TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/16 91/09/0158

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Veröffentlicht am 16.07.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art83 Abs2;
HKG 1946 §12;
HKG 1946 §30 Abs5 litc;
HKG 1946 §53a;
HKG 1946 §57b Abs1;
HKG 1946 §57b Abs2;
HKG 1946 §57b Abs4;
HKG 1946 §57f Abs1;
HKG 1946 §57g Abs1;
HKG 1946 §57g Abs2;
HKG 1946 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. in D, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Präsidenten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 30. Juli 1991, Zl. Präs 144-22/A/91/Wa/N, betreffend Entrichtung der Einverleibungsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat am Standort J eine weitere Betriebsstätte (Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO, eingeschränkt auf den Einzelhandel) errichtet und dazu im Laufe des Verwaltungsverfahrens bekanntgegeben, daß sie als Warengruppen Lebens- und Genußmittel sowie Parfümeriewaren zu führen gedenke.

Über Ersuchen der Beschwerdeführerin auf bescheidmäßige Vorschreibung der Einverleibungsgebühr (EVG - nunmehr gemäß Art. II Abs. 3 der 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991:

Eintragungsgebühr) wurde ihr mit Bescheid der Sektion Handel der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol vom 6. August 1990 eine EVG in der Höhe von S 18.000,-- vorgeschrieben, wozu sich die Behörde begründend auf die §§ 3 Abs. 2 und 57b des Handelskammergesetzes (HKG) berief. Die Höhe der EVG entspreche dem von der Sektion Handel beschlossenen, von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol bestätigten und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten genehmigten Ausmaß. Dieser Bescheid wurde vom Sektionsobmann gemeinsam mit dem Geschäftsführer gezeichnet.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung bestritt die Beschwerdeführerin, daß ein ordnungsgemäßer Beschluß über die Höhe der zu entrichtenden EVG je zustandegekommen sei; die nach dem HKG und der dazu erlassenen Fachgruppenordnung errichteten Fachgremien besäßen keine Rechtspersönlichkeit. Außerdem sei § 57b Abs. 2 HKG verfassungswidrig.

Die belangte Behörde hat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Juli 1991 diese Berufung abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid vom 6. August 1990

"... mit der Ergänzung bestätigt, daß sich dessen Spruch im Hinblick auf die Bestimmung des § 59 Abs. 1 AVG auch auf die vom Landesgremium Tirol für den Einzelhandel mit Lebens- und Genußmitteln und dem Landesgremium Tirol für den Parfümeriewarenhandel übereinstimmend gefaßten Beschlüsse, kundgemacht im Mitteilungsblatt der Handelskammer Tirol "Tirols Wirtschaft", Nr. 12 vom 22.3.1975, gründet."

Begründend führte die belangte Behörde aus, im Bereich der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol hätten das Landesgremium Tirol des Einzelhandels mit Lebens- und Genußmitteln am 22. November 1973 und das Landesgremium Tirol für den Parfumeriewarenhandel am 20. November 1973 - und nicht wie im erstinstanzlichen Bescheid irrtümlich angeführt die Sektion Handel der Kammer Tirol - die Höhe des Normalsatzes der EVG für den Gemischtwarenhandel übereinstimmend mit S 6.000,-- beschlossen. Dies sei vom Präsidium der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol in der Sitzung vom 21. Oktober 1975 gemäß § 57b Abs. 1 HKG bestätigt und nach derselben Bestimmung durch den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie am 23. März 1976 (Zl. 178.060-III/10) genehmigt worden. Die betreffenden EVG seien im Mitteilungsblatt der Handelskammer Tirol verlautbart worden. Gemäß § 57b Abs. 2 HKG habe die Beschwerdeführerin als Gesellschaft m.b.H. die EVG in dreifacher Höhe zu entrichten. Die die Rechtspersönlichkeit der betreffenden Landesgremien betreffenden Vorwürfe beträfen die Frage der Gesetzmäßigkeit der als Verordnungen zu qualifizierenden EVG-Beschlüsse; darüber zu befinden, stehe der belangten Behörde nicht zu. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 57b Abs. 2 HKG verwies die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1989, B 1878/88-6. Gegenüber dem erstinstanzlichen Bescheid sei die Anführung der maßgeblichen EVG-Beschlüsse im Bescheidspruch nachgeholt worden. Auf Grund der vorliegenden Gewerbeberechtigung sei auch die Vorschreibung der EVG für den Gemischtwarenhandel zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, die Bezahlung der ihr vorgeschriebenen EVG von S 18.000,-- zu verweigern.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 57b Abs. 1 HKG sind anläßlich der Erlangung von Berechtigungen nach § 3 Abs. 2 Einverleibungsgebühren zu entrichten. Sie werden von der Fachgruppe (im Fall des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer nach Anhörung der Fachvertreter) beschlossen. Der Beschluß über die Höhe der Einverleibungsgebühr bedarf der Bestätigung durch die Landeskammer und der im Wege der Bundeskammer einzuholenden Genehmigung durch den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie. Bestätigung und Genehmigung sind zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

§ 57b Abs. 2 HKG sieht Mindest- und Höchstsätze für Einverleibungsgebühren sowie eine Staffelung nach natürlichen und juristischen Personen vor (so etwa beträgt die EVG für Gesellschaften m.b.H. das Dreifache des für natürliche Personen vorgesehenen Normalsatzes).

Gemäß § 57b Abs. 4 HKG wird die Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe (im Falle des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer), im Bereich der Sektion Handel von dieser vorgeschrieben und eingehoben.

Gemäß § 57f Abs. 1 HKG wird die Einverleibungsgebühr binnen einem Monat ab Vorschreibung fällig.

Die zur Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr zuständige Körperschaft (bei Vorschreibung der Einverleibungsgebühr im Bereich der Sektion Handel diese Sektion) hat gemäß § 57g Abs. 1 HKG über Art und Ausmaß einen Bescheid zu erlassen, wenn dies von der zahlungspflichtigen Person spätestens einen Monat nach Vorschreibung verlangt wird.

Gegen den Bescheid nach Abs. 1 kann gemäß § 57g Abs. 2 HKG, sofern er betreffend die Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe erlassen wird, binnen zwei Wochen ab Zustellung Berufung an die Landeskammer erhoben werden. Gegen den Bescheid der Landeskammer (Sektion Handel) nach Abs. 1 sowie gegen den Bescheid, mit dem die Landeskammer über eine Berufung entschieden hat, steht binnen zwei Wochen die Berufung an die Bundeskammer offen, gegen deren Entscheidung kein weiteres ordentliches Rechtsmittel zulässig ist. Die Berufung ist jeweils bei der Stelle einzubringen, die den Bescheid erlassen hat.

Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid einerseits wegen unterlaufener relevanter Verfahrensmängel, insbesondere aber mit der Behauptung, daß es an einer dem Gesetz entsprechend zustande gekommenen, im Rang einer Verordnung stehenden generellen Beschlußfassung über die Einhebung von EVG gemäß § 57b Abs. 1 HKG fehle. Ein Eingehen auf dieses Vorbringen erübrigt sich im Beschwerdefall mit Rücksicht auf die nachfolgenden Ausführungen zur Zuständigkeit der im Beschwerdefall eingeschrittenen Behörden.

Zuständig zur Erlassung von Berufungsbescheiden nach § 57g Abs. 2 HKG ist, wie sich aus den §§ 22 Abs. 3 und 9 Abs. 3 HKG ergibt, der Vorstand der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1979, Slg. 8707). Gemäß dem ersten Satz des § 53a HKG können die in §§ 7, 20, 30 Abs. 1 und 31 Abs. 3 angeführten Kollegialorgane - zu denen gemäß § 20 lit. c der Vorstand der Bundeskammer zählt - die Beschlußfassung in bestimmten Angelegenheiten engeren Organen der betreffenden Organisation (Landeskammer, Bundeskammer, Sektionen, Fachgruppe, Fachverband) übertragen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist.

Der angefochtene Bescheid enthält keinen direkten Hinweis auf ein tätig gewordenes Organ der Bundeskammer und ist daher auf Grund seiner Fertigungsklausel dem Präsidenten der Bundeskammer zuzurechnen. Dieser war auch, wie aktenkundig ist, gemäß einem am 30. Mai 1980 gefaßten und in den Kammerblättern veröffentlichten Beschluß des Vorstandes der Bundeskammer gemäß § 53a HKG zur Bescheiderlassung zuständig.

Anders verhält es sich jedoch mit dem in erster Instanz erlassenen Bescheid, der, wie eingangs erwähnt, von der "Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol - Sektion Handel" ohne näheren Hinweis auf das eingeschrittene Organ gefaßt und vom Sektionsobmann und vom Geschäftsführer unterfertigt wurde, wobei weder im Rahmen der ursprünglichen Aktenvorlage noch auf Grund einer gezielten Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1992 von der belangten Behörde Unterlagen über eine erfolgte Delegierung des Sektionsobmannes zur Bescheiderlassung vorgelegt worden sind.

Diese Aktenlage hat den Verwaltungsgerichtshof dazu veranlaßt, an die Parteien gemäß dem zweiten Satz des § 41 Abs. 1 VwGG die Anfrage zu richten, ob allenfalls das Fehlen eines erstinstanzlichen Bescheides die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nach sich ziehen könnte. Diese Anfrage hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt begründet:

"...

Der dem Verwaltungsverfahren zugrunde liegende erstinstanzliche Bescheid gemäß § 57g HKG vom 6. August 1990 stammt von der "Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol - Sektion Handel" und ist nach der Aktenlage vom Sektionsobmann und vom Geschäftsführer unterzeichnet worden.

Der Verwaltungsgerichtshof geht vorerst davon aus, daß auf Grund dieser Gestaltung des erstinstanzlichen Bescheides eine Zurechnung desselben zu einem anderen Organ der Sektion als zu deren Obmann als bescheiderlassendem Organ nicht möglich erscheint.

Nun sieht das HKG unmittelbar eine Bescheiderlassung durch den Sektionsobmann nicht vor (vgl. dazu § 12 und § 9 Abs. 1 sowie § 57g HKG und § 30 der Rahmengeschäftsordnung für die Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft). Eine Entscheidung durch den Sektionsobmann würde vielmehr gemäß § 53a HKG eine Delegierung voraussetzen, weshalb der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Schreiben vom 31. März 1992 die belangte Behörde zur Vorlage diesbezüglicher Unterlagen aufgefordert hat. Die Antwort auf diese Anfrage erschöpfte sich indes in der Mitteilung der Tiroler Handelskammer vom 21. April 1992, welche sich ausschließlich mit der (generellen) Beschlußfassung betreffend Einverleibungsgebühren ..., nicht aber mit einer allfälligen Delegierung des Sektionsobmannes zur Bescheiderlassung im Einzelfall befaßte.

Da somit die Möglichkeit offen ist, daß der erstinstanzliche Bescheid ohne entsprechende Delegierung des Sektionsobmannes von diesem allein erlassen worden ist, bestehen nach wie vor begründete Zweifel daran, ob in erster Instanz eine nach dem HKG zuständige Behörde eingeschritten ist. Wäre das nicht der Fall gewesen, dann hätte der Bescheid vom 6. August 1990 nicht im Instanzenzug bestätigt werden dürfen, was den beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid mit einer bisher den Parteien nicht bekanntgegebenen inhaltlichen Rechtswidrigkeit belasten würde.

..."

Die Beschwerdeführerin hat zu dieser Anfrage vorgebracht, ihrer Auffassung nach fehle es überhaupt an einem erstinstanzlichen Bescheid, weil der Sektionsobmann ohne entsprechende Delegierung zur Vorschreibung der EVG nicht befugt sei.

Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 10. Juli 1992 mitgeteilt, daß eine Delegierung an den Obmann der Sektion Handel NICHT erfolgt sei.

Es ist daher davon auszugehen, daß im Zeitpunkt der Fassung und der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides durch den Sektionsobmann eine Delegierung desselben zur Bescheiderlassung gemäß § 57g HKG nicht vorlag. Der Auffassung der belangten Behörde (bzw. der Kammer Tirol), der Obmann sei gemäß § 30 Abs. 2 der Rahmengeschäftsordnung der Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft ohne Delegierung zur Bescheiderlassung zuständig, weil es sich dabei um ein "laufendes Geschäft" handle, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Dies schon deshalb, weil die Erlassung von Bescheiden als hoheitliche Tätigkeit kein "laufendes Geschäft" darstellt, aber auch deshalb, weil eine Zuständigkeit des Sektionsobmannes hiezu im Gesetz normiert sein müßte, um dem Erfordernis der Bestimmbarkeit des gesetzlichen Richters zu genügen.

Aus § 57g Abs. 2 HKG ergibt sich aber nicht, daß der Sektionsobmann zur Bescheiderlassung berufen ist, woraus sich im Zusammenhang mit den Bestimmungen über die Delegierung die Erforderlichkeit einer solchen als Grundlage einer Bescheiderlassung durch den Obmann ergibt.

Damit erweisen sich die vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Anfrage nach § 41 VwGG geäußerten Bedenken als berechtigt. Es fehlt somit im Beschwerdefall an einem von einem zuständigen Kammerorgan gefaßten erstinstanzlichen Bescheid. Dadurch, daß dies von der belangten Behörde im Instanzenzug nicht aufgegriffen wurde, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991090158.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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