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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
VStG §37 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des C in F, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. März 1991, Zl. IIb2-V-8473/2-91, betreffend Verfall einer vorläufigen Sicherheit in einer Verwaltungsstrafsache (Übertretung der StVO), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die vom Beschwerdeführer eingehobene vorläufige Sicherheit von S 8.000,-- für verfallen erklärt wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Am 1. November 1988 ereignete sich auf der Zillertal-Bundesstraße ein Verkehrsunfall, an dem der Beschwerdeführer als Lenker eines Kraftfahrzeuges beteiligt war. Im Zuge der gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretungen der StVO geführten Amtshandlungen wurde von einem Gendarmeriebeamten am 3. November 1988 vom Beschwerdeführer eine vorläufige Sicherheit in der Höhe von S 10.500,-- gemäß § 37a Abs. 2 Z. 2 VStG eingehoben und dem Beschwerdeführer darüber eine Bescheinigung ausgestellt.
Mit Schreiben vom 22. März 1990 beantragte der Beschwerdeführer, ihm die erlegte Kaution zurückzustellen. In einem weiteren Schreiben vom 14. Mai 1990 verwies der Beschwerdeführer auf den Ablauf der Frist des § 37 Abs. 2 VStG.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 14. Mai 1990 wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. c und § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO bestraft. Gleichzeitig wurde die eingehobene Sicherheitssumme gemäß § 37 Abs. 5 VStG für verfallen erklärt.
In der dagegen eingebrachten Berufung wurde vom Beschwerdeführer das Straferkenntnis lediglich insoweit bekämpft, als die erlegte Sicherheitssumme von S 10.500,-- für verfallen erklärt wurde.
Mit Bescheid vom 14. März 1991 gab die Tiroler Landesregierung der Berufung insofern Folge, als die Verfallserklärung der Erstbehörde, soweit sie den Betrag von S 8.000,-- übersteigt, ersatzlos behoben wurde. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte die Behörde aus, dem Gesetz (§ 37a Abs. 5 VStG) sei nicht zu entnehmen, ab welchem Zeitpunkt die Frist für die Verfallserklärung zu berechnen sei. Eine denkmögliche Anwendung des Gesetzes wäre es, den Beginn dieser Frist mit dem Tage der Einhebung der vorläufigen Sicherheit anzusetzen. Nachdem der Ausspruch über den Verfall einer Sicherheitsleistung untrennbar mit dem Ausgang des Strafverfahrens verbunden sei, müßte diese Auslegung zu dem Ergebnis führen, daß jedes, noch so umfangreiche Verwaltungsstrafverfahren auch innerhalb der 3-Monats-Frist abgeschlossen werden müßte. Ein Beschuldigter könnte diesfalls mühelos den Abschluß des Verfahrens hinauszögern und nach Ablauf der im § 37a Abs. 5 VStG normierten Frist die Herausgabe der Sicherheitsleistung verlangen. Wenn man bedenke, daß gerade die Strafverfolgung im Ausland besonders aufwendig sei, so könne es nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein, durch die Bestimmung des § 37a Abs. 5 VStG der Behörde eine Frist zu setzen, innerhalb der sie das Straferkenntnis zu fällen habe. Werde andererseits bereits vor der Erlassung des Straferkenntnisses der Verfall ausgesprochen, so führe dies dazu, daß ein Beschuldigter noch vor der Entscheidung der ersten Instanz in der Sache selbst gegen den Verfallsbescheid Berufung erheben müsse, wolle er nicht Gefahr laufen, daß der Verfallsbescheid in Rechtskraft erwachse. Der Berufungsbehörde sei es ihrerseits nicht möglich, vor der rechtskräftigen Entscheidung in der Sache selbst über die Rechtmäßigkeit des Verfalles abzusprechen. Die Berufungsbehörde gehe daher davon aus, daß der Verfall der vorläufigen Sicherheit durch die Erstbehörde spätestens nach drei Monaten ab Rechtskraft eines Schuldspruches zu erfolgen habe. Dies lasse sich auch aus der Systematik des Gesetzes ableiten. Sinn und Zweck einer Kaution sei es, die Strafverfolgung und den Strafvollzug zu sichern. Dies könne nur bedeuten, daß sich die Behörde im Sinne der Bestimmungen des § 39 Abs. 2 AVG vor der Entscheidung über den allfälligen Verfall einer Sicherheit Klarheit verschaffen müsse, ob der Anzeige überhaupt ein verwaltungsstrafrechtlich relevantes Verhalten zu Grunde liege bzw. ob dem Angezeigten die ihm zur Last gelegte(n) Übertretung(en) auch schuldhaft zugerechnet werden könnten. Diese Prüfung könne nur im Zuge eines Verwaltungsstrafverfahrens erfolgen. Erst der rechtskräftige Abschluß dieses Verfahrens bilde die Grundlage für die Entscheidung über den Verfall einer Sicherheitsleistung. Eine vorab getroffene Entscheidung der Erstbehörde, die lediglich abstrakt darauf abstelle, daß sich der Strafvollzug als unmöglich erweisen werde, wäre völlig sinnlos und mangels eines entsprechenden Rechtshilfeabkommens mit der Bundesrepublik Deutschland zum Zeitpunkte der Entscheidung in I. Instanz ohnedies offenkundig gewesen. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß seit dem 1. Oktober 1990 die Möglichkeit bestehe, Geldstrafen in der Bundesrepublik Deutschland im Rechtshilfeweg einzutreiben, sofern es sich um Geldstrafen handle, die nach dem Inkrafttreten des Vertrages über die Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen mit der Bundesrepublik Deutschland verhängt wurden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 11. Juni 1991, B 457/91-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde vom Beschwerdeführer die Beschwerde ergänzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist zu bemerken, daß Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens nicht die Rechtmäßigkeit der Festsetzung und Einhebung der vorläufigen Sicherheit durch den Gendarmeriebeamten ist, sondern ausschließlich die Frage der Rechtmäßigkeit des ausgesprochenen Verfalles. Hinzuweisen ist ferner darauf, daß es vorliegend um den Verfall einer gemäß § 37a VStG eingehobenen vorläufigen Sicherheit geht. In diesem Sinne versteht der Verwaltungsgerichtshof das Beschwerdevorbringen dahin, daß die vorläufige Sicherheit frei geworden sei, weil nicht innerhalb der im Gesetz vorgesehenen Frist der Verfall ausgesprochen wurde.
Die Bestimmungen über die Sicherheitsleistung (§§ 37 und 37 a VStG) wurden durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 176/1983 neu gefaßt und lauten, was das Freiwerden und den Verfall einer (in Geld bestehenden) Sicherheit (einer vorläufigen Sicherheit) anlangt, nunmehr wie folgt:
"§ 37 (4) Die Sicherheit wird frei, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist, oder nicht binnen sechs Monaten der Verfall ausgesprochen wurde. ...
(5) Die Sicherheit kann für verfallen erklärt werden, sobald sich die Strafverfolgung des Beschuldigten oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist ...
§ 37a (5) Die vorläufige Sicherheit wird frei, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist, oder wenn nicht binnen drei Monaten gemäß § 37 Abs. 5 der Verfall ausgesprochen wird ..."
Vor dieser Neufassung hatten die §§ 37 und 37a VStG insoweit folgenden Wortlaut:
"§ 37 (2) Der Sicherstellungsauftrag tritt außer Kraft, wenn binnen drei Monaten nach seiner Erlassung kein Straferkenntnis (Strafverfügung) erflossen ist, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist.
(3) Die Sicherheit verfällt, wenn sich der Beschuldigte der Verfolgung oder dem Vollzug der Strafe entzieht oder einer den Verfall androhenden, zu eigenen Handen zugestellten Ladung der Behörde unentschuldigt keine Folge leistet. ...
§ 37a (2) Die Sicherheitssumme wird frei, wenn binnen drei Monaten nach ihrem Erlag kein Straferkenntnis (Strafverfügung) erflossen ist, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist.
(3) Für den Verfall der Sicherheit gelten die Bestimmungen des dritten Absatzes des § 37."
Während nach der früheren Rechtslage der Sicherstellungsauftrag nur dann außer Kraft trat und die Sicherheitssumme nur dann frei wurde, wenn binnen drei Monaten nach seiner Erlassung (Sicherstellungsauftrag) bzw. nach ihrem Erlag (Sicherheitssumme) kein Straferkenntnis (Strafverfügung) erflossen ist, und die Sicherheit verfiel, wenn sich der Beschuldigte der Verfolgung oder dem Vollzug der Strafe entzog oder einer den Verfall androhenden, zu eigenen Handen zugestellten Ladung der Behörde unentschuldigt keine Folge leistete, ist der Neuregelung nicht zu entnehmen, ab welchem Zeitpunkte die Frist für den nunmehr bescheidmäßig auszusprechenden und nur mehr aus den Gründen des § 37 Abs. 5 VStG zulässigen Verfall zu berechnen ist. Nach den Erläuterungen in 161 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XV. GP entspricht der Abs. 4 (der Neufassung) im wesentlichen dem § 37 Abs. 2 in der derzeit geltenden Fassung. Weiters heißt es in diesen Erläuterungen, daß die Abs. 5 und 6 im wesentlichen der bestehenden Rechtslage entsprechen - ob dies hinsichtlich Abs. 5 in dieser Form zutrifft, sei dahingestellt - und daß entsprechend der Neufassung des § 37 auch der § 37a neu gefaßt wurde.
Die Regelungen der §§ 37 und 37a VStG über das Freiwerden und den Ausspruch des Verfalles einer Sicherheit (einer vorläufigen Sicherheit) stehen in einem engen normativen Zusammenhang, auf den auch bei Auslegung dieser Bestimmungen Bedacht zu nehmen ist. Wie den vorstehend angeführten Erläuterungen zu entnehmen ist, soll durch die Neufassung die Frist für das Freiwerden der Sicherheitsleistung (der vorläufigen Sicherheit) keine wesentliche Änderung erfahren. Der Gesetzgeber geht demnach davon aus, daß jedenfalls insoweit die Neufassung der früheren Fassung im wesentlichen entspricht. Dies bedeutet aber, daß die Frist für den Ausspruch des Verfalles einer vorläufigen Sicherheit, wenn diese - wie im Beschwerdefall - in einem Geldbetrage besteht, jedenfalls von ihrer Einhebung zu berechnen ist. Daß die Sicherheit gemäß § 37 Abs. 5 VStG nur für verfallen erklärt werden kann, sobald sich die Strafverfolgung des Beschuldigten oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist, berechtigt nicht zu dem Schluß, daß der Beginn der Frist für den Ausspruch des Verfalls vom Feststehen einer dieser Tatbestände abhängt. Vielmehr läßt der Wortlaut der Abs. 4 und 5 des § 37 VStG und der damit normativ verknüpfte Abs. 5 des § 37a leg. cit. keinen Zweifel daran, daß der Anknüpfungspunkt für die Fristberechnung allein die Sicherheit (§ 37) bzw. die vorläufige Sicherheit (§ 37a) ist. Für die vorstehende Auslegung des § 37a Abs. 5 VStG spricht ferner der Umstand, daß es sich bei einer nach dieser Gesetzesstelle eingehobenen Sicherheit bloß um eine vorläufige Maßnahme handelt.
Die belangte Behörde verkannte daher die Rechtslage, wenn sie davon ausging, daß der Verfall der vorläufigen Sicherheit spätestens nach drei Monaten ab Rechtskraft eines Schuldspruches zu erfolgen habe, ganz abgesehen davon, daß die Beurteilung, ob sich die Strafverfolgung des Beschuldigten oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist, einen rechtskräftigen Schuldspruch nicht zur Voraussetzung hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991030181.X00Im RIS seit
11.07.2001