Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des A in O, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. November 1991, Zl. 308.828/3-III/3/91, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: J in O), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.320,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Betriebsanlage eines Sägewerkes auf näher bezeichneten Grundstücken nach Maßgabe der einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Projektsunterlagen - Bestandsplan, Lageplan, Baubeschreibung, Maschinenverzeichnis, Anrainerverzeichnis - unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt. Punkt 4 der Auflagen hat folgenden Wortlaut:
"Die Größe einer allfälligen Schwingungsimmission darf gemäß Ö-Norm den K-Wert von 0,1 nicht überschreiten."
Zur Begründung führte der Bundesminister im Rahmen der Darstellung des Verfahrensganges unter anderem folgendes aus:
"In der Zeit zwischen 16.00 und 17.30 Uhr wurden die nachstehend genannten Schallpegel gemessen und durch den Pegelschrieb, der im Befund als Beilage ./E angeschlossen wird, dokumentiert:
1) UMGEBUNGSGERÄUSCHPEGEL BIS BETRIEBSRUHE:
Grundgeräuschpegel ca. ................................. 40 dB
Verkehrsgeräuschpegel von der am Betrieb
vorbeiführenden Bundesstraße bis ....................... 54 dB
Spitzen bis ............................................ 61 dB
Vogelstimmen bis ....................................... 54 dB
2) EIN NACHBAR HATTE IM FREIEN MIT SÄGEARBEITEN
(MOTORKETTENSÄGE) BEGONNEN:
Kettensäge im Leerlauf ................................. 50 dB
Kettensäge im Schnittvorgang .................... 76 bis 80 dB
3) FAHRBEWEGUNGEN UND LADETÄTIGKEITEN MIT HILFE DES TRAKTORS
DEUTZ UND DEM ANHÄNGEWAGEN MIT HYDRAULISCHEM KRAN (STEUER &
ESCHLI):
Zufahren zum Rundholzlager und Motorlauf
beim Rundholzlager im Leerlauf ......................... 52 dB
zwischendurch Verkehrsgeräusche ................. 58 bis 60 dB
Hundebellen ..................................... 54 bis 56 dB
Einzelne Rufe bis ...................................... 64 dB
In der Folge wurde Rundholz mit dem Kran auf- und
abgeladen. Hiebei ergaben sich vereinzelt hörbare
Schlaggeräusche bis 56 dB. Zwischendurch auftretender
Verkehrslärm lieferte Schallpegel zwischen 56 und 60 dB.
Nach Abstellen des Traktormotors ergaben sich wieder niedrigste Umgebungsgeräusche von 42 dB. Das Türenschlagen der Kabinentüre des Traktors ergab 50 dB.
4. In der Folge wurden mit dem Dieselstapler, Marke Jumbo, Rundhölzer vom Rundholzlager geholt und zur Kappsäge gebracht. Zunächst wurden vier dünne Stämme und dann ein besonders dicker Stamm zur Kappsäge transportiert.
Das Geräusch des Staplermotors lieferte Schallpegel zwischen 44 und 48 dB. Zwischendurch auftretende Verkehrsgeräusche lieferten Schallanstiege bis 54 dB, zu Zeiten der Verkehrsruhe traten Schallpegel um 42 dB auf.
5) KAPPVORGANG MIT DER KAPPSÄGE:
Bemerkt wird, daß die Kappsäge zwei elektrisch betriebene Kettensägen für die Kappvorgänge verwendet. Der Leerlauf der Kappsäge bewirkt Schallpegel um 50 dB, der Kappvorgang Schallpegel um 52 bis 54 dB. Beim Schnitt des besonders dicken Stammes ergaben sich dieselben Werte. Das Abrollen des Blockes nach dem Kappvorgang bewirkte jeweils ein Einzelgeräusch mit Werten vorwiegend zwischen 56 bis 62 dB. Einmal waren 70 dB zu registrieren.
6) In der Folge wurden Stämme in die Sägehalle hineingebracht und beim Vollgatter geschnitten. Beim Einbringen der Stämme auf den Einschnittwagen waren vereinzelt schlagende Einzelgeräusche mit Werten von 48, 54 und 60 dB zu hören.
Verkehrsgeräusche lieferten Anstiege bis 56 dB. Zu Zeiten relativer Ruhe traten geringste Werte von 40 bis 42 dB auf.
7)
NUN WURDEN DIE STÄMME IN DER SÄGEHALLE BEIM VOLLGATTER
GESCHNITTEN:
a) Linkes Schiebetor zur Sägehalle offen:
Meßtechnisch waren keine vom Schnittvorgang herrührende Einzelwerte zu registrieren; sie lagen in der Größenordnung der niedrigen Umgebungsgeräuschpegel zu Zeiten relativer Ruhe. Als geringste Werte sind im Pegelschrieb 43 dB ausgewiesen. In diese Phase des Schnittvorganges traten neben den Ruhephasen in den Umgebungsgeräuschen auch Hundegebell mit 52 bis 54 dB, Verkehrsgeräusche bis 57 dB auf.
b) Beide Türflügel des Schiebetores offen:
In dieser Phase waren keine Geräusche aus der Sägehalle wahrzunehmen. Nunmehr war das Gattergeräusch zu hören, es traten Schallpegel zwischen 44 und 46 dB auf. In dieser Beobachtungsphase fuhr ein Moped unweit des Meßortes vorbei und bewirkte einen Schallpegelanstieg bis 70 dB, Verkehrsgeräusche von der Bundesstraße lieferten Anstiege bis 58 dB.
c) Schließlich wurde das Schiebetor gänzlich geschlossen:
In der Folge wurden auch mit dem obenstehend genannten besonders dicken Stamm im Vollgatter geschnitten. Hiebei wurde, als beide Tor offen standen, ein Gattergeräusch zwischen 46 und 48 dB gemessen. Als die Tore geschlossen wurden, waren wiederum keine Geräusche zu hören.
8) BETRIEB DES SEITENGATTERS:
Beide Schiebetore der Sägehalle waren geschlossen. Vom Seitengatter waren keine Geräusche wahrzunehmen.
9) BETRIEB DER BESÄUMSÄGE:
Während dieser Sägevorgänge waren die Tore der Sägehalle geschlossen. Meßtechnisch waren die zeitweilig leise zu hörenden Sägegeräusche nicht einwandfrei zu erfassen, weil sie in der Größenordnung der geringsten Umgebungsgeräuschwerte waren. Zu hören war lediglich das gelegentlich auftretende Geräusch vom Abfallen der Bretter aus dem der Besäumsäge nachfolgenden Bretterabwurfe. Dies lieferte Einzelpegel zwischen 52 und 60 dB.
Der Pegelverlauf zeigt auch die zwischendurch immer wieder auftretenden Verkehrsgeräusche mit Spitzen zwischen 52 und 62 dB.
10)
LADE- UND TRANSPORTVORGÄNGE MIT DEM GABELSTAPLER -
SCHNITTHOLZTRANSPORT
Beim Zufahren des Staplers in Richtung zum Nachbarn war zunächst das Motorgeräusch des Staplers eher unauffällig zu hören und lieferte Schallpegel um etwa 44 bis 48 dB. Beim Abtransport eines Stützholzpaketes, das im Nahebereich zur Nachbarliegenschaft A stand, ergab sich ein Anstieg des Geräusches des Staplermotors auf Werte bis 60 dB. Der Pegelverlauf zeigt, daß die beim Anheben des Schnittholzpaketes und dem nachfolgenden Abtransport gegebenen Geräusche zwischen 50 und 60 dB verliefen. Der Pegelverlauf zeigt weiters nach dem Wegfahren des Staplers den Verlauf der dann auftretenden Verkehrsgeräusche auf der B 106, die ebenfalls zwischen 48 und 60 dB schwanken.
11. Nach dem Abtransport der obersten Lage der Schnittholzpakete bestand zwischen dem Meßort und dem Schiebetor zur Sägehalle freie Sichtverbindung. Nunmehr wurde neuerlich mit dem Vollgatter ein besonders dicker Stamm geschnitten (Schiebetor zur Gänze offen). Das Gattergeräusch war zu Zeiten der Vekehrsruhe mit Werten zwischen 44 und 46 dB zu hören. Die auftretenden Verkehrsgeräusche erreichten zwischendurch Spitzen bis 58 dB. Bei halb geöffnetem Tor (linkes Schiebetor offen) war das Gatter mit etwa 42 dB gerade noch zu hören. In dieser Beobachtungsphase dominierten vielmehr Vogelstimmen mit Geräuschen zwischen 44 und 58 dB. Als schließlich die Tore gänzlich geschlossen waren, waren (aus der Sägehalle) keine Geräusche mehr zu registrieren. Der Pegelverlauf zeigte Werte zwischen 41 und 44 dB, das entfernte Bellen eines Hundes lieferte 47 dB."
In der Folge wird im angefochtenen Bescheid der Inhalt der eingeholten Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen sowie des medizinischen Sachverständigen sowie der im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesminister abgegebenen Stellungnahmen wiedergegeben. Sodann führte der Bundesminister nach Darstellung der bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen aus, die für das gegenständliche Betriebsgrundstück geltende auf "Dorfgebiet" lautende Widmung lasse ausdrücklich "gewerbliche Kleinbetriebe" zu, die unter anderem den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Einwohner des Dorfgebietes dienten. In Anbetracht der Tatsache, daß es sich bei dem gegenständlichen Betrieb wohl zweifelsfrei um einen Kleinbetrieb handle (es werde lediglich ein Arbeitnehmer beschäftigt) und der weiteren Tatsache, daß der hauptsächliche Kundenkreis des Betriebes aus den "umliegenden Landwirten und Häuslbauern" gebildet werde, bestünden vom Gesichtspunkt der Flächenwidmung aus jedenfalls keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Standortverbotes nach § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973. Anläßlich der mündlichen Verhandlung im Verfahren vor dem Bundesminister sei das Ausmaß der geltend gemachten betriebskausalen Immissionen (Staub, Erschütterungen, Lärm) erhoben worden. Als Immissionsbezugspunkt sei dabei der gegen Süden gerichtete Balkon im ausgebauten Dachgeschoß des Hauses des Beschwerdeführers gewählt worden, da es sich hiebei um den "am exponiertesten gelegenen Nachbarbereich" handle. Die Wahl weiterer Meßpunkte sei entbehrlich gewesen. Der vom Beschwerdeführer angesprochene Meßpunkt "im Freien auf der Terrasse vor dem straßenseitigen Hauseingang im Erdgeschoß des Hauses des Beschwerdeführers" hätte gegenüber dem von der Behörde gewählten Meßpunkt zudem noch den Nachteil gehabt, daß gewisse Schallminderungen durch die im Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde O vom 18. Jänner 1983 unter Punkt 1 der Auflagen vorgeschriebene zwei Meter hohe, massive und brandbeständige Wand, möge diese auch gegen die Grundgrenze hin auf Erdbodenniveau hinlaufen, nicht ausgeschlossen werden könnten. Aus den der behördlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Plänen und Beschreibungen sei ersichtlich, daß der in der ergänzenden Stellungnahme des Beschwerdeführers angesprochene An- und Abtransport durch große LKW mit Anhängern nicht vorgesehen sei. Die - verbindliche - eingereichte und mit der Genehmigungsklausel der Bezirkshauptmannschaft versehene Betriebsbeschreibung liste an Fahrzeugen, die im gegenständlichen Betrieb verwendet würden, lediglich einen Gabelstapler, einen Traktor und zwei Anhänger auf. Nur für diese Fahrzeuge sei im vorliegenden Verfahren eine Genehmigung beantragt worden, sodaß auch nur hinsichtlich dieser Fahrzeuge die von diesen verursachten und beim Nachbarn auftretenden Immissionen gemessen bzw. beurteilt worden sein. Sämtliche Betriebsgeräusche hätten anhand der vorhandenen Maschinen und der betriebstypischen Arbeitsabläufe wirklichkeitsnah durch Simulation erhoben werden können. Lediglich das zum Zeitpunkt des Augenscheins vorhandene Vollgatter habe nicht jenem entsprochen, für welches die mit dem gegenständlichen Bescheid erteilte Genehmigung gelten solle. Aus den im Befund des gewerbetechnischen Sachverständigen angeführten technischen Angaben lasse sich jedoch nicht ablesen, daß das Immissionsverhalten des beantragten Vollgatters ungünstiger wäre als das des vorgefundenen; eher könne das Gegenteil der Fall sein.
Die tatsächlichen örtlichen Umgebungsverhältnisse seien der nachstehenden Beurteilung zugrunde gelegt worden, wie sie anläßlich der Augenscheinsverhandlung vorgefunden worden seien, da im Verwaltungsverfahren stets von der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung auszugehen sei. Eine Bedachtnahme auf das Jahr 1958 sei um so weniger in Betracht gekommen, als es sich bei vorliegendem Verfahren um eine Erstgenehmigung handle. Wenn gegen die vom Durchzugsverkehr auf der Bundesstraße verursachten Geräusche vorgebracht werde, sie seien durch Geschwindigkeitsüberschreitungen verursacht, so lägen dem Bundesminister für diese Annahme keinerlei Anhaltspunkte - etwa rechtskräftige Straferkenntnisse wegen Übertretung der StVO - vor und es seien vom Nachbarn zur Untermauerung seiner Behauptung auch solche nicht beigeschafft worden. Der Bundesminister habe daher keine Bedenken, die tatsächlich gemessenen Lärmwerte seiner Beurteilung zugrunde zu legen. Was die von Nachbarn im Freien mit Sägearbeiten (Motorkettensäge) verursachten Geräusche anlange, so treffe sicher das von Nachbarseite Vorgebrachte zu, daß dieses Geräusch nur eher selten im Laufe eines Jahres von einem Haushalt verursacht werde. Doch sei dem gegenüber zu bedenken, das eine solche der Eigenvorsorge dienende Tätigkeit zumal in einem Dorfgebiet eine sicher nicht untypische Tätigkeit darstelle, welche demnach nicht nur von dem einen Nachbarn, dessen Tätigkeit lärmtechnisch während der bezogenen Augenscheinsverhandlung erfaßt worden sei, sondern auch von sämtlichen umliegenden Haushalten ausgeübt werde, was insgesamt eine wesentlich größere Häufigkeit des Anfallens eines solchen Geräusches mit sich bringe. Der Bundesminister habe daher keine Bedenken, auch dieses, von Nachbarseite verursachte Sägegeräusch als Bestandteil der Umgebungsgeräuschsituation zu berücksichtigen. Bei einem Vergleich der betriebskausalen Lärmpegel mit jenen, welche durch Umgebungsgeräusche verursacht worden seien, ergebe sich, daß sich die hörbaren betriebskausalen Geräusche mit einer vorrangigen Bandbreite zwischen 50 und 60 dB in jenem Pegelbereich befänden, welcher auch für die Umgebungsgeräuschsituation charakteristisch sei; zuletzt aber trügen in diesem Bereich nicht nur die Verkehrsgeräusche auf der Bundesstraße, sondern ebenso Vogelgezwitscher, Hundebellen und menschliche Rufe bei. Auch die betriebskausalen Spitzen (70 dB) fänden eine Entsprechung in Umgebungsgeräuschspitzenwerten (Verkehrsgeräusch 70 dB, nachbarliches Sägen 76 bis 80 dB).
Bei dieser Sachlage sei die im medizinischen Gutachten gezogene Schlußfolgerung, durch Lärmimmissionen der gegenständlichen Betriebsanlage seien weder eine Gesundheitsgefährdung noch eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens zu befürchten, nicht als unschlüssig zu erkennen.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die - für die Umgebungsgeräuschsituation charakteristischen - von der Bundesstraße herrührenden Verkehrsgeräusche seien nicht auf ihre Verkehrspausen hin untersucht worden, werde auf den gewerbetechnischen Befund hingewiesen; aus diesem ergebe sich, daß die Verkehrsgeräusche in der der gegenständlichen Beurteilung zugrunde gelegten Wertigkeit während der vorgenommenen stundenlangen Messungen immer wieder aufgetreten seien, sodaß von längeren Verkehrspausen keine Rede sein könne. Der Bundesminister erachtet daher, gestützt auf die gutachtliche Stellungnahme des medizinischen Amtssachverständigen die betriebskausalen Lärmimmissionen als dem Beschwerdeführer jedenfalls zumutbar im Sinne des § 77 Abs. 2 GewO 1973.
Zum Vorbringen betreffend Belästigungen durch Staub werde auf die Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen verwiesen, welcher zum Schluß gekommen sei, daß bei Erfüllung der unter Punkt 5 vorgeschriebenen Auflage aus gewerbetechnischer Sicht mit einer Staubbelästigung der Nachbarschaft nicht zu rechnen sei. Auch in der Stellungnahme des Beschwerdeführers werde die grundsätzliche Eignung dieser Auflage nicht bestritten, sondern lediglich deren mangelnde Überprüfbarkeit befürchtet. Diese Befürchtung vermöge der Bundesminister jedoch nicht nachzuvollziehen, da gemäß § 338 Abs. 1 GewO 1973 die Gewerbebehörden jederzeit befugt seien, unter anderem auch die gegenständliche Betriebsanlage zu betreten. Anläßlich einer solchen Inspektion könne sehr leicht festgestellt werden, ob Staubbindemittel in genügendem Umfang aufgebracht worden seien.
Zur Frage des Auftretens von Erschütterungen werde zum einen auf das gewerbetechnische Gutachten, in dem festgehalten worden sei, der gewerbetechnische Amtssachverständige habe derartige Erschütterungseinwirkungen nicht beobachtet, und andererseits auf den medizinischen Befund verwiesen, wo es heiße, daß auf dem Balkon des Nachbarhauses leichte Vibrationen des Brettergerüstes festgestellt werden konnten, welche allerdings nicht im Zusammenhang mit betrieblichen Vorgängen gestanden seien. Sie hätten auch unabhängig davon festgestellt werden können, wobei deutliche Vibrationen beim Vorbeifahren von Lastfahrzeugen auf der Bundesstraße verzeichnet worden seien. Es stehe daher für den Bundesminister außer Zweifel, daß allenfalls auftretende Erschütterungen mit der Betriebsanlage in keinem Zusammenhang stünden, weshalb im vorliegenden Verfahren auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in seinen aus der Gewerbeordnung resultierenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, bei Erhebung der Lärmsituation habe die belangte Behörde die Lärmimmissionen des in Rede stehenden Betriebes nur bei geschlossenem Tor der Halle überprüft; in der Praxis stünden die Tore jedoch regelmäßig offen. Hinsichtlich der Erschütterungen seien die Ermittlungsergebnisse insofern widersprüchlich, als der gewerbetechnische Sachverständige solche Erschütterungen nicht beobachtet habe, während aber der medizinische Sachverständige leichte Vibrationen auf dem Balkon des Beschwerdeführers festgestellt habe. Es sei unerfindlich, wie der zuletzt genannte Sachverständige zu dem Schluß gekommen sei, daß diese Vibrationen nicht der gegenständlichen Betriebsanlage zuzurechnen seien. Im Rahmen der Augenscheinsverhandlung sei auch nicht überprüft worden, ob staubbindende Mittel an Ort und Stelle aufgebracht gewesen seien. Daß solche im Betriebsgebäude vorhanden seien, helfe dem Beschwerdeführer recht wenig. Auch sei der Standort hinsichtlich der Geräuschprüfung falsch gewählt gewesen. Die Darstellung der Örtlichkeit im Hause des Beschwerdeführers entspreche nicht den Tatsachen. Es weise vielmehr ein Fenster aus der WC-Anlage zum Betriebsgelände, während zwei weitere Fenster wohl zunächst das Stiegenhaus abgrenzten, unmittelbar dahinter aber befinde sich ein Fenster zum Wohnzimmer des Beschwerdeführers. Da außerhalb der Winterszeit natürlich auch ein Stiegenhausfenster offen sei, könne der Betriebslärm unmittelbar auf das Wohnzimmer stoßen. Nicht beachtet habe die belangte Behörde auch, daß die mitbeteiligte Partei über einen zusätzlichen Lagerplatz verfüge, von dem die Baumstämme mittels eines eigenen LKW zum Betriebsgelände zugefahren würden. Dem Beschwerdeführer sei nicht damit gedient, daß ein solcher LKW nicht genehmigt sei; Tatsache sei, daß er stets im Einsatz stehe. Die belangte Behörde habe auch das Argument des Beschwerdeführers, als Vergleichsmaßstab bezüglich der Verkehrsgeräusche seien die Verhältnisse des Jahres 1958 zu berücksichtigen, nicht zerstreuen können. Es liege nämlich in Wirklichkeit keine "Erstgenehmigung" vor, sondern nur eine "Sanierung" des früher durch Jahre hindurch herrschenden rechtswidrigen Zustandes. Es sei auch die Wahl weiterer Meßpunkte nicht entbehrlich gewesen. Der als Meßort gewählte Standort auf dem Balkon der vom Betriebsgelände abgewendeten Hausseite sei darüber hinaus auch deshalb ungeeignet, weil an dieser Stelle der Balkon durch eine Bretterwand vor den Wetterunbilden abgesichert sei. Diese Bretterwand wirke zusätzlich geräuschhemmend. Weshalb der im früheren Verfahren gewählte Standort an der Haustür nicht mehr in Frage gekommen sei, sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Daß "sämtliche umliegende Haushalte" Sägearbeiten mit Motorkettensägen verrichteten, entspreche wohl nur der Vermutung der belangten Behörde und könne nicht als ernst zu nehmendes Kriterium gegen den auch von der belangten Behörde als berechtigt anerkannten Einwand ins Treffen geführt werden. Wenn die belangte Behörde meine, Geschwindigkeitsüberschreitungen seien nicht aktenkundig und der Beschwerdeführer hätte entsprechende Verwaltungsstrafbescheide nicht vorlegen können, so übersehe sie offensichtlich, daß es einer Privatperson wie dem Beschwerdeführer verwehrt sei, Einsicht in die entsprechenden Verwaltungsstrafakten der Bezirksverwaltungsbehörde zu nehmen, sodaß er gar keine Möglichkeit gehabt hätte, solche Straferkenntnisse zu zitieren oder gar vorzulegen. Auch in dieser Hinsicht sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben. Es erscheine auch mangelhaft zu erklären, daß Verkehrsgeräusche während der Messungen "immer wieder auftraten, sodaß von längeren Verkehrspausen keine Rede sein kann". Tatsache sei, daß solche Verkehrspausen in längerem Ausmaß immer wieder stattgefunden hätten und von den Meßorganen nicht beachtet worden seien. Im Gegensatz zur Ansicht des Sachverständigen, der immer wieder darauf verwiesen habe, daß Hundebellen, Vogelstimmen, kurze Rufe und die Säge des Nachbarn, vor allem aber Verkehrsgeräusche gleich hohe Pegelwerte, wenn nicht höhere, ausgelöst hätten, wie die von der Betriebsanlage ausgehenden Störgeräusche, lägen diese Störgeräusche in Größenordnungen zwischen 70 und 80 dB. Bei diesen Geräuschen handle es sich um regelmäßig auftretende, durch längere Zeit hin wirkende und während der ganzen Woche vorhandene Betriebsgeräusche, welche schon wegen ihrer Größenordnung und wegen ihres Unterschiedes zum Grundgeräuschpegel als gesundheitsgefährdend einzustufen seien. Schließlich habe die belangte Behörde die Frage, ob der Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage die Flächenwidmung des Betriebsgeländes entgegenstehe, unrichtig gelöst. Die Betriebsanlage liege im "Dorfgebiet", in dem nur gewerbliche Kleinbetriebe genehmigt werden dürften, die den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Einwohner des Dorfgebietes dienten. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall aber nicht erfüllt.
Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1973 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuscheibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 leg. cit. auf ein zumutbares Maß beschränkt würden. Die Betriebsanlage darf nicht für einen Standort genehmigt werden, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist. Nach Abs. 2 ist das Tatbestandselement, ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 zumutbar sind, danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
Bei der Beurteilung eines Sachverhaltes daraufhin, ob eine Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn (§ 77 Abs. 1 GewO 1973 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z. 1 leg. cit.) vorliegt, handelt es sich, ebenso wie bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Belästigungen der Nachbarn (§ 77 GewO 1973 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit.), um die Lösung einer Rechtsfrage. Bei Lösung dieser Rechtsfrage ist unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der von der Betriebsanlage ausgehenden Immissionen nach der diesbezüglich eindeutigen Anordnung des § 77 Abs. 2 leg. cit. zwischen den Auswirkungen auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenen Erwachsenen zu differenzieren.
Diesem Gesetzesauftrag kam die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht nach.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31. März 1992, Zl. 91/04/0267, unter Bezugnahme auf seine Vorjudikatur ausgesprochen hat, sind in Fällen, in denen die akustische Umgebungssituation während der in Betracht zu ziehenden Zeiträume starken Schwankungen unterliegt, die Auswirkungen der von der zu genehmigenden Betriebsanlage ausgehenden Immissionen unter Zugrundelegung jener Situation zu beurteilen, in der diese Immissionen für den Nachbarn am ungünstigsten (= belastensten) sind.
Es war daher verfehlt, wenn die belangte Behörde bei Beurteilung der Zumutbarkeit der von der in Rede stehenden Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen die "von Nachbarseite verursachten Sägegeräusche als Bestandteil der Umgebungsgeräuschsituation" mitberücksichtigte. Dabei kann es dahingestellt sein, ob solche Sägetätigkeiten tatsächlich "von sämtlichen umliegenden Haushalten ausgeübt werden". Denn selbst bei Zutreffen dieser Annahme der belangten Behörde handelt es sich dabei um ein Lärmgeschehen, das jedenfalls nicht zum regelmäßigen Bestandteil der Umgebungsgeräuschsituation zählt.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof noch zu folgenden Bemerkungen veranlaßt:
Der medizinische Amtssachverständige stützt sein Gutachten im wesentlichen auf die Aussage, die von der in Rede stehenden Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen bewegten sich in ihrer Intensität im selben Bereich wie die vom Straßenverkehr verursachten Störgeräusche, während sie ihrer Art nach diesen vergleichbar seien. Wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt, fehlt es in diesem Zusammenhang zur Beurteilung der Schlüssigkeit dieses Gutachtens aber an FUNDIERTEN Feststellungen über die zeitliche Situation der vom Straßenverkehr ausgehenden Lärmereignisse. Erst wenn das Ausmaß der auch nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid jedenfalls vorhandenen Verkehrspausen bekannt ist, kann in schlüssiger Weise eine Aussage darüber getroffen werden, ob bzw. inwieweit die von der in Rede stehenden Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen subjektiv im Verkehrslärm gleichsam untergehen oder ob sie für sich allein oder etwa dadurch, daß sie die vom Verkehrsgeschehen ausgehenden Belästigungen in einer die Grenze der Zumutbarkeit oder gar der Gesundheitsgefährdung übersteigenden Weise erhöhen, als gesundheitsgefährdend oder unzumutbar einzustufen sind. Gänzlich vernachlässigt wurde im übrigen vom medizinischen Sachverständigen, daß beim Kappvorgang - wenn auch vereinzelt - Immissionsschallpegel von 70 dB zu erwarten sind.
Mit Recht rügt der Beschwerdeführer auch, daß sich die belangte Behörde in der Frage, ob die am Haus des Beschwerdeführers tatsächlich wahrgenommenen Erschütterungen in der Betriebsanlage ihren Ausgang nehmen, mit den diesbezüglichen Aussagen im medizinischen Sachverständigengutachten begnügte. Denn eine Aussage über die von der Betriebsanlage ausgehenden Immissionen zu treffen, ist Aufgabe des technischen Sachverständigen, während es Aufgabe des medizinischen Sachverständigen (lediglich) ist, die Auswirkungen dieser Immissionen auf die Nachbarschaft zu beurteilen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 90/04/0149).
Dem in dieser Vorgangsweise der belangten Behörde gelegenen Verfahrensverstoß wird durch die (eingangs wiedergegebene) einen entsprechenden Immissionsgrenzwert vorschreibende Auflage nicht die Relevanz im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG genommen, weil diese Auflage nicht dem Erfordernis der Vorschreibung einer bestimmten geeigneten Maßnahme entspricht und daher zur Vermeidung solcher Einwirkungen auf das Nachbargrundstück ungeeignet ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 5. März 1985, Zl. 84/04/0097).
Schließlich trifft es zwar zu, daß in dem der belangten Behörde zur Genehmigung vorliegenden Projekt die Verwendung von zur Betriebsanlage gehörenden LKW nicht vorgesehen ist. Das schließt allerdings nicht aus, daß die Betriebsanlage - etwa zur Anlieferung des Rohmaterials oder zum Abtransport der Sägeprodukte - von betriebsfremden LKW (Lieferanten, Kunden) befahren wird. Aufgabe der belangten Behörde wäre es daher gewesen, über das entsprechende Vorbringen des Beschwerdeführers im Zuge des Verwaltungsverfahrens Ermittlungen darüber anzustellen, ob mit derartigen Betriebsabläufen zu rechnen ist, zumal die dem Ansuchen des Konsenswerbers angeschlossene Betriebsbeschreibung hiezu keine Angaben enthält.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand (der angefochtene Bescheid war nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen).
Schlagworte
Sachverständiger Aufgaben Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker GewerbetechnikerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992040052.X00Im RIS seit
11.07.2001