TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/7 88/08/0274

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Veröffentlicht am 07.07.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §355;
ASVG §357;
ASVG §413;
ASVG §415;
AVG §38;
AVG §56;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in 1030 Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 16. Februar 1979, Zl. Vd-25/2-1978, betreffend Beitragspflicht in der Unfallversicherung der Bauern (mitbeteiligte Partei: M in F), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 12. Oktober 1976 wurden die Versicherungspflicht der Mitbeteiligten in der Unfallversicherung der Bauern festgestellt und Beiträge vorgeschrieben. Die Mitbeteiligte erhob Einspruch in beiden Fragen.

1.2. Mit Bescheid vom 16. Februar 1979 gab der Landeshauptmann von Tirol diesem Einspruch Folge und behob den Bescheid der beschwerdeführenden Anstalt. Nach der Begründung dieses Bescheides würden die im Eigentum der Mitbeteiligten stehenden land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke nicht mehr von ihr bewirtschaftet. Soweit eine Bewirtschaftung überhaupt noch erfolge, werde diese durch Anrainer ohne entsprechende schriftliche Vereinbarungen und ohne Entgelt durchgeführt. Es könne somit auch nicht von einer Bewirtschaftung der im Eigentum der Mitbeteiligten gelegenen Grundstücksflächen auf Rechnung und Gefahr der Mitbeteiligten gesprochen werden. Da diese Voraussetzung einer Teilversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. b ASVG nicht gegeben sei, sei die Versicherungspflicht der Mitbeteiligten zu verneinen.

Der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides zufolge stehe gegen diesen gemäß § 415 ASVG das Rechtsmittel der Berufung offen. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern erhob Berufung in beiden Fragen.

1.3. Mit Bescheid vom 2. Dezember 1982 wies der Bundesminister für soziale Verwaltung diese Berufung ab.

Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern (die nunmehrige Beschwerdeführerin) erhob Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

1.4. Mit Erkenntnis vom 17. Mai 1984, Zl. 83/08/0022 = ZfVB 1985/1/178, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Bundesministers, soweit über die Beitragspflicht (Nachentrichtung von Beiträgen) der mitbeteiligten Partei nach dem BSVG abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde auf. Im übrigen wurde der Bescheid des Bundesministers wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

1.5. Mit Ersatzbescheid vom 14. Oktober 1988 behob der Bundesminister für Arbeit und Soziales den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 16. Februar 1979, soweit er die Versicherungspflicht zum Gegenstand hatte, gemäß § 66 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an den Landeshauptmann von Tirol. Soweit sich die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen die Beitragspflicht richtete, wurde sie gemäß § 415 ASVG als unzulässig zurückgewiesen.

1.6. Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt der Bauern stellte sodann vor dem Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 16. Februar 1979 in der Beitragsangelegenheit.

Mit Beschluß vom 15. Dezember 1988, Zl. 88/08/0273, gab der Verwaltungsgerichtshof diesem Antrag gemäß § 46 Abs. 2 VwGG Folge.

1.7. In ihrer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof geht die beschwerdeführende Partei ausdrücklich davon aus, daß die belangte Behörde über jenen Teil des Bescheides der Beschwerdeführerin vom 12. Oktober 1976, der die Fälligkeit der Beiträge nach § 72 ASVG zuzüglich Beitragszuschlag und Nebengebühren für die Monate Jänner 1974 bis Juni 1976 betraf, dergestalt entschieden habe, daß dem Einspruch der Mitbeteiligten stattgegeben und der Bescheid auch in diesem Teil behoben worden sei. Es werden Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht verletzt, im Sinne des § 3 BSVG (früher § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. b und c ASVG) die Versicherungspflicht zur Unfallversicherung und gemäß § 30 BSVG (früher § 72 Abs. 3 ASVG) die Beitragshöhe festzustellen und die Beiträge einzufordern. In der Begründung der Beschwerde wird dargetan, daß nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei ein forstwirtschaftlicher Betrieb im Sinne der Bestimmungen über die Versicherungspflicht sehr wohl vorliege und damit auch die Verpflichtung der Mitbeteiligten, die vorgeschriebenen Beiträge zu bezahlen.

1.8. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. 2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

2.1. Wie sich aus dem Zusammenhalt des Wiedereinsetzungsantrages mit der gleichzeitig nachgeholten Beschwerde ergibt, richtet sich die Beschwerde gegen den noch dem Rechtsbestand angehörenden Teil des angefochtenen Bescheides des Landeshauptmannes von 16. Februar 1979, der die Beitragsangelegenheit betrifft. In diesem Sinne ist der wiedergegebene Beschwerdepunkt zu verstehen, nämlich dahin, daß sich die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt in ihrem Recht auf Beitragserhebung (unter anderem infolge unrichtiger Beurteilung der Versicherungspflicht) als verletzt erachtet. Der somit in der Beitragsangelegenheit angefochtene Einspruchsbescheides des Landeshauptmannes von Tirol, dessen im vorliegenden Zusammenhang relevanter Inhalt oben unter Punkt 1.2. wiedergegeben wurde, enthält, wie sich aus dem Zusammenhang von Spruch und Begründung erkennen läßt, eine verfahrensbeendende "Aufhebung" des Bescheides der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt vom 12. Oktober 1976 im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG (und nicht etwa eine solche nach § 66 Abs. 2 AVG) im Zusammenhang mit § 357 ASVG. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem Inhalt der Begründung des angefochtenen Bescheides, in der der Landeshauptmann zum Ergebnis gelangt, es könne von einer Bewirtschaftung der im Eigentum der Mitbeteiligten stehenden Grundstücksflächen auf deren Rechnung und Gefahr nicht gesprochen werden. Auch die Bezugnahme des Spruches auf den Einspruch, dem Folge gegeben werde, bestätigt diese Auslegung des angefochtenen Bescheides, wurde doch der Bescheid der beschwerdeführenden Versicherungsanstalt im vollen Umfang, sowohl hinsichtlich der Versicherungspflicht als auch hinsichtlich sämtlicher Vorschreibungen, mangels eines sozialversicherungspflichtigen Tatbestandes von der Mitbeteiligten bekämpft und beantragt, den Anstaltsbescheid "ersatzlos aufzuheben".

Der angefochtene Bescheid enthält daher sowohl in der Frage der Versicherungspflicht als auch in jener der Beitragspflicht der Mitbeteiligten eine materiell-rechtliche Aussage dahingehend, daß die in dieser Frage getroffene Feststellung durch die beschwerdeführende Anstalt zu Recht erfolgt sei und sowohl Versicherungs- als auch Beitragspflicht nicht bestünden.

2.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0332 = ZfVB 1992/3/1038, dargelegt hat, ist die Anfechtung eines Beitragsbescheides ausschließlich aus dem Grund der (behauptetermaßen) mangelnden Versicherungspflicht zwar grundsätzlich zulässig, weil die Versicherungspflicht als notwendige Voraussetzung der Beitragspflicht im Beitragsverfahren eine Vorfrage im Sinne der §§ 38 und 69 Abs. 1 lit. c AVG darstellt und die gesetzwidrige Beurteilung einer Vorfrage die Rechtswidrigkeit der darauf gestützten Entscheidung der Hauptfrage zur Folge hat; die Behörde ist aber bei der Beurteilung einer solchen Rechtsfrage, die zur Hauptfrage des Verfahrens im Verhältnis der Vorfrage steht, an einen von ihr selbst bereits früher oder gleichzeitig erlassenen Hauptfragenbescheid auch dann gebunden, wenn dieser entweder zufolge eines mittlerweile erhobenen Rechtsmittels oder mangels Ablaufes der Rechtsmittelfrist noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 89/08/0186 = ZfVB 1992/3/1038).

Die vorstehenden Überlegungen gelten im gleicher Weise für die Verneinung der Versicherungspflicht und die daraus resultierende Verneinung der Beitragsverpflichtung.

2.3. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides hat der Verwaltungsgerichtshof die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides zugrunde zu legen, hier also die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr in der Beitragssache angefochtenen Bescheides des Landeshauptmannes vom 16. Februar 1979.

Auf den Beschwerdefall übertragen bedeutet die in Punkt 2.2. dargestellte Rechtslage, daß der Verwaltungsgerichtshof - ungeachtet der mittlerweile im Jahr 1988 im Umfang der Versicherungspflichtsache ausgesprochenen, auf § 66 Abs. 2 AVG gegründeten Behebung des angefochtenen Bescheides des Landeshauptmannes durch den Bescheid des Bundesministers vom 14. Oktober 1988 - auch seiner verwaltungsgerichtlichen Entscheidung jene spezifische Bindungswirkung zugrunde zu legen hat, die nach der zitierten Rechtsprechung bei dem hier vorliegenden gleichzeitigen Abspruch über Versicherungs- und Beitragspflicht im Bescheid des Landeshauptmannes der Entscheidung über die Versicherungspflicht für die Frage der Beitragspflicht beigemessen wird. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher unter dem Gesichtspunkt des Beschwerdevorbringens, das sich ausschließlich gegen die dem Bescheid zugrundeliegende Verneinung der Versicherungspflicht der Mitbeteiligten wendet, nicht als rechtswidrig. Andere Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsentscheidung werden in der Beschwerde nicht erhoben und sind auch sonst nicht erkennbar.

Der Verwaltungsgerichtshof bemerkt in diesem Zusammenhang noch, daß eine allfällige spätere rechtskräftige Bejahung der Versicherungspflicht einen Wiederaufnahmetatbestand im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. c AVG in der Beitragspflichtsache bildet.

2.4. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988080274.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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