TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/9 92/06/0007

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Veröffentlicht am 09.07.1992
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Index

L10015 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Salzburg;
L80005 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Salzburg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
B-VG Art119a Abs9;
GdO Slbg 1976 §18 Abs1;
GdO Slbg 1976 §36 Abs3 idF 1988/067;
GdO Slbg 1976 §36 Abs3;
GdO Slbg 1976 §38 Abs3;
ROG Slbg 1977 §19 Abs3;
VwGG §23 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Hallein, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Slbg LReg vom 27.11.1991, Zl. 7/03-205184/5-1991, betr Ausnahmebewilligung nach § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: N in B, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Hallein), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 9. April 1991 bei der beschwerdeführenden Stadtgemeinde eingelangten Ansuchen vom 22. Februar 1991 beantragte der Mitbeteiligte gemäß § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 (ROG) die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Errichtung eines Gewerbebetriebes mit Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. nn/2 KG Dürrnberg. Im Antrag wurde ausgeführt, das Grundstück sei hinsichtlich Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung erschlossen, es liege an der Landesstraße. Dem Ansuchen war ein Bauplan ("Vorentwurf") des J. M. vom 22. Februar 1991 angeschlossen.

Nach Kundmachung des Ansuchens holte die Beschwerdeführerin zur Frage der Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der erkennbaren Planungsabsicht ein Gutachten ein. In seinem Gutachten vom 27. Mai 1991 führt der Amtssachverständige aus, das Grundstück sei im geltenden Flächenwidmungsplan als Grünland gemäß § 14 ROG 1977 ausgewiesen; die Parzelle liege teilweise in der roten Zone und zur Gänze in der gelben Zone des Gefahrenzonenplanes. Nach Darlegung der örtlichen Gegebenheiten und Beschreibung des eingereichten Projektes sowie der Feststellung der vorhandenen Erschließung führte der Gutachter zunächst aus, daß die Gesamtgeschoßfläche für das eingereichte Projekt (Wohnhaus) 202,11 m2 betrage und schon deshalb nicht den Bestimmungen des § 19 Abs. 3 ROG entspreche. Im räumlichen Entwicklungskonzept der beschwerdeführenden Stadtgemeinde sei hinsichtlich der Erteilung von Einzelbewilligungen festgehalten, daß besonders zu prüfen sei, ob eine vollständige Aufschließung gegeben sei, ob die bauliche Anlage im Rahmen einer Siedlungserweiterung möglich sei und ob keine Beeinträchtigung der Orts- und Siedlungsrandgestaltung sowie der Erhaltung der landwirtschaftlichen Struktur vorliege. Bei der Abänderung des Flächenwidmungsplanes sei unter anderem zu beachten, daß keine Baulandausweisungen in Gebieten erfolgten, deren Erschließung unwirtschaftliche Aufwendungen erforderlich machten oder die in gefährdeten Bereichen lägen. Da durch die Erteilung einer Einzelbewilligung gemäß § 19 Abs. 3 ROG die Errichtung eines Objektes, das im Widerspruch zu Flächenwidmung stehe, ermöglicht werde, könnten sinngemäß auch die Ziele, die für eine Flächenwidmungsplanänderung formuliert worden seien, angewendet werden. Die Errichtung des vorliegenden Objektes stehe eindeutig im Widerspruch zu den Zielen im räumlichen Entwicklungskonzept der beschwerdeführenden Stadtgemeinde. Der geplante Gewerbebetrieb stelle einen massiven Eingriff in die bestehende landwirtschaftliche Struktur in diesem Gebiet des Dürrnberges in der Fischpointleiten dar. Dieser Bereich sei durch landwirtschaftliche Betriebe und Wohnbebauung geprägt. Durch die geplante Baumaßnahme würde der nicht gewünschte Effekt einer Straßensiedlung entstehen. Der geplante Gewerbebetrieb stelle keine organische Erweiterung der weilerförmigen Ansiedlung in diesem Bereich dar, da dieser ausschließlich von Wohnobjekten gebildet werde. In Ausschußberichten aus den Jahren 1984 und 1987 sei überdies festgehalten, daß für Bauvorhaben neuer Betriebe eine Bewilligung gemäß § 19 Abs. 3 ROG dann nicht erteilt werden solle, wenn Gewerbe- oder Industriegebietsflächen in der Gemeinde verfügbar seien. Nach Ausführungen zu Anrainerwünschen und der Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung sowie der Berghauptmannschaft wurde zusammengefaßt ausgeführt, daß aufgrund der Tatsache, daß es sich bei dem gegenständlichen Objekt um eine kombinierte Wohn- und Betriebsbebauung handle, wobei die Gesamtgeschoßfläche für die Wohnbebauung mehr als 200 m2 Gesamtgeschoßfläche betrage und durch die geplante Ansiedlung eines neuen Gewerbebetriebes in diesem Bereich des Dürrnberges der Eingriff in die landwirtschaftliche Struktur als erheblich anzusehen sei, des weiteren der Lage der GP nn/2 der KG Dürnberg zur Gänze in der gelben Gefahrenzone bzw. des östlichen Randes in der roten Gefahrenzone und des negativen Einflusses auf die weilerförmige Ansiedlung, die aus Wohnobjekten bestehe, könne der beschwerdeführenden Gemeinde nicht empfohlen werden, die raumordnungsmäßige Bewilligung gemäß § 19 Abs. 3 ROG zu erteilen.

Dieses Gutachten wurde dem Mitbeteiligten zur Stellungnahme übermittelt, der sich in seinem Schreiben vom 4. Juni 1991 dahingehend äußerte, daß er einen neuen stichhältigen Gefahrenplan von der Wildbach- und Lawinenverbauung vorlegen werde (eine derartige Vorlage erfolgte während des Verwaltungsverfahrens nicht). Weiters wies der Mitbeteiligte darauf hin, daß er zum Bau der Dürrnbergstraße einen erheblichen Teil beigetragen habe und zirka 10.000 m2 Wald- und Wiesenfläche zu einem nicht angemessenen Preis abgegeben habe. Bezüglich der beanstandeten Gesamtgeschoßfläche von 202,11 m2 würde er selbstverständlich (den Plan) auf 200 m2 abändern lassen.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 6. Juni 1991 führte der raumordnungstechnische Amtssachverständige aus, daß der Gefahrenzonenplan seit 1983 bestehe. Die Errichtung eines Gewerbebetriebes stelle einen Eingriff in die ländliche Struktur im Raum Fischpointleiten dar. Die Grundparzelle werde gegenwärtig landwirtschaftlich genutzt und grenze außerhalb der weilerförmigen Ansiedlung entlang der Zillstraße überall an landwirtschaftlich genutzten Grund. Es bestehe bereits mit dem Standort W-Weg ein Fuhrwerksbetrieb des Antragstellers, das eingereichte Projekt stelle jedenfalls eine Standortverlegung bzw. eine Neuerrichtung eines Gewerbebetriebes in einer als Grünland ausgewiesenen Grundfläche dar. Aufgrund der Erklärung des Antragstellers, die Gesamtgeschoßfläche auf 200 m2 abzuändern, werde aus dem eingereichten Projekt im Ergeschoß der Windfang mit einer Fläche 3,59 m2 gestrichen, somit betrage die neue Gesamtgeschoßfläche 198,52 m2 und entspreche dann in dieser Hinsicht den Bestimmungen des § 19 Abs. 3 ROG. Trotz der Abänderung der Gesamtgeschoßfläche könne aber die Erteilung einer Einzelbewilligung nicht empfohlen werden, da die übrigen Punkte, wie Eingriff in die landwirtschaftliche Struktur, Lage in der gelben bzw. teilweisen roten Zone des Gefahrenzoneplanes und ein negativer Einfluß auf die weilerförmige Ansiedlung entlang der Zillstraße nach wie vor aufrecht blieben.

Die Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Stadtgemeinde hat in ihrer Sitzung vom 19. Juli 1991 den Beschluß gefaßt, die beantragte Genehmigung zu versagen. Die Beschlußfassung stützte sich auf das Gutachten vom 27. Mai 1991 samt der Ergänzung vom 6. Juni 1991. Mit Bescheid vom 8. Juli 1991 wurde dem Ansuchen des Mitbeteiligten vom 22. Februar 1991 um Erteilung der Bewilligung gemäß § 19 Abs. 3 ROG 1977 für die Errichtung eines Gewerbebetriebes mit Wohnhaus auf der GP nn/2 KG Dürrnberg nach Maßgabe des vorgelegten Vorentwurfsplanes vom 22. Februar 1991, verfaßt vom J. M., die Genehmigung versagt. Zur Begründung wurde nach Wiederholung des Gutachtens vom 27. Mai 1991 sowie dessen Ergänzung vom 6. Juli 1991 ausgeführt, es könne davon ausgegangen werden, daß das Vorhaben die Voraussetzungen der im § 19 Abs. 3 ROG enthaltenen rechtlichen Regelungen nicht erfülle und aus raumordnungstechnischer Sicht nicht genehmigt werden könne.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung führte der Mitbeteiligte aus, er habe die ursprünglich beantragte Gesamtgeschoßfläche von 202,11 m2 auf 198,52 m2 abgeändert, so daß dieser Punkt wegzufallen habe. Weiters sei unrichtig, daß der östliche Bereich des Grundstückes in der roten Gefahrenzone liege. Völlig unrealistisch sei die Ansicht der Stadtgemeindevertretung, daß das geplante Vorhaben einen Eingriff in die bestehende landwirtschaftliche Struktur darstelle. Sowohl aus betriebswirtschaftlicher Sicht als auch aus Zweckmäßigkeitsgründen und zur Strukturierung für die Zukunft sei es erforderlich, den derzeit im landwirtschaftlichen Betrieb und somit auch im Gehöft befindlichen Fuhrwerksbetrieb von dem landwirtschaftlichen Betrieb zu trennen und zu verlegen. Die geplante Maßnahme stelle hiefür die geeignetste dar, da dadurch die Fortführung des intensivst geführten landwirtschaftlichen Betriebes gesichert und nicht durch strukturelle Maßnahmen des Fuhrwerksbetriebes beeinträchtigt würde.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde den Bescheid der Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 8. Juli 1991 aufgehoben. Zur Begründung wurde nach kurzer Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, der Mitbeteiligte habe zwar in seinem Schreiben vom 4. Juni 1991 mitgeteilt, er werde die beanstandete Gesamtgeschoßfläche selbstverständlich auf 200 m2 abändern lassen. Eine solche Abänderung des Bauprojektes durch den Bewilligungswerber finde sich im weiteren Verfahrensverlauf nicht, vielmehr habe der Amtssachverständige selbst in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 6. Juni 1991 ausgeführt, aufgrund der Erklärung des Antragstellers, die Gesamtgeschoßfläche auf 200 m2 abzuändern, aus dem eingereichten Projekt im Ergeschoß den Windfang in einem Ausmaß von 3,59 m2 gestrichen zu haben. Nicht der Bewilligungswerber sondern die zuständige Behörde habe somit das verfahrensgegeständliche Bauprojekt in einem entscheidenden Punkt eigenmächtig, willkürlich und ohne eine entsprechende Willenserklärung des Bewilligungswerbers abzuwarten, abgeändert. Dieser Vorgang stelle eine unzulässige Verfälschung des der nachfolgenden Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhaltes durch die Behörde dar. Er führe für sich allein zwingend zur Aufhebung des Bescheides. Weiters werde aufgezeigt, daß das Amtsgutachten vom 27. Mai 1991 über allgemeine Darlegungen nicht hinauskomme und insbesondere nicht darlege, wieso - konkret betrachtet - das Bauvorhaben dem räumlichen Entwicklungskonzept bzw. den Planungsabsichten der Beschwerdeführerin zuwider laufe. Dieses Raumordnungsgutachten vom 27. Mai 1991 dürfe im fortgesetzten Verfahren nicht mehr verwendet werden. Auch sei ein Umweltverträglichkeitsgutachten einzuholen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift, in der die Zurückweisung bzw. die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde, vorgelegt. Auch der Mitbeteiligte beantragte in seiner Gegenschrift die Zurückweisung bzw. kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Begründung des Antrages, die Beschwerde zurückzuweisen, stützt sowohl die belangte Behörde als auch der Mitbeteiligte auf den Umstand, daß die Einbringung der Beschwerde - zunächst (der diesbezügliche Beschluß der Stadtgemeindevertretung wurde erst am 5. März 1992 gefaßt und in der Folge dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt) - nicht durch einen Beschluß des für die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde zuständigen Organes, nämlich der Stadtgemeindevertretung Hallein, abgedeckt war. Der angefochtene Bescheid sei der Beschwerdeführerin am 29. November 1991 zugestellt worden, die Stadtgemeindevertretung sei am 5. Dezember 1991 und am 13. Dezember 1991 zusammengetreten. Obwohl es dem Bürgermeister ein leichtes gewesen wäre, die Stadtgemeindevertretung mit der Frage der Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu befassen, sei diese Angelegenheit nicht auf die Tagesordnung gesetzt worden. Die vom Bürgermeister gewählte Vorgangsweise sei rechtswidrig, die behauptete Notkompetenz nach § 38 Abs. 3 der Gemeindeordnung sei gar nicht gegeben gewesen.

Gemäß § 36 Abs. 3 der Salzburger Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 56/1976, i.d.F. LGBl. Nr. 67/1988, vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Eine Einschränkung dieser Vertretungsbefugnis sieht die Salzburger Gemeindeordnung - mit Ausnahme des hier nicht anzuwendenden § 39 - nicht vor. Bereits im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Mai 1980, Slg. N.F. Nr. 10.147/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß an der Rechtsprechung, wonach bei der Beschwerdeerhebung durch juristische Personen des öffentlichen Rechtes nicht nur die Erteilung der Vollmacht durch das nach außen vertretungsbefugte Organ verlangt werde, sondern auch die auf die Beschwerdeerhebung gerichtete Willensbildung des zuständigen Organes nachgewiesen werden müsse, nicht mehr festgehalten werden könne. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß ordnungsgemäß kundgemachte Organisationsnormen für juristische Personen auch des öffentlichen Rechtes nach außen Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe vorsehen können; sprechen die Normen jedoch von einer Vertretung nach außen schlechthin, so könne nicht auf anderweitige, bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnde Normen zurückgegriffen werden. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von der im Erkenntnis vom 29. Mai 1980, gewonnenen und seither (vgl. das Erkenntnis vom 11. Juni 1981, Slg. N.F. Nr. 10.479/A zur Stmk. Gemeindeordnung) vertretenen Ansicht abzugehen.

Es ist daher anhand der für die beschwerdeführenden Gemeinde maßgeblichen Organisationsnormen zu untersuchen, ob das zu ihrer Vertretung berufene Organ nach außen Handlungsbeschränkungen unterworfen ist.

Die Erhebung von Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG zählt zu den Aufgaben der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich im Sinne des Art. 116 Abs. 2 B-VG. Über die Aufgaben des Bürgermeisters im eigenen Wirkungsbereich bestimmt § 36 Abs. 3 der Salzburger Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 56/1976, i.d.F. LGBl. Nr. 67/1988, wie bereits erwähnt, daß der Bürgermeister die Gemeinde nach außen vertritt. Hingegen ist die Gemeindevertretung gemäß § 18 Abs. 1 der Salzburger Gemeindeordnung in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, die nicht ausdrücklich durch Gesetz dem Bürgermeister (der Gemeindevorstehung) zugewiesen sind, das Organ, das die erforderlichen Beschlüsse faßt und die Geschäftsführung in allen Zweigen der Gemeindeverwaltung überwacht. Damit kommt der Gemeindevertretung die Aufgabe der Willensbildung und die Aufgabe der Überwachung zu, nicht jedoch die Aufgabe, nach außen für die Gemeinde tätig zu werden, den Bürgermeister also in seiner Vertretung der Gemeinde nach außen zu beschränken. Auch ist der Bürgermeister nicht etwa nur in jenen Angelegenheiten zur Setzung von Vertretungshandlungen nach außen befugt, in denen die Gemeindevertretung vorher einen Beschluß gefaßt hat.

Der von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei in ihren Gegenschriften vertretenen Ansicht, der Bürgermeister sei zur Einbringung der Beschwerde ohne Beschlußfassung der Gemeindevertretung nicht befugt gewesen, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten. Die Bestimmung des § 38 Abs. 3 der Salzburger Gemeindeordnung erlaubt es dem Bürgermeister dann, wenn die Entscheidung von Angelegenheiten, die in den Wirkungskreis der Gemeindevertretung oder eines Ausschusses fallen, ohne Nachteil für die Sache oder ohne Gefahr eines Schadens für die Gemeinde nicht abgewartet werden kann, unter seiner Verantwortung die unbedingt erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Weder dieser Vorschrift, noch jener des § 36 Abs. 3 ist aber zu entnehmen, daß dem Bürgermeister nach außen Handlungsbeschränkungen auferlegt seien. Die genannten Bestimmungen sprechen daher nicht dagegen, daß der Bürgermeister, wenn er selbst ohne durch entsprechenden Beschluß der Gemeindevertretung gedeckt zu sein, Vertretungshandlungen setzen kann, die zwar im Innenverhältnis rechtswidrig, im Außenverhältnis jedoch verbindlich sind. Aus diesen Gründen sah der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß, die vorliegende Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Die belangte Behörde hat die Aufhebung des Bescheides der Gemeindevertretung der Beschwerdeführerin vom 8. Juli 1991 zunächst darauf gestützt, daß nicht der Bewilligungswerber, sondern die Behörde das verfahrensgegenständliche Bauprojekt in einem entscheidenden Punkt eigenmächtig, willkürlich und ohne eine entsprechende Willenserklärung des Bewilligungswerbers abzuwarten, abgeändert habe. Diese Ansicht ist schon insofern unrichtig, als das eingereichte Bauprojekt nicht in einem entscheidenden Punkt abgeändert wurde, hat doch der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 6. Juni 1991 ausgeführt, daß TROTZ der Abänderung der Gesamtgeschoßfläche auf unter 200 m2 wegen des Vorliegens der Eingriffe in die landwirtschaftliche Struktur, die Lage in der gelben bzw. teilweise roten Zone laut Gefahrenzonenplan und des negativen Einflusses auf die weilerförmige Ansiedlung entlang der Zillstraße eine Erteilung einer Einzelbewilligung im Sinne des § 19 Abs. 3 ROG 1977 nicht empfohlen werden könne. Die Gemeindevertretung hat sich bei ihrer Entscheidung nicht nur auf die Gutachten vom 27. Mai 1991, sondern auch auf die Ergänzung dieses Gutachtens vom 6. Juni 1991 gestützt und ging davon aus, daß das Vorhaben die Voraussetzung des § 19 Abs. 3 ROG nicht erfülle. Die Abänderung des verfahrensgegenständlichen Bauprojektes erfolgte daher nicht in einem entscheidenden Punkt, da die Gemeindevertretung zu dem Schluß kam, daß unabhängig von der Gesamtgeschoßfläche von knapp über 200 m2 bzw. knapp darunter, das eingereichte Projekt dem räumlichen Entwicklungskonzept und der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht bzw. den gegebenen oder angestrebten Strukturverhältnissen widerspreche. Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob die Abänderung des eingereichten Planes durch einen Amtssachverständigen eigenmächtig, willkürlich und ohne entsprechende Willenserklärung des Antragstellers erfolgte, da die Abänderung, wie bereits dargelegt, keinen Einfluß auf die Entscheidung der Gemeindevertretung hatte, mangels einer Verminderung der Gesamtgeschoßfläche die Versagung der Ausnahmegenehmigung aber AUCH aus diesem Grunde berechtigt wäre. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde stützt die Aufhebung des Bescheides vom 8. Juli 1991 weiters darauf, daß das Amtsgutachten vom 27. Mai 1991 über allgemeine Darlegungen nicht hinauskomme und insbesondere nicht darlege, wieso - konkret betrachtet - das Bauvorhaben dem räumlichen Entwicklungskonzept bzw. den Planungsabsichten der beschwerdeführenden Stadtgemeinde zuwiderlaufe. An diese Feststellung knüpfte sie das Verbot der Verwendung dieses Raumordnungsgutachtens im fortgesetzten Verfahren. Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Ansicht der belangten Behörde, das Amtsgutachten reiche über allgemeine Darlegungen nicht hinaus, nicht zu teilen. Das Gutachten, das bereits in der Sachverhaltsdarstellung auszugsweise wiedergegeben wurde, enthält einen eingehenden Befund, in dem die konkreten Verhältnisse des eingereichten Projektes sowie seiner Umgebung aufgenommen wurde. Weiters legt das Gutachten die relevanten Aussagen des räumlichen Entwicklungskonzeptes im einzelnen dar, und kommt zu dem Schluß, daß das eingereichte Vorhaben mit dem Entwicklungskonzept und den Planungszielen der Gemeinde unvereinbar sei. Dabei geht der Gutachter vom konkreten Vorhaben und der gegebenen örtlichen Situation aus, sodaß keine Rede davon sein kann, daß sich dieses Gutachten auf "allgemeine Darlegungen" beschränke. Auch dieser, die Aufhebung tragende Grund, ist somit nicht gegeben.

Schließlich findet das von der belangten Behörde angeordnete Beweismittelverbot im AVG keine Deckung. Vielmehr kommt gemäß § 46 AVG als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Aus dieser Bestimmung ist der Grundsatz der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit der Beweismittel ableitbar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juni 1951, Slg. NF Nr. 2.142/A). Dieser Grundsatz erfährt nur dort eine Einschränkung, wo das Gesetz die Berücksichtigung von Beweisergebnissen, die auf gesetzwidrige Weise gewonnen worden, anordnet oder wenn die Verwertung des betreffenden Beweisergebnisses dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes widerspräche (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1984, Slg. NF Nr. 11.540/A). Diese Ausnahme kommt aber hier schon deshalb nicht in Betracht, weil das Beweisergebnis (Sachverständigengutachten) nicht auf gesetzwidrige Weise gewonnen wurde und das Gesetz ein Beweisverwertungsverbot für Fälle wie den gegenständlichen nicht anordnet. Falls die belangte Behörde der Meinung gewesen sein sollte, das Raumordnungsgutachten vom 27. Mai 1991 einschließlich seiner Ergänzung vom 6. Juni 1991 gehe von falschen Voraussetzungen aus oder sei ergänzungsbedürftig, hätte sie allenfalls das Verfahren selbst ergänzen können, oder den Bescheid der Gemeindevertretung wegen Ergänzungsbedürftigkeit beheben und der Gemeindevertretung selbst die Durchführung von Verfahrensergänzung auftragen können. Die Anordnung eines Beweismittelverbotes war aber jedenfalls unzulässig.

Schließlich hat die belangte Behörde - ohne Begründung - die Einholung eines Umweltverträglichkeitsgutachtens angeordnet. Das Erfordernis der Einholung eines derartigen Gutachtens ergibt sich weder aus dem Salzburger Raumordnungsgesetz noch - unmittelbar - aus dem AVG. Der Verwaltungsgerichtshof vermag dem vorgelegten Verwaltungsakt auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß aufgrund der Besonderheit des Einzelfalles die Einholung eines derartigen Gutachtens erforderlich wäre. Die von der belangte Behörde für das fortgesetzte Verfahren verpflichtende Anordnung entbehrt somit jeder Grundlage.

Aus den dargelegten Gründen hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; er war somit § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Grundsatz der Gleichwertigkeitrechtswidrig gewonnener BeweisGrundsatz der UnbeschränktheitBeweiswürdigung Wertung der BeweismittelMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des EinschreitersSachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild LandschaftsbildSachverhalt BeweiswürdigungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992060007.X00

Im RIS seit

09.07.1992

Zuletzt aktualisiert am

12.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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