkt. Da die technisch undurchführbare Auflage rechtswidrigerweise vorgeschrieben worden sei und dies eine wesentliche Vorfrage für die Beurteilung des angefochtenen Bescheides darstelle, liege kein rechtswidriges Verhalten vor. Im übrigen sei noch darauf hinzuweisen, daß kein subjektiv vorwerfbares Verschulden vorliege, weil dem Beschwerdeführer von fachlich kompetenten Personen bestätigt worden sei, daß kein rechtswidriges Verhalten vorliege.

Die Beschwerde ist im Ergebnis schon insofern begründet, als gerügt wird, die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 28. Mai 1984 genehmigte Anlage sei nicht soweit geändert worden, daß sich neue Gefährdungen, Belästigungen oder Beeinträchtigungen ergeben könnten.

Die belangte Behörde ging bei der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat davon aus, daß der näher bezeichnete Baumarkt (gegenüber der erteilten Genehmigung) "durch Vergrößerung der Verkaufsfläche um ca. 500 m2 und der Lagerfläche um ca. 200 m2 im erweiterten Umfang betrieben wurde". Als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, wird im Spruch § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 bezeichnet.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu sechs Wochen zu ahnden ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

Wird eine genehmigte Anlage so geändert, daß sich neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1973 ergeben können, so bedarf nach § 81 Abs. 1 erster Satz leg. cit. auch die Änderung der Anlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.

Gemäß § 44a lit. a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Um den Erfordernissen der zuletzt genannten Gesetzesstelle zu entsprechen, hat der Spruch eines Straferkenntisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich ist und die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. N.F. Nr. 11466/A).

Nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut der Bestimmung des § 81 Abs. 1 GewO 1973 bedarf nicht jede Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung, sondern nur eine solche, die geeignet ist, die im § 74 Abs. 2 leg. cit. umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen. Ein Schuldspruch nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 muß daher, um das Erfordernis des § 44a lit. a VStG zu erfüllen, auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahin zulassen, ob die vorgenommene Änderung der Betriebsanlage die im § 74 Abs. 2 GewO 1973 genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 1991, Zl. 91/04/0167). Ein derartiger Hinweis ist dem Spruch des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen. Derartiges kann insbesondere auch nicht aus dem Hinweis auf den (nicht rechtskräftigen) Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 24. Jänner 1986 abgeleitet werden (vgl. im übrigen auch das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1991, Zl. 90/04/0211).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Im Hinblick auf die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes konnte der für Umsatzsteuer geltend gemachte Betrag nicht zuerkannt werden. Weiters kann unter dem Begriff "Barauslagen", den der Beschwerdeführer verwendet hat, der Ersatz entrichteter Stempelgebühren nicht angesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1968, Slg. N.F. Nr. 7432/A). Da nicht erkennbar ist, daß es sich um andere Auslagen als jene für Stempelgebühren handelt, war auch das diesbezügliche Mehrbegehren abzuweisen.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Formelle Voraussetzungen für die Zuerkennung des Aufwandersatzes Begründungspflicht und Schriftlichkeit Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen Mängel im Spruch Fehlen von wesentlichen Tatbestandsmerkmalen Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung) Tatvorwurf Beschreibung des in der Begründung Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Barauslagen des VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988040236.X00

Im RIS seit

02.07.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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