Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des T in R, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 10. November 1988, Zl. Gew-948/6/88, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
"Herr T hat als gewerberechtlicher Geschäftsführer der T OHG (Standort des Handelsgewerbes: R, X Nr. 3) durch den Fahrverkäufer Herrn K vom Fahrzeug (Mercedes-Bus, K-nnn.nnn) aus Lebensmittel, und zwar Eier, Suppenhühner, verpackte Hühnerteile, Eierteigwaren, Nibb-it-rings naturell (Knabbergebäck), hausgemachte Selchwürste, "Vier Berge Wurst" der Firma Agrosserta, verpackte Pommes-Frittes und Frittierfett sowie Mischgemüse und Erbsen (Tiefkühlware) am 4. März 1988 gegen 10.15 Uhr am Parkplatz vor dem Gasthaus "Y" in A und am 1. April 1988 um 10.45 Uhr in S auf der Höhe des Hauses Nr. mmm zum Verkauf angeboten und auch verkauft, und damit ein gemäß § 53 GewO 1973 nicht zulässiges Feilbieten im Umherziehen ausgeübt."
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Verkauf der Waren an den in Rede stehenden Standplätzen sei von der oben bezeichneten Gesellschaft betrieben worden, weshalb der Beschwerdeführer als ihr gewerberechtlicher Geschäftsführer für die Tätigkeit der Gesellschaft zur Verantwortung zu ziehen sei. Der Beschwerdeführer habe an den betreffenden Standorten keine weitere Betriebsstätte angemeldet. Die Behauptung des Beschwerdeführers, nur auf Grund schriftlicher Bestellungen von Kunden an diese Waren geliefert zu haben, habe nicht durch entsprechende Beweise glaubhaft gemacht werden können. Die Überprüfung habe ergeben, daß es durchaus zur Verkaufspraxis des Gewerbeträgers gehöre, Kundenkontakte durch den Fahrverkäufer erst an Ort und Stelle herzustellen. Der Fahrverkäufer habe, wie aus den Gendarmerieanzeigen hervorgehe, im Auftrag der bezeichneten Gesellschaft mitgeführte Lebensmittel zum Kauf angeboten, wobei er für die Gemeinden D und E zuständig sei, für die er einen neuen Kundenstock aufbauen müsse. Das Ermittlungsverfahren (Befragung von Kunden aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Liste als Zeugen) habe ergeben, daß die Kunden lediglich Eier bestellt hätten, während im Lieferwagen des Fahrverkäufers ein reiches Sortiment an Lebensmitteln vorgefunden worden sei. Die Tätigkeit des Fahrverkäufers habe daher nicht allein darin bestanden, bestellte Waren an einen bestimmten Kundenkreis zu liefern, sondern sei darauf ausgerichtet gewesen, die mitgeführten Produkte an zufällig vorbeikommende Käufer zu verkaufen. Da diese Handelstätigkeit mehr als einmal innerhalb eines Zeitraumes von vier Monaten ausgeübt und ein gemäß § 53 GewO 973 zulässiges Feilbieten im Umherziehen weder eingewendet noch nachgewiesen worden sei, sei daher der Tatbestand des § 46 Abs. 1 in Verbindung mit § 53 GewO 1973 gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der beantragt wird, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, nicht der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und deswegen bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die belangte Behörde vermeine zu Unrecht, daß der Beschwerdeführer durch sein Vorgehen die Bestimmungen des § 46 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 53 Abs. 1 und 367 Z. 16 der GewO 1973 verletzt habe bzw. das er mit seinem Fahrzeug, welches zu Unrecht als "mobile Verkaufsstelle" qualifiziert werde, in A bzw. S eine weitere Betriebsstätte begründet habe. Gemäß § 46 Abs. 1 GewO 1973 sei unter einer weiteren Betriebsstätte jede standortgebundene Einrichtung zu verstehen, die zur regelmäßigen Entfaltung einer gerwerblichen Tätigkeit in einem anderen Standort als dem, auf den die Gewerbeanmeldung oder die Konzession laute, bestimmt sei. Eine weitere Betriebsstätte liege nicht vor, wenn es sich um eine Tätigkeit von nicht mehr als 3-tägiger Dauer handle. Werde eine solche Tätigkeit mehr als einmal innerhalb eines Zeitraumes von vier Tagen ausgeübt, liege ein nicht zulässiges Feilbieten im Umherziehen vor. Wenn auch der Begriff Standortgebundenheit zum Ausdruck bringe, daß es sich bei einer weiteren Betriebssätte keinesfalls um eine ortsfeste Einrichtung handeln müsse, es vielmehr genüge, wenn Waren von einem abgestellten Kraftfahrzeug aus verkauft würden, so werde trotzdem verlangt, das jemand regelmäßig an einem bestimmten Platz von einem dort abgestellten Kraftfahrzeug Waren verkaufe. Wenn auch die belangte Behörde feststelle, daß der Beschwerdeführer am 4. März 1988 gegen 10.15 Uhr am Parkplatz vor dem Gasthaus "Y" in A und am 1. April 1988 um 10.45 Uhr in S auf der Höhe des Hauses Nr. mmm Waren verkauft habe, so sei die gesetzlich bestimmte Regelmäßigkeit für das Vorliegen einer weiteren Betriebsstätte nicht gegeben, zumal es sich bei den vermeintlichen Verkaufsstellen um zwei verschiedene Standorte handle. Die im Zuge des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde als Zeugen vernommenen Personen hätten gegenüber der Behörde lediglich allgemeine Angaben machen können und es habe kein einziger Zeuge den konkreten Tatvorwurf untermauern können. Die Ergebnisse der Zeugeneinvernahmen könnten zur Ermittlung des Sachverhaltes in keiner Weise herangezogen werden. Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführe, seien für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes vor allem die Berichte des Gendarmeriepostenkommandos vom 5. März 1988 bzw. 1. April 1988 von entscheidender Bedeutung gewesen. In diesen Berichten werde lediglich ausgeführt, daß der bezeichnete Fahrer diverse Lebensmittel im Fahrzeug mit sich geführt und zum Verkauf angeboten habe. Daraus lasse sich aber nicht der Schluß ziehen, daß tatsächlich am 4. März 1988 in A und am 1. April 1988 in S Waren ohne vorhergehende Bestellung ausgegeben, sohin verkauft worden seien. In diesem Zusammenhang weise der Beschwerdeführer nochmals daraufhin, daß seine Fahrverkäufer angewiesen seien, lediglich auf Grund vorhandener Bestellungen die Kunden zu beliefern. Eine Verkaufstätigkeit der einzelnen Fahrer sei nicht gegeben. Vielmehr sei in diesem Vorgehen eine gemäß § 50 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 erlaubte Tätigkeit zu sehen, wonach Gewerbetreibende im Rahmen ihres Gewerbebetriebes Waren überall auf Bestellung liefern könnten. Zusammenfassend könnte sohin gesagt werden, daß die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht geeignet seien, dem Beschwerdeführer den im Spruch näher bezeichneten Tatvorwurf anzulasten.
Die Gewerbeordnung 1973 ist im vorliegenden Beschwerdefall in ihrer Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, anzuwenden.
Gemäß § 367 Z. 16 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieses Paragraphen mit einer Geldstrafe bis zu S 20.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu 4 Wochen zu ahnden ist, wer ein Gewerbe im Umherziehen von Ort zu Ort oder von Haus zu Haus ausübt, wenn es sich nicht um ein den Bestimmungen der §§ 53 oder 53a unterliegendes Feilbieten im Umherziehen handelt und nicht einer der Tatbestände des § 366 Abs. 1 Z. 1 und 2 gegeben ist.
Nach § 46 Abs. 1 GewO 1973 ist unter einer weiteren Betriebsstätte jede standortgebundene Einrichtung zu verstehen, die zur regelmäßigen Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit in einem anderen Standort als dem, auf den die Gewerbeanmeldung oder die Konzession lautet, bestimmt ist. Eine weitere Betriebsstätte liegt nicht vor, wenn es sich um eine Tätigkeit von nicht mehr als drei Tagen handelt. Wird eine solche Tätigkeit mehr als einmal innerhalb eines Zeitraumes von vier Monaten ausgeübt, liegt ein gemäß § 53 nicht zulässiges Feilbieten im Umherziehen vor.
Soweit vom Beschwerdeführer das Vorliegen einer weiteren Betriebsstätte bestritten wird, so geht dieses Beschwerdevorbringen ins Leere. Die belangte Behörde nahm nämlich als erwiesen an, daß von der Gesellschaft, deren gewerberechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist, die im Spruch des angefochtenen Bescheides bezeichneten Waren (unter Umschreibung von Ort und Zeit) zum Verkauf angeboten und auch verkauft worden seien; damit sei ein gemäß § 53 GewO 1973 nicht zulässiges Feilbieten im Umherziehen ausgeübt worden. Die belangte Behörde unterstellte sohin gar nicht das Vorliegen einer "weiteren Betriebssätte". Aus der Bezugnahme auf die Bestimmungen des § 46 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 53 Abs. 1 und 367 Z. 16 GewO 1973 ist vielmehr zu erschließen, daß die belangte Behörde eben nicht von der unbefugten Ausübung eines Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte sondern vielmehr von der unbefugten Ausübung eines Gewerbes im Umherziehen in Erfüllung des Tatbestandes des § 367 Z. 16 GewO 1973 ausging.
Berechtigt ist aber das weitere Beschwerdevorbringen.
Die belangte Behörde ging bei ihrer Umschreibung der "Tat" im Grunde des § 44a lit. a VStG davon aus, daß bestimmte Waren (nach Ort und Zeit umschrieben) "zum Verkauf angeboten und auch verkauft" worden seien.
Die belangte Behörde ging nach den Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid davon aus, daß das Ermittlungsverfahren ergeben habe, daß die Kunden lediglich Eier bestellt hätten, während im Lieferwagen des Fahrverkäufers ein reiches Sortiment an Lebensmittel "vorgefunden" worden sei. Mit Recht wird vom Beschwerdeführer gerügt, daß sich daraus (noch) nicht der Schluß ziehen läßt, daß tatsächlich Waren ohne vorhergehende Bestellung ausgegeben, sohin verkauft worden seien. Aus dem bloßen Umstand des Mitführens bestimmter Waren kann noch nicht mit einer für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit beantwortet werden, daß diese Waren dem erhobenen Tatvorwurf entsprechend auch "zum Verkauf angeboten und auch verkauft" worden seien.
Gemäß § 37 AVG (§ 24 VStG) ist Zweck des Ermittlungsverfahrens - neben der Wahrung des Parteiengehörs - die Feststellung des maßgebenden, d.h. des für die zu treffende Entscheidung auf Grund der anzuwendenden Rechtsvorschriften maßgebenden Sachverhaltes.
Gemäß § 45 Abs. 1 AVG (§ 24 VStG) bedürfen Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat im übrigen die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht.
Nach § 46 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Zufolge der letztangeführten Gesetzesstelle, die den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel und damit zugleich auch den Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Beweismittel normiert, gilt alles als Beweismittel, was nach logischen Grundsätzen Beweis zu liefern, d.h. die Wahrheit zu ergründen, geeignet ist. Eine solche Eignung kommt auch den mittelbaren Beweismitteln, bei denen das Ergebnis im Wege der Schlußfolgerung aus anderen Tatsachen gewonnen wird (Indizienbeweis), zu. Ein derartiger indirekter Beweis ist gemäß § 46 AVG auch im Verwaltungs(straf)verfahren nicht ausgeschlossen.
Der sogenannte Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, daß der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, daß - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen gesetzlichen Regelungen unterworfen ist. Diese Regelung schließt keinesfalls eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist, und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h. mit den Denkgesetzen im Einklang stehen (vgl. zu diesen Ausführungen das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1986, Zl. 85/04/0085, und die dort zitierte weitere hg.
Rechtsprechung).
Sofern aber die belangte Behörde darüber hinaus darauf verweist, die Behauptung des Beschwerdeführers, nur auf Grund schriftlicher Bestellungen von Kunden an diese Waren geliefert zu haben, habe nicht durch entsprechende Beweise glaubhaft gemacht werden können, genügt es darauf hinzuweisen, daß, wenn der Beschuldigte den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt zu haben, bestreitet, die Beweislast in dieser Hinsicht die Behörde trifft (vgl. hiezu u. a. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1967, Slg. N.F. Nr. 7087/A).
Es zeigt sich, daß der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, und daß die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den über den gesetzlich pauschalierten Aufwandersatz für den Beschwerdeschriftsatz hinausgehenden, für "20 vH Ust" angesprochenen Betrag.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989040001.X00Im RIS seit
02.07.1992