TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/9 90/10/0077

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Veröffentlicht am 09.07.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §74;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Mag. Onder sowie den Hofrat Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des Ing. G in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 9. Februar 1990, Zl. IVb-449-3/1989, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Februar 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe - wie bei einer Revision durch das Lebensmittelaufsichtsorgan am 24. Mai 1988 in der Fa. XY-Gesellschaft m.b.H. in R festgestellt worden sei - in seiner Funktion als Leiter der Qualitätskontrolle als gemäß § 9 Abs. 2 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma XY-Ges.m.b.H., R, das Lebensmittel "BEN" falsch bezeichnet in Verkehr gebracht, da dieses Lebensmittel keinen höheren Zuckergehalt und damit Energiegehalt als andere auf dem Markt befindliche Produkte aufweise und die Hervorhebung des Wortes "Energie" eine zur Irreführung geeignete Angabe darstelle sowie im Zusammenhang mit dem Seitentext "besonders gut geeignet für Menschen mit aktivem Lebensstil" eine verbotene gesundheitsbezogene Angabe darstelle.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung des § 74 Abs. 1 iVm den §§ 7 Abs. 1 lit. c und 8 lit. f des Lebensmittelgesetzes 1975 begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und der Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 2 LMG 1975 zur Tragung der Untersuchungskosten verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt unter anderem vor, er werde zu Unrecht als Verantwortlicher im Sinne des § 9 VStG zur Verantwortung gezogen. Die belangte Behörde berufe sich bei der Annahme seiner Verantwortlichkeit ausschließlich auf ein Schreiben der Firma XY-Ges.m.b.H. vom 10. August 1989. Nach dem angefochtenen Bescheid sei das Inverkehrbringen am 24. Mai 1988 erfolgt. Aus dem Schreiben vom 10. August 1989 könne nicht abgeleitet werden, daß der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt verantwortlich gewesen sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Nach § 9 Abs. 2 leg. cit. sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch anderen Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Nach § 9 Abs. 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Eine wesentliche Voraussetzung, um von einem "verantwortlichen Beauftragten" im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG, der die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit anstelle des Inhabers des Unternehmens bzw. des zur Vertretung nach außen Berufenen trägt, sprechen zu können, ist zufolge des § 9 Abs. 4 leg. cit. die nachweisliche Zustimmung des Betreffenden zu seiner Bestellung. Erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum "verantwortlichen Beauftragten" bestellten Person nachgewiesen wird, wirkt diese Bestellung. Erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises, bei der Behörde tritt der "verantwortliche Beauftragte" in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnormen an die Stelle des Inhabers des Unternehmens oder des zur Vertretung nach außen Berufenen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1984, Slg. NF 11 596/A u.a.). Der Zustimmungsnachweis muß aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammen und bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens einlangen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. NF 12 375/A, sowie das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1992, Zl. 91/10/0087).

Ein solcher Zustimmungsnachweis lag der belangten Behörde nicht vor. Das Schreiben der Firma XY-Ges.m.b.H. vom 10. August 1989, daß der Beschwerdeführer "zum Zeitpunkt der Verwaltungsübertretung am 24. August 1988" für sämtliche Übertretungen nach dem Lebensmittelgesetz verantwortlich sei, stellt keinen Nachweis seiner Zustimmung zur Bestellung als verantwortlicher Beauftragter dar.

Da das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG geführt wurde, ohne daß die Voraussetzungen hiefür vorlagen, hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Auf das übrige Beschwerdevorbringen brauchte angesichts dieses Sachverhaltes nicht mehr eingegangen zu werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Ersatz von Stempelgebühren, die nicht zuerkannt wurden, weil bei dem Gesetz entsprechender Abfassung der Beschwerde eine Beschwerdeergänzung nicht erforderlich gewesen wäre.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990100077.X00

Im RIS seit

09.07.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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