Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
LMG 1975 §74 Abs6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des Dr. F in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. November 1991, Zl. VwSen-240012/2/Gf/Kf, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien - magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk - erließ gegen den Beschwerdeführer eine mit 13. Dezember 1990 datierte, am 24. Jänner 1991 zugestellte Strafverfügung folgenden Inhalts:
"Sie sind als gemäß § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG 1950 zur Vertretung nach außen berufenes Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der M-Gesellschaft m.b.H. & Co KG mit dem Sitz in W, dafür verantwortlich, daß diese Gesellschaft am 5. März 1990 im Lager der M-Gesellschaft m.b.H. & Co KG bei der Firma M S-Gesellschaft m.b.H. & Co KG, in H, falsch bezeichnete kosmetische Mittel und zwar 45 mal 5 mal - 75 ml P NACHTCREME mit den verbotenen gesundheitsbezogenen
Angaben: "Fördern die Durchblutung der Haut und erhalten sie länger jugendlich", "Hautverträglichkeit klinisch geprüft", "Dermatologisch getestet" durch Lagern in Verkehr gebracht hat.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 im Zusammenhang mit § 26 Abs. 1 lit. d des Lebensmittelgesetzes - LMG 1975, BGBl. Nr. 86/1975 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG 1950."
Auf Grund eines Einspruches des Beschwerdeführers richtete die erstinstanzliche Behörde an ihn eine mit 15. Februar 1991 datierte, seinem ausgewiesenen Vertreter am 25. Februar 1991 zugestellte Aufforderung zur Rechtfertigung, deren Wortlaut - von im vorliegenden Zusammenhang unmaßgeblichen Ausnahmen abgesehen - mit jenem der Strafverfügung vom 13. Dezember 1990 ident war.
Am 19. März 1991 nahm der Vertreter des Beschwerdeführers Akteneinsicht und erstattete in der Folge eine Stellungnahme.
Unter dem Datum des 29. August 1991 erließ die erstinstanzliche Behörde gegen den Beschwerdeführer ein der vorangegangenen Aufforderung zur Rechtfertigung entsprechendes Straferkenntnis. Die Begründung stützt sich auf ein Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz, wonach es eine unbestreitbare Tatsache sei, daß der Alterungsprozeß des Menschen - und dazu gehöre auch die menschliche Haut - durch nichts und niemanden aufgehalten oder auch nur verzögert werden könne. Durch kosmetische Mittel könne lediglich das AUSSEHEN der Haut und niemals ihr tatsächlicher (altersbedingter) Zustand beeinflußt werden. Dem habe auch der Gesetzgeber in besonderer Weise Rechnung getragen, indem er in § 9 LMG das Verbot von Aussagen, die sich auf eine jungerhaltende Wirkung bezögen, ausdrücklich herausgestellt habe. Da die Haut durch nichts (auch nicht durch Arzneimittel) länger jugendlich erhalten werden könne, sei es ein Irrtum des Beschwerdeführers, dies als eine pharmakologische Wirkung zu sehen. Es sei daher denkunmöglich, die Ausnahme des § 26 Abs. 2 LMG für kosmetische Mittel auf solche Formulierungen anzuwenden - ganz abgesehen vom kraß irreführenden Charakter solcher Aussagen. Es sei auch der immer und immer wieder geäußerte Standpunkt der Codexkommission, daß es verboten sei, sich auf eine längere Jung- oder Jugendlich - Erhaltung der Haut zu beziehen. Erlaubt könnten nur Aussagen sein, die sich auf die längere Erhaltung eines jugendlichen AUSSEHENS bezögen.
Die Angaben "Hautverträglichkeit klinisch geprüft" und "dermatologisch getestet" wiedersprächen dem § 9 Abs. 1 lit. b LMG 1975, wonach es verboten sei, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen und stellten auch keine zulässigen Hinweise auf pharmakologische oder physiologische Wirkungen dar, womit die Verwaltungsübertretung als erwiesen erachtet werde.
Der Beschwerdeführer berief. Die belangte Behörde wies die Berufung ab, formulierte aber den Spruch des Straferkenntnisses wie folgt neu:
"Der Berufungswerber ist als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M-GmbH schuldig, am 5. März 1990 das kosmetische Mittel "P Nachtcreme" mit der irreführenden gesundheitsbezogenen Angabe "Fördern die Durchblutung der Haut" durch Lagerung in H, in Verkehr gebracht zu haben; er hat hiedurch die Verwaltungsübertretung des § 74 Abs. 1 iVm den §§ 9 Abs. 1 lit. c und 26 Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes, BGBl. Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 78/1987, begangen und wird hiefür mit einer Geldstrafe von S 3.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, belegt."
In der Begründung wird ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei zwar zuzugestehen, daß entgegen der Auffassung der erstinstanzlichen Behörde die auf die Haut bezogene Angabe "erhält sie länger jugendlich" bei Zugrundelegung einer objektiven Durchschnittsbetrachtung nicht dahin mißverstanden werden könne, daß dadurch der Eindruck erweckt würde, es werde durch dieses Kosmetikum der natürliche Alterungsprozeß der Haut verhindert oder wenigstens verzögert. Die Wendung "erhält sie länger jugendlich" könne insbesondere im Zusammenhang mit der Aussage "Die Haut behält so viel länger ein jugendliches frisches Aussehen" nur dahingehend verstanden werden, daß die Anwendung des hier in Rede stehenden Kosmetikums der Haut zu einem - gemessen an ihrem natürlichen Alterungsprozeß - länger dauernden jugendlichen Gesamterscheinungsbild verhelfe. Daß eine derartige Wirkung durch ein Kosmetikum erzielt werden könne, werde aber auch im Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung vom 17. Juni 1991 nicht in Abrede gestellt, sodaß insoweit auch kein irreführender Hinweis auf eine pharmakologische Wirkung im Sinne des § 26 Abs. 2 LMG vorliege.
Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Produkt finde sich jedoch auch die Angabe, daß dieses durchblutungsfördernde Stoffe enthalte. Tatsächlich ergebe sich jedoch aus der vom Hersteller selbst angefertigten Auflistung der Inhaltsstoffe, daß sich unter diesen keiner der in der Kosmetikverordnung aufgezählten durchblutungsfördernden Stoffe finde. Da nun nach § 1 der Kosmetikverordnung für kosmetische Mittel aber nur die in Anlage 2 genannten pharmakologisch wirksamen Stoffe überhaupt zugelassen seien und derartige Stoffe im vorliegenden Produkt nicht enthalten seien, liege somit insoweit eine irreführende Bezeichnung im Sinne des § 26 Abs. 2 LMG und damit eine falsche Bezeichnung im Sinne des § 74 Abs. 1 LMG vor. Damit sei aber der Tatbestand der Falschbezeichnung schon aus diesem Grund als erfüllt anzusehen, ohne daß im weiteren noch der Frage nachzugehen gewesen sei, ob auch die Hinweise "Hautverträglichkeit klinisch geprüft" und "Dermatologisch getestet" eine unzulässige Anpreisung darstellten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer wendet unter anderem Verfolgungsverjährung ein.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 74 Abs. 6 des Lebensmittelgesetzes 1975 wurden zwei behördliche Akte gesetzt, die als Verfolgungshandlung in Betracht kommen, nämlich die Strafverfügung vom 13. Dezember 1990 (zugestellt am 24. Jänner 1991) und die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15. Februar 1991 (zugestellt am 25. Februar 1991).
Eine Verfolgungshandlung unterbricht nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse verstärkter Senate vom 19. Oktober 1978, Slg. NF 9664/A, und vom 19. September 1984, Slg. NF 11 525/A, sowie das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1984, Zl. 10/2883/80 = ZfVB 1984/5/3055 u.a.).
Wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, stützt die belangte Behörde ihre Auffassung, der Hinweis auf die durchblutungsfördernde Wirkung von "P NACHTCREME" stelle eine IRREFÜHRENDE gesundheitsbezogene Angabe dar und sei damit strafbar, ausschließlich auf die Annahme, "P NACHTCREME" enthalte keinen der in der Kosmetikverordnung aufgezählten durchblutungsfördernden Stoffe. Es handelt sich demnach bei dieser Annahme um das für die Qualifizierung der Angabe "Fördern die Durchblutung der Haut" als irreführende gesundheitsbezogene Angabe entscheidende Sachverhaltselement. Auf dieses Sachverhaltselement bezog sich aber weder die Strafverfügung vom 13. Dezember 1990 noch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15. Februar 1991. Einer Bestrafung des Beschwerdeführers, die sich auf der Sachverhaltsebene entscheidend auf das Fehlen von in der Kosmetikverordnung aufgezählten durchblutungsfördernden Stoffen stützt, steht daher Verfolgungsverjährung entgegen.
Aus den angeführten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992100004.X00Im RIS seit
09.07.1992