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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33 ZPO §146 Abs1Leitsatz
Stattgabe eines WiedereinsetzungsantragsSpruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde wird stattgegeben.
Begründung
Begründung:
1. Mit seinem am 19. Jänner 1990 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und erhob gleichzeitig Beschwerde gegen einen Bescheid des Disziplinarsenates der Österreichischen Ärztekammer beim Bundeskanzleramt vom 6. November 1989, mit dem über ihn die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises gemäß §101 Abs1 Z1 des Ärztegesetzes verhängt wurde und ihm zusätzlich der Ersatz der Verfahrenskosten aufgetragen wurde. Dieser Bescheid war - den Beschwerdeausführungen zufolge - dem Beschwerdeführer am 1. Dezember 1989 zugestellt worden.
2. Zum (rechtzeitig eingebrachten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird vorgebracht, daß durch ein Versehen der äußerst gewissenhaften und verläßlichen, bisher fehlerfrei arbeitenden Angestellten des Beschwerdevertreters, die zur Postaufgabe für den 12. Jänner 1990 bereitgelegte Beschwerde verreiht wurde. Daher hat die Kanzleiangestellte zwar sämtliche andere für den 12. Jänner 1990 als Fristensachen aufzugebenden Schriftstücke zur Post gebracht, die Beschwerde blieb jedoch in der Kanzlei zurück. Dieser Irrtum wurde am 15. Jänner 1990 entdeckt, als die Rückscheine der am 12. Jänner 1990 zur Post gegebenen Schriftstücke den jeweiligen Akten zugeordnet wurden und die Nachkontrolle der eingetragenen Fristen erfolgte. Die Kanzleiangestellte übe diese Tätigkeit in der Kanzlei des Beschwerdevertreters seit Juli 1983 aus, ohne daß ihr bisher ein derartiger Fehler unterlaufen wäre.
3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist begründet.
Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 10880/1986, 11537/1987). Nach dem vom Verfassungsgerichtshof als glaubhaft angenommenen Vorbringen des Beschwerdevertreters kann das Verschulden der Kanzleikraft, für die die Verschuldensregelung des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (§39 ZPO; vgl. auch VfSlg. 10345/1985), nur als leichte Fahrlässigkeit angesehen werden. Der Verfassungsgerichtshof sieht nach Lage des Falles keinen Grund, das - durch eine Erklärung an Eides statt bescheinigte - Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, daß es zu einem Irrtum bei den als Fristensachen aufzugebenden Schriftstücken durch eine Angestellte des Beschwerdevertreters kam, die seit Jahren als stets verläßliche Kanzleikraft tätig war. Unter den vorliegenden Umständen kann nicht davon gesprochen werden, daß nicht auch einem sorgfältig arbeitenden Menschen eine derartige Fehlleistung gelegentlich unterlaufen kann (vgl. VfSlg. 10771/1986).
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zu bewilligen.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B88.1990Dokumentnummer
JFT_10099774_90B00088_00