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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 lita impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr und Dr. Fellner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über den Antrag der Ing. G in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Mängelbehebungsfrist in der Beschwerdesache, Zl. 92/16/0053, betreffend den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. Februar 1992, GZ. GA 11-1442/1/90, hinsichtlich Grunderwerbsteuer, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1992, Zl. 92/16/0053-6 wird aufgehoben.
Begründung
Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei gemäß § 46 Abs. 1 VwGG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Bei einem gemäß § 34 Abs. 2 VwGG erteilten Mängelbehebungsauftrag wird die Frist zur Verbesserung nicht nur dann versäumt, wenn jenem Auftrag innerhalb der Frist überhaupt nicht, sondern ihm - wie im Antragsfall - nur unvollständig (mangelhaft, teilweise) entsprochen wurde (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 1988, 87/07/0049, verstärkter Senat).
Das Versehen einer Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes stellt dann für die Partei ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis im Sinne der angeführten Gesetzesstelle dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. Ein Rechtsanwalt verstößt insbesondere dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters eine Fristversäumung auszuschließen geeignet sind. Ein Verschulden trifft den Rechtsanwalt jedoch dann nicht, wenn sich zeigt, daß die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht hat, ohne daß ein eigenes Verschulden des Rechtsanwaltes hinzugetreten wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1989, 89/17/0085, mit weiteren Hinweisen).
Im vorliegenden Fall erscheint durch das dem Wiedereinsetzungsantrag angeschlossene Beweismittel - eine eidesstättige Erklärung der Kanzleibediensteten Elisabeth E. - erwiesen, daß die (Wieder-)Vorlage sämtlicher Beschwerdeausfertigungen entgegen der ausdrücklichen Anordnung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes Dr. Puschner infolge eines im Bereich der Kanzleibediensteten gelegenen Ereignisses - Ablage zweier Beschwerdeausfertigungen in einem gleichzeitig bearbeiteten Aktenkonvolut - unterblieben ist. Bei dieser Sachlage konnte den von der Antragstellerin bevollmächtigten Rechtsanwälten jedenfalls kein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden angelastet werden, sodaß dem Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben war.
Schlagworte
FristMängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992160104.X00Im RIS seit
02.07.1992Zuletzt aktualisiert am
29.04.2009