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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. & Co in H, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Präsidenten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 17. Juli 1991, Zl. Präs 144-3/A/91/Wa/jam/91, betreffend Entrichtung der Einverleibungsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Datum 7. Juni 1990 erging an die Beschwerdeführerin ein auf Briefpapier der "Handelskammer Niederösterreich - Sektion Industrie - Fachgruppe Nahrungs- und Genußmittelindustrie NÖ" geschriebener Einverleibungsgebührenbescheid mit folgendem Spruch:
"Die Fachgruppe der Nahrungs- und Genußmittelindustrie NÖ. erläßt gemäß § 57 (g) Handelskammergesetz in der Fassung BGBl. 208/69 folgenden
BESCHEID
Sie haben im Standort S die Errichtung einer weiteren Betriebsstätte, lautend auf "Be- und Verarbeitung von Fleisch- und Fleischwaren in industriemäßiger Form, eingeschränkt auf eine Verkaufsstelle" angezeigt. Unter Anwendung der Bestimmungen des § 57 b (1, 2, 4) HKG sind Sie verpflichtet, eine Einverleibungsgebühr in der Höhe von S 4.000,- zu entrichten. Diese Einverleibungsgebühr ist nach § 57 f (1) HKG binnen einem Monat ab Vorschreibung fällig."
Dieser Bescheid wurde vom Fachgruppenvorsteher gemeinsam
mit dem Fachgruppensekretär gezeichnet.
Über die dagegen von der Beschwerdeführerin am 22. Juni 1990 erhobene Berufung hat der Präsident der Handelskammer Niederösterreich mit Bescheid vom 18. Dezember 1990 spruchmäßig wie folgt entschieden:
"Der ... (Beschwerdeführerin) ... wird in Abänderung des
Bescheides ... vom 7. Juni 1990 ... in Anwendung der
Bestimmungen des § 57b HKG sowie des Beschlusses des
Fachgruppenausschusses vom 8.11.1977, bestätigt durch das
Präsidium der Handelskammer NÖ vom 17.10.1978 und genehmigt
durch das Handelsministerium mit Erlaß vom 13.2.1979,
Zl. 38.543/3-III/10/78 (kundgemacht in der
Niederösterreichischen Wirtschaft Nr. 8 vom 2.3.1979), eine
Einverleibungsgebühr (EVG) in Höhe von S 2.000,--
vorgeschrieben.
Gemäß § 57f Abs. 1 HKG ist die EVG binnen einem Monat ab Vorschreibung fällig."
Begründend vertrat die Handelskammer die Auffassung, die erstinstanzliche Fachgruppe sei ordnungsgemäß errichtet worden und rechtlich existent. Die Festsetzung der EVG beruhe auf den im Spruch angeführten Rechtsgrundlagen, sie sei aber irrigerweise in erster Instanz überhöht vorgeschrieben worden. Ihre Staffelung nach der Rechtsform der einschreitenden Person sei verfassungsrechtlich unbedenklich.
Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. Juli 1991 abgewiesen. Zur Zuständigkeit der Handelskammer für deren Berufungsentscheidung verwies die belangte Behörde auf § 57g Abs. 2 HKG. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend die angeblich fehlende Rechtspersönlichkeit der in erster Instanz eingeschrittenen Fachgruppe führte die belangte Behörde begründend aus, diese Vorwürfe beträfen die Frage der Gesetzmäßigkeit der als Verordnung zu qualifizierenden EVG-Beschlüsse; darüber zu befinden, stehe der belangten Behörde nicht zu. Zur Staffelung der EVG wiederholt die belangte Behörde die Begründung der Handelskammer.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, die Bezahlung der ihr vorgeschriebenen EVG von S 2.000,-- zu verweigern.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 57b Abs. 1 HKG sind anläßlich der Erlangung von Berechtigungen nach § 3 Abs. 2 Einverleibungsgebühren (nunmehr gemäß Art. II Abs. 3 der 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991:
Eintragungsgebühren) zu entrichten. Sie werden von der Fachgruppe (im Fall des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer nach Anhörung der Fachvertreter) beschlossen. Der Beschluß über die Höhe der Einverleibungsgebühr bedarf der Bestätigung durch die Landeskammer und der im Wege der Bundeskammer einzuholenden Genehmigung durch den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie. Bestätigung und Genehmigung sind zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
§ 57b Abs. 2 HKG sieht Mindest- und Höchstsätze für Einverleibungsgebühren sowie eine Staffelung nach natürlichen und juristischen Personen vor (so etwa beträgt die EVG für Kommanditgesellschaften das Doppelte des für natürliche Personen vorgesehenen Normalsatzes).
Gemäß § 57b Abs. 4 HKG wird die Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe (im Falle des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer), im Bereich der Sektion Handel von dieser vorgeschrieben und eingehoben.
Gemäß § 57f Abs. 1 HKG wird die Einverleibungsgebühr binnen einem Monat ab Vorschreibung fällig.
Die zur Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr zuständige Körperschaft (bei Vorschreibung der Einverleibungsgebühr im Bereich der Sektion Handel diese Sektion) hat gemäß § 57g Abs. 1 HKG über Art und Ausmaß einen Bescheid zu erlassen, wenn dies von der zahlungspflichtigen Person spätestens einen Monat nach Vorschreibung verlangt wird.
Gegen den Bescheid nach Abs. 1 kann der gemäß § 57g Abs. 2 HKG, sofern er betreffend die Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe erlassen wird, binnen zwei Wochen ab Zustellung Berufung an die Landeskammer erhoben werden. Gegen den Bescheid der Landeskammer (Sektion Handel) nach Abs. 1 sowie gegen den Bescheid, mit dem die Landeskammer über eine Berufung entschieden hat, steht binnen zwei Wochen die Berufung an die Bundeskammer offen, gegen deren Entscheidung kein weiteres ordentliches Rechtsmittel zulässig ist. Die Berufung ist jeweils bei der Stelle einzubringen, die den Bescheid erlassen hat.
Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid mit der Behauptung, daß es an einer dem Gesetz entsprechend zustande gekommenen, im Rang einer Verordnung stehenden generellen Beschlußfassung über die Einhebung von EVG gemäß § 57b Abs. 1 HKG fehle. Ein Eingehen auf dieses Vorbringen erübrigt sich im Beschwerdefall indes mit Rücksicht auf die nachfolgenden Ausführungen zur Zuständigkeit der im Instanzenzug eingeschrittenen Behörden.
Zuständig zur Erlassung von Berufungsbescheiden nach § 57g Abs. 2 HKG ist, wie sich aus den §§ 22 Abs. 3 und 9 Abs. 3 HKG ergibt, der Vorstand der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1979, Slg. 8707). Gemäß dem ersten Satz des § 53a HKG können die in §§ 7, 20, 30 Abs. 1 und 31 Abs. 3 angeführten Kollegialorgane - zu denen gemäß § 20 lit. c der Vorstand der Bundeskammer zählt - die Beschlußfassung in bestimmten Angelegenheiten engeren Organen der betreffenden Organisation (Landeskammer, Bundeskammer, Sektionen, Fachgruppe, Fachverband) übertragen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist.
Der angefochtene Bescheid enthält keinen direkten Hinweis auf ein tätig gewordenes Organ der Bundeskammer und ist daher auf Grund seiner Fertigungsklausel dem Präsidenten der Bundeskammer zuzurechnen. Dieser war auch, wie aktenkundig ist, gemäß einem am 30. Mai 1980 gefaßten und in den Kammerblättern veröffentlichten Beschluß des Vorstandes der Bundeskammer gemäß § 53a HKG zur Bescheiderlassung zuständig.
Auch der in zweiter Instanz ergangene Bescheid vom
18. Dezember 1990 steht aus dieser Sicht im Einklang mit dem
Gesetz (§§ 7, 9 Abs. 3 und 53a HKG), hat doch die Handelskammer
Niederösterreich "durch ihren Präsidenten auf Grund der gemäß
§ 53a des Handelskammergesetzes ... erfolgten Delegierung durch
den Vorstand der Handelskammer Niederösterreich vom
7. November 1990 (kundgemacht im Mitteilungsblatt der Kammer
Niederösterreich ... vom 7. Dezember 1990, Nr. 37)"
entschieden, wobei auch diese Delegierung aktenkundig ist.
Anders verhält es sich jedoch mit dem in erster Instanz erlassenen Bescheid, der, wie eingangs erwähnt, von der "Fachgruppe der Nahrungs- und Genußmittelindustrie NÖ" ohne näheren Hinweis auf das eingeschrittene Organ gefaßt und vom Fachgruppenvorsteher und vom Fachgruppensekretär unterfertigt wurde, wobei weder im Rahmen der ursprünglichen Aktenvorlage noch auf Grund einer gezielten Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1992 von der belangten Behörde Unterlagen über eine erfolgte Delegierung des Fachgruppenvorstehers zur Bescheiderlassung vorgelegt worden sind.
Diese Aktenlage hat den Verwaltungsgerichtshof dazu veranlaßt, an die Parteien gemäß dem zweiten Satz des § 41 Abs. 1 VwGG die Anfrage zu richten, ob allenfalls das Fehlen eines erstinstanzlichen Bescheides die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nach sich ziehen könnte. Diese Anfrage hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt begründet:
"...
Der dem Verwaltungsverfahren zugrunde liegende erstinstanzliche Bescheid gemäß § 57g HKG vom 7. Juni 1990 ist nach der Aktenlage von der "Fachgruppe der Nahrungs- und Genußmittelindustrie NÖ" erlassen und vom Fachgruppenvorsteher und vom Fachgruppensekretär unterzeichnet worden.
Der Verwaltungsgerichtshof geht vorerst davon aus, daß auf Grund dieser Gestaltung der erstinstanzlichen Entscheidung eine Zurechnung derselben zu einem anderen Organ der Fachgruppe als zu deren Vorsteher als bescheiderlassendem Organ nicht möglich erscheint.
Nun sind gemäß § 30 Abs. 5 lit. c HKG Angelegenheiten der Grundumlage und der Einverleibungsgebühr ... der Beschlußfassung durch die Fachgruppentagung vorbehalten, die aber gemäß den bisher vorgelegten Akten im Beschwerdefall nicht tätig geworden ist. Eine Bescheiderlassung durch den Fachgruppenvorsteher würde wiederum gemäß § 53a HKG eine Delegierung voraussetzen, weshalb der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Schreiben vom 31. März 1992 die belangte Behörde zur Vorlage diesbezüglicher Unterlagen aufgefordert hat. Die Antwort auf diese Anfrage erschöpfte sich indes in der Mitteilung der Handelskammer Niederösterreich vom 23. April 1992, für die FERTIGUNG des Bescheides vom 7. Juni 1990 durch den Fachgruppenvorsteher sei eine Delegierung nicht erforderlich gewesen.
Da somit die Möglichkeit offen ist, daß der erstinstanzliche Bescheid ohne Beschlußfassung der Fachgruppentagung und ohne entsprechende Delegierung des Vorstehers erlassen worden ist, bestehen nach wie vor begründete Zweifel daran, ob in erster Instanz eine nach dem HKG zuständige Behörde eingeschritten ist. Wäre dies nicht der Fall gewesen, dann hätte der Bescheid vom 7. Juni 1990 jedoch nicht im Instanzenzug bestätigt werden dürfen, was den beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid mit einer bisher nicht den Parteien bekanntgegebenen inhaltlichen Rechtswidrigkeit belasten würde.
..."
Die Beschwerdeführerin hat zu dieser Anfrage vorgebracht, ihrer Auffassung nach fehle es überhaupt an einem erstinstanzlichen Bescheid, weil der Fachgruppenvorsteher ohne entsprechende Delegierung nur zur Beurkundung und Vollziehung der Fachgruppenbeschlüsse befugt sei.
Die belangte Behörde hat dazu die "erbetenen Unterlagen hinsichtlich der Delegierung" übermittelt. Aus diesen Unterlagen geht indes nur hervor, daß die Fachgruppentagung der Nahrungs- und Genußmittelindustrie NÖ. AM 23. NOVEMBER 1990 eine Delegierung u.a. der Erlassung von EVG-Bescheiden an den Fachgruppenausschuß beschlossen hat. Bereits am 17. Mai 1990 hat gemäß diesen Unterlagen der Fachgruppenausschuß folgenden Beschluß gefaßt:
"Gemäß § 53a Handelskammergesetz wird der Fachgruppenvorsteher und seine Stellvertreter zur Erlassung von Bescheiden nach § 57g (1) ermächtigt. Die Bescheide werden gem. § 52 (4) HKG gemeinsam mit dem Fachgruppensekretär zu fertigen sein. Dieser Beschluß erfolgt vorbehaltlich der Delegierung des Fachgruppenausschusses durch die Fachgruppentagung."
Diesen Unterlagen kann - abgesehen davon, daß eine Veröffentlichung von Delegierungsbeschlüssen im Mitteilungsblatt gemäß § 57h Abs. 3 HKG nicht dargetan wurde - nicht entnommen werden, daß im Zeitpunkt der Fassung des erstinstanzlichen Bescheides durch den Fachgruppenvorsteher (7. JUNI 1990) bzw. im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides, die jedenfalls noch im JUNI 1990 erfolgte, bereits eine Delegierung durch die gemäß § 30 Abs. 5 lit. c HKG zuständige Fachgruppentagung vorgelegen wäre.
Damit erweisen sich die vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Anfrage nach § 41 VwGG geäußerten Bedenken als berechtigt. Es fehlt somit im Beschwerdefall an einem von einem zuständigen Kammerorgan gefaßten erstinstanzlichen Bescheid. Dadurch, daß dies von der belangten Behörde im Instanzenzug nicht aufgegriffen wurde, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991090143.X00Im RIS seit
16.07.1992