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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des S, derzeit T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 27. März 1992, Zl. St-33/92, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. März 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 3 sowie § 4 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), ein bis zum 27. Februar 1997 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.
In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe anläßlich der am 26. Februar 1992 mit ihm aufgenommenen Niederschrift angegeben, er sei am 12. Februar 1992 in einem Lkw aus Ungarn kommend an einem ihm unbekannten Grenzübergang, ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes gewesen zu sein, nach Österreich eingereist, sei dann nach Bregenz gefahren und hätte sich dort bis zum 23. Februar 1992 ohne polizeiliche Meldung aufgehalten; an diesem Tag sei er nach Wels gefahren und wohne seither im Raum Wels. Der Beschwerdeführer habe in der bezeichneten Niederschrift in Abrede gestellt, jemals zuvor in Österreich gewesen zu sein, sein Reisepaß sei allerdings am 12. September 1990 vom türkischen Generalkonsulat in Bregenz verlängert worden, wofür der Beschwerdeführer keine Erklärung abgeben könne; er müsse also - entgegen seinem ausdrücklich Vorbringen - schon früher einmal in Österreich gewesen sein. Die erwähnten Umstände rechtfertigten die Annahme, daß der Beschwerdeführer die öffentliche Ordnung gefährde. In Österreich lebten zwar die Schwester und der Bruder des Beschwerdeführers, doch könne der Beschwerdeführer entsprechend der von ihm angegebenen kurzen Aufenthaltsdauer nicht als integriert angesehen werden. Sein berufliches oder persönliches Fortkommen erscheine in Anbetracht seines Alters von 36 Jahren durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht gefährdet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2, Z. 6 sowie des Abs. 3 FPG lauten:
§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen.
(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2.
die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
3.
die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag zunächst die Ansicht des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid sei auf § 3 Abs. 2 Z. 6 FPG gestützt worden, nicht zu teilen; vielmehr versteht der Gerichtshof die diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides dahin, daß die belangte Behörde damit die unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers in Hinsicht auf seinen früheren Aufenthalt in Österreich hervorheben wollte.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. Dezember 1990, Zl. 90/19/0146) handelt es sich bei Abs. 1 des § 3 FPG um die Generalklausel und bei Abs. 2 um die beispielsweise Aufzählung von Fällen, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedenfalls rechtfertigen; ein Aufenthaltsverbot kann gemäß § 3 Abs. 1 FPG auch dann erlassen werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im Abs. 2 angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die Annahme rechtfertigen, daß durch den Aufenthalt des Betroffenen eine tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit vorliegt oder andere öffentliche Interessen verletzt werden. Der Entscheidung über die Erlassung des Aufenthaltsverbotes ist von der Behörde das Gesamtverhalten des Betroffenen zugrunde zu legen.
Die Subsumtion des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers unter § 3 Abs. 1 FPG ist aus folgenden Erwägungen nicht als rechtwidrig zu erkennen:
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 25. November 1991, Zl. 91/19/0254) kann ein Fehlverhalten, das zu einer Bestrafung nach einem der im § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall genannten vier Gesetze hätte führen müssen, zu welcher es jedoch - aus welchen Gründen immer - nicht gekommen ist, in die Beurteilung des Gesamtverhaltens im Sinne des § 3 Abs. 1 FPG miteinbezogen werden, doch ist auch in diesem Fall das Vorliegen eines zusätzlichen Fehlverhaltens erforderlich, um entsprechend dem so festgestellten Gewicht des Gesamtverhaltens die Annahme einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 FPG zu rechtfertigen.
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer durch die am 12. Februar 1992 erfolgte Einreise ohne den erforderlichen Sichtvermerk und den nachfolgenden unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich jedenfalls sowohl ein strafbares Verhalten nach dem Paßgesetz als auch nach dem FPG gesetzt hat. Weiters hat die belangte Behörde auf den Verstoß des Beschwerdeführers gegen das Meldegesetz verwiesen. Schließlich hat der Beschwerdeführer jedenfalls aber auch ein "zusätzliches" Fehlverhalten damit zu verantworten, daß er sich - wie durch die Verlängerung seines Reisepasses am 12. September 1990 in Bregenz dokumentiert - bereits im September 1990 unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat (vgl. zur diesbezüglichen Rechtslage in Hinsicht auf den Sichtvermerkszwang gegenüber türkischen Staatsangehörigen näher das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1992, Zl. 91/19/0317), wobei der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet, der damalige Aufenthalt in Österreich sei rechtmäßig gewesen. Dieser Umstand gewinnt auch in Hinsicht auf die von der belangten Behörde im Grunde des § 3 Abs. 3 FPG vorgenommene Interessenabwägung an Bedeutung, welcher der Beschwerdeführer nichts Entscheidendes entgegenzusetzen vermag. Insbesondere verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend auf das hg. Erkenntnis vom 23. März 1992, Zl. 91/19/0364, wonach bei der Interessenabwägung nur ein rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich zu berücksichtigen ist.
Geradezu mutwillig ist das Vorbringen in der Beschwerde, die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes sei "mit keinem Wort" begründet worden, hat doch die belangte Behörde insoweit darauf verwiesen, daß sich die Dauer des Aufenthaltsverbotes an der Tilgungsfrist für die vom Beschwerdeführer gesetzten Verwaltungsübertretungen "orientiert". Da dem festgestellten Sachverhalt im übrigen nichts zu entnehmen ist, das erkennen ließe, die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes könnten zu einem früheren Zeitpunkt wegfallen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1992, Zl. 92/18/0138), erweist sich die vorliegende Beschwerde auch insoweit als unbegründet.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180179.X00Im RIS seit
09.07.1992