TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/2 91/06/0207

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Veröffentlicht am 02.07.1992
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BauO Tir 1978 §30 Abs4 idF 1984/019;
BauRallg;
ROG Tir 1984 §15 Abs3;
ROG Tir 1984 §15 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des JS in Z, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16. September 1991, Zl. Ve-550-1566/6, betreffend die Zurückweisung eines Bauansuchens (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde Z, vertreten durch den Bürgermeister,

2. MH in T, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen von S 3.035,-- und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der zweitmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 31. Oktober 1990 erteilte der Bürgermeister der erstmitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung für den Anbau eines Geräte- und Holzschuppens an das bestehende Gebäude auf

Grundparzelle 2801/5, KG Z, entsprechend einem Bauansuchen vom 29. November 1988, dem auch entsprechende Baupläne beigeschlossen waren, unter zahlreichen Auflagen und Bedingungen.

Gegen diesen Bescheid erhob die zweitmitbeteiligte Partei als Nachbarin Berufung. Das Bauansuchen des Beschwerdeführers sei bereits mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Gemeinde vom 27. Juli 1988 abgewiesen worden. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Zufolge dieses Bescheides sei vom Bürgermeister der erstmitbeteiligten Gemeinde ein - mittlerweile rechtskräftiger - Abbruchsauftrag erteilt worden. Zwischen der abweislichen Entscheidung vom 27. Juli 1988 und der nunmehr erteilten Baubewilligung habe sich keine Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben. Es handle sich um idente Ansuchen.

Mit Bescheid vom 24. Juni 1991 hat der Gemeindevorstand der erstmitbeteiligten Gemeinde der Berufung der zweitmitbeteiligten Partei Folge gegeben und das Bauansuchen des Beschwerdeführers vom 29. November 1988 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es u.a., daß sich zwischen der abweislichen Entscheidung des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Gemeinde (gemeint: vom 27. Juli 1988) und der nunmehr erteilten Baubewilligung keine Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben habe. Es handle sich um dasselbe Ansuchen und um dasselbe Gebäude.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Darin wird eingeräumt, daß der Abweisungsbescheid vom 27. Juli 1988 in Rechtskraft erwachsen sei, jedoch behauptet, daß sich das neue Bauverfahren von früheren nicht nur hinsichtlich der bauwerbenden Personen (damals der Beschwerdeführer und ein zweiter Bauwerber) sondern auch bei den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen unterscheide und zwar insoweit, als nunmehr festgestellt worden sei, daß der Anbau nur 22,04 % der vorhandenen Baumasse betrage und daher als geringfügig im Sinne des § 15 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 und damit zulässig anzusehen sei. Darin liege eine Sachverhaltsänderung, welche von der Rechtskraft des abweisenden Bescheides vom 27. Juli 1988 nicht umfaßt sei. Der zweitmitbeteiligten Partei komme kein subjektiv-öffentliches Recht zu, sodaß deren Rechtsmittel gemäß § 30 Abs. 2 TBO hätte zurückgewiesen werden müssen. In einem ergänzenden Vorbringen verwies der Beschwerdeführer überdies darauf, daß das Bauansuchen vom 18. November 1987 und jenes vom 29. November 1988 zwar auf dem gleichen Plan beruhe, sich das nunmehrige Bauansuchen jedoch vom früheren unterscheide, wobei auf beiliegende Kopien der Planurkunden verwiesen wurde. Aus diesen Kopien ist ersichtlich, daß der Anbau "Abstellraum" nach dem Plan zum Bauansuchen vom 29. November 1988 geringfügig größer sein sollte als nach dem früheren Bauansuchen vom 18. November 1987.

Mit Bescheid vom 16. September 1991 hat die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Nach einer kurzen Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Zitierung des § 68 Abs. 1 AVG verwies die belangte Behörde darauf, daß im Zeitraum seit Erlassung des Bescheides vom 27. Juli 1988 eine Gesetzesänderung des Tiroler Raumordnungsgesetzes nicht eingetreten sei. Daß der ursprüngliche Antrag "wegen Anwendung einer möglicherweise unrichtigen Gesetzesstelle" abgewiesen worden sei, sei "keine Gesetzesänderung". Der Beschwerdeführer habe es sich selbst zuzuschreiben, wenn dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei. Allen Parteien eines abgeschlossenen Verfahrens stehe ein Rechtsanspruch auf die Beachtung der eingetretenen Rechtskraft zu, wenn sich das Parteibegehren im wesentlichen mit dem früheren decke.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltende machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die zweitmitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Die für die Beachtung der Rechtskraft im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG maßgebende Identität der Sache liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, daß eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (vgl. die bei RINGHOFER, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, wiedergegebene Judikatur zu § 68 AVG, E. 36, S. 674).

Ein solcher Sachverhalt liegt im Beschwerdefall vor:

Gemäß § 15 Abs. 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes LGBl. Nr. 4 ist im Freiland, ausgenommen auf Sonderflächen, die Errichtung oder Änderung von baulichen Anlagen nur nach Maßgabe der Abs. 3 bis 7 zulässig.

Nach Abs. 3 der zitierten Gesetzesstelle hängt die Zulässigkeit der Errichtung von Bauten für land- und forstwirtschaftliche Betriebe von deren Erforderlichkeit bzw. weiteren, in der zitierten Bestimmung genannten Voraussetzungen ab. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß das Bauansuchen mit Bescheid vom 27. Juli 1988 mangels Vorliegens der im § 15 Abs. 3 TROG genannten Voraussetzungen abgewiesen wurde und diesbezüglich eine Änderung der Sachlage nicht eingetreten ist. Der Beschwerdeführer beruft sich vielmehr (nunmehr) auf die Bestimmung des § 15 Abs. 6 TROG, wonach Umbauten sowie Zubauten, deren Umfang im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude gering ist, im Freiland zulässig sind. Unterstellt man, daß das Bauprojekt, welches mit Bescheid vom 27. Juli 1988 abgewiesen wurde, unter dem Gesichtspunkt des § 15 Abs. 6 TROG in Wahrheit bewilligungsfähig gewesen wäre, so läge dem Abweisungsbescheid vom 27. Juli 1988 zwar ein Rechtsirrtum im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung zugrunde; dies änderte jedoch nichts daran, daß (mangels Erhebung eines Rechtsmittels durch den Beschwerdeführer) der Bescheid vom 27. Juni 1988 unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist und die damit entschiedene Sache nicht neuerlich aufgerollt werden kann. Bei dieser Sachlage ist es aber auch ausgeschlossen, daß die vom Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde ins Treffen geführte Planänderung (die auf eine VERGRÖSSERUNG des Zubaues hinausläuft) eine relevante Sachverhaltsänderung bewirken könnte: Das geringfügig VERGRÖSSERTE PROJEKT kann nämlich unter dem Gesichtspunkt des § 15 Abs. 6 TROG nicht eher bewilligungsfähig sein als das frühere, kleinere Projekt, sodaß - selbst wenn man darin eine Änderung des Projektes erblicken würde - einer neuerlichen Entscheidung umso eher die Rechtskraft des Bescheides vom 27. Juli 1988 entgegenstünde.

Der Beschwerde kann aber auch insoweit nicht beigepflichtet werden, als sie die Rechtsmittellegitimation der zweitmitbeteiligten Partei bezweifelt: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht Nachbarn nach § 30 Abs. 4 TBO ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Widmung Freiland im Sinne des § 15 TROG zu (vgl. die Erkenntnisse vom 29. Oktober 1987, Zl. 86/06/0126, BauSlg. 991, und das Erkenntnis vom 14. März 1991, Zl. 90/06/0030). Im Rahmen dieses, der zweitmitbeteiligten Partei zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechts hat sie auch einen Rechtsanspruch darauf, daß eine zu ihren Gunsten entschiedene Bausache nicht neuerlich aufgerollt wird (vgl. dazu HAUER, Der Nachbar im Baurecht2, S. 203 ff). Die Berufungsbehörde hat daher das zulässige Rechtsmittel der zweitmitbeteiligten Partei richtigerweise meritorisch behandelt.

Da das neuerliche Bauansuchen des Beschwerdeführers von der Berufungsbehörde zu Recht zurückgewiesen wurde, erweist sich der angefochtene Vorstellungsbescheid als frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da die Gegenschrift nur zweifach einzubringen war, konnte der zweitmitbeteiligten Partei ein Ersatz von Stempelgebühren nur in der Höhe von S 240,-- zugesprochen werden.

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Zurückweisung wegen entschiedener SacheRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991060207.X00

Im RIS seit

21.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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