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L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
AVG §58 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des NN in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Magistrat der Stadt Wien vom 9. Dezember 1991, Zl. M.D.-1870-1/91, betreffend Verhandlungsbeschluß, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Punkte 1 und 2 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Die Stadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als rechtskundiger Beamter mit dem Amtstitel Senatsrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien; bis zu seiner mit 3. September 1990 erfolgten Funktionsenthebung durch den Bürgermeister leitete er die Magistratsabteilung nn.
Nach der an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission gerichteten Disziplinaranzeige vom 14. März 1991 habe die "MA nn" gegen eine ehemalige Mitarbeiterin Anzeige an die MA 2 wegen des Verdachtes von Dienstpflichtverletzungen erstattet. Die solcherart Beschuldigte habe daraufhin den Bürgermeister schriftlich um Hilfe ersucht und in diesem Schreiben dem Beschwerdeführer Pflichtverletzungen vorgeworfen.
Da seitens der MA 2 zunächst davon auszugehen gewesen sei, daß diese Vorwürfe zu Unrecht erhoben worden seien, sei ein Disziplinarverfahren gegen die genannte Mitarbeiterin eingeleitet worden. In diesem Disziplinarverfahren seien durch Aussagen von Zeugen (laut Akten Ende Juni/Juli 1990) Tatsachen hervorgekommen, die den Verdacht begründeten, daß der Beschwerdeführer seine Dienstpflichten, insbesondere durch sein Verhalten gegenüber Mitarbeitern, wiederholt verletzt habe.
Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens wurden unter teilweiser Verwertung der niederschriftlich dokumentierten Aussagen im erstgenannten Disziplinarverfahren weitere Vernehmungen vom Personalamt durchgeführt.
Mit Beschuldigtenladung im Disziplinarverfahren vom 5. November 1990 gab das Personalamt dem Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten, in 17 Punkte gefaßten Dienstpflichtverletzungen (die inhaltlich mit den 17 Punkten des Verhandlungsbeschlusses übereinstimmen) bekannt und bot ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Nach Vorlage einer umfangreichen schriftlichen Stellungnahme vom 27. November 1990 wurde der Beschwerdeführer als Beschuldigter am 29. November 1990 einvernommen. Ergänzende schriftliche Stellungnahmen des Beschwerdeführers langten am 27. Dezember 1990 und am 8. März 1991 beim Personalamt ein.
Der Leiter des Personalamtes erstattete schließlich mit Schreiben vom 14. März 1991 Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission.
Der nunmehr angefochtene Verhandlungsbeschluß hat folgenden Spruch:
"Die Disziplinarkommission - Senat 1 hat in ihrer Sitzung vom 9. Dezember 1991 über die von der Magistratsabteilung 2 am 14. März 1991 gegen SR NN erstattete Disziplinaranzeige gem. § 82 Abs. 3 Dienstordnung 1966 (DO 1966) in der Fassung des LGBl. für Wien 27/1991 folgenden BESCHLUSZ gefaßt:
Herrn SR NN wird zur Last gelegt, folgende Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben:
1. Er hat als Abteilungsleiter der Magistratsabteilung nn (MA nn) seine Dienstaufsichtspflicht über das Referat X zumindest im Zeitraum von November 1987 bis Juni 1990 insofern mangelhaft wahrgenommen, als er für die dienstlichen Tätigkeiten und die dienstlichen Probleme seiner dort beschäftigten Mitarbeiter kein Interesse zeigte und sich bei gelegentlichen Besuchen auf formelle Kontrollen der Absenzenbücher, der Fahrtenbücher und der äußeren Ordnung beschränkte,
2. er hat es als Abteilungsleiter der MA nn trotz diesbezüglicher Vorschläge von dort beschäftigten Mitarbeitern, insbesondere der Herren Dr. G und Dipl.-Ing. Dr. A, und trotz früherer Ersuchensschreiben der Magistratsabteilung n1 um Unterstützung, zumindest im Zeitraum von November 1987 bis Juni 1990 unterlassen, für eine Auslastung aller im unter Punkt 1 genannten Referat X beschäftigten Mitarbeiter, insbesondere hinsichtlich der Herren Dipl.-Ing. A und S, zu sorgen und ihre Verwendung so zu lenken, daß sie ihren Fähigkeiten weitgehend entspricht,
3. er hat als Abteilungsleiter der MA nn seinem Mitarbeiter Dr. G im Zeitraum von 22. Oktober 1987 bis 30. Juni 1988 aufgetragen, über seine Mitarbeiterin Ing. R eine Mitarbeiterbeurteilung abzugeben, obwohl dieser deren Dienstleistung mangels eigener Wahrnehmungen nicht beurteilen konnte,
4. er hat als Abteilungsleiter der MA nn seinem Mitarbeiter Dr. G im Zeitraum von 22. Oktober 1987 bis 30. Juni 1988 aufgetragen, in der unter Punkt 3 genannten Mitarbeiterbeurteilung die Tätigkeit "Mitarbeit an Untersuchungsmethoden (Boden, Humus, Pflanze) mit Hinblick auf Bodenkontaminationen" anzugeben, obwohl er wußte, daß seine Mitarbeiterin Ing. R diese Tätigkeit während ihrer Zugehörigkeit zur MA n2 nicht ausgeführt hatte,
5. er hat als Abteilungsleiter der MA nn seinen dem unter Punkt 1 genannten Referat X zugeteilten Mitarbeiter S für den 9. Juni 1990 zu sich zu einem Gespräch in die Zentrale geladen bzw. laden lassen, obwohl er an diesem Kalendertag einen bereits länger geplanten Urlaub konsumierte, und hat seinen Stellvertreter, Herrn SR Dr. P, über den Zweck der Ladung nicht informiert, sodaß der Dienstweg von Herrn S nutzlos war,
6. er hat im Rahmen einer Weihnachtsfeier von Angehörigen der MA nn am 13. Dezember 1988 in W, gegenüber dem ihm dienstlich unterstellten Mitarbeiter Dr. G in Gegenwart von anderen Angehörigen der MA nn geäußert, er sei nach seiner Meinung ein "Neurotiker",
7. er hat anläßlich einer Weihnachtsfeier von Angehörigen der MA nn am 13. Dezember 1988 in W, gegenüber der ihm dienstlich unterstellten Mitarbeiterin Dipl.-Ing. E vor anderen Abteilungsangehörigen nachhaltig sexualbezogene Annäherungsversuche unternommen,
8. er hat sich anläßlich einer Weihnachtsfeier von Angehörigen der MA nn am 22. Dezember 1989 im Sozialraum der MA nn vor anderen Abteilungsangehörigen mit der ihm dienstlich unterstellten Mitarbeiterin Dr. C wiederholt verbrüdert und Busserln ausgetauscht,
9. er hat als Abteilungsleiter der MA nn am 5. März 1990 in den Räumen der MA nn vor anderen Abteilungsangehörigen zu seinem Stellvertreter, Herrn SR Dr. P, sinngemäß geäußert, er möge seinen blöden Mund halten und ihn wieder aufmachen, wenn er einen guten Gedanken habe,
10. er hat als Abteilungsleiter der MA nn im Dezember 1989 oder Jänner 1990 in den Räumen der MA nn vor anderen Abteilungsangehörigen zu seinem Mitarbeiter Dipl.-Ing. M sinngemäß gesagt, er habe noch gefehlt, er könne nichts anderes als Kinder züchten,
11. er hat als Abteilungsleiter der MA nn am 13. Dezember 1989 in den Räumen der MA nn nach dem Jour-Fix zu Herrn SR Dr. P über seine Mitarbeiterin Dipl.-Ing. E geäußert, er hätte die "alte Gans" am Vorabend nach Hause bringen müssen,
12. er hat als Abteilungsleiter der MA nn zu einem Krötenvorkommen in E im Zusammenhang mit dem geplanten Bau einer Park-and-ride-Garage im Zeitraum März bis 12. April 1990 gegenüber den Vertretern einer Wiener Tageszeitung folgende tatsachenwidrige Aussage getroffen:
Das Austrocknen des in E befindlichen Tümpels "würde für die Kröten das absolute Ende bedeuten",
13. er hat als Abteilungsleiter der MA nn den ihm von seinem Mitarbeiter Ing. B im September 1989 vorgelegten Bericht "Lärmbekämpfung in Wien" trotz Erinnerung durch SR Dipl.-Ing. D und TOK Ing. B zumindest bis Jänner 1990 nicht bzw. nicht mit der nötigen Raschheit bearbeitet,
14. er hat es als Abteilungsleiter der MA nn von Mitte Jänner 1990 bis Ende Februar 1990 unterlassen, die ihm Mitte Jänner 1990 im Rahmen der Ausschußberatungen im Nationalrat bezüglich eines Abfallwirtschaftsgesetzes zugegangene Information, daß seitens des Bundes beabsichtigt ist, durch eine Verfassungsbestimmung in der gegenständlichen Angelegenheit eine Kompetenzverlagerung von den Bundesländern zum Bund herbeizuführen, an seine Vorgesetzten und die zuständigen Dienststellen im Magistrat weiterzugeben bzw. die notwendigen Veranlassungen innerhalb der MA nn zu treffen, sodaß die schließlich Ende Februar 1990 erforderliche Zustimmungserklärung des Landes Wien von der MA nn nur unter größtem Termindruck erarbeitet werden konnte,
15. er hat als Abteilungsleiter der MA nn unterlassen, über die von ihm anläßlich einer von ihm im Frühjahr 1990 besuchten Konferenz der Umweltreferenten der Länder hinsichtlich des Altlastensanierungs- und Abfallwirtschaftsgesetzes gewonnenen Kenntnisse zu informieren und hat auch keine Veranlassungen getroffen, dem darauffolgenden Ersuchen der MA 4 um Übermittlung eines Berichtes über die oben genannte Konferenz für Zwecke einer bevorstehenden Landesfinanzreferentenkonferenz zu entsprechen,
16. er hat als Abteilungsleiter der MA nn den ihm von der Magistratsdirektion - Büro des Magistratsdirektors am 29. bzw. 30. Mai 1990 für eine Berichterstattung zu den Themen "Abfallwirtschaftsgesetz, Alpenkonvention" gesetzten Termin 1. Juni 1990, 12.00 Uhr, nicht eingehalten, hat zum Zweck der Nachholung dieses Berichtes Frau KK F beauftragt, am Samstag, dem 2. Juni 1990 (Pfingstwochenende) Dienst zu versehen und hat den gegenständlichen Bericht schließlich erst am 5. Juni 1990 der MD-BdMD übermitteln lassen und
17. er hat als Abteilungsleiter der MA nn die von Herrn amtsführenden Stadtrat Dr. H im April 1990 gewünschte Teilnahme von Herrn o. Univ. Prof. Dr. W an einer für die zweite Hälfte des Juni 1990 geplanten Naturschutzenquete dadurch vereitelt, daß er sich die Einladung von Herrn o. Univ. Prof. Dr. W selbst vorbehielt, diese aber jedenfalls bis 13. Juli 1990 nicht ausgesprochen hat, wodurch einerseits die geplante Enquete nicht termingemäß zustandekam und andererseits Herr SR Dr. P, der an dieser Enquete mitwirken sollte, in seiner Urlaubsplanung insoweit getäuscht wurde, als er diese Planung auf den Juni-Termin der Enquete abstellte.
Er hat dadurch gegen die in § 19 Abs. 1 und § 28 DO 1966, § 13 Abs. 1, 3 und 5 der Geschäftsordnung für den Magistrat der Stadt Wien (GOM):
Punkte 1, 2.
§ 19 Abs. 1 und § 28 DO 1966, § 13 Abs. 1 und 3 GOM:
Punkte 3, 4, 5, 14, 15, 16, 17.
§ 19 Abs. 1 DO 1966:
Punkte 12, 13.
§ 19 Abs. 2 DO 1966:
Punkte 6, 9, 10, 11.
§ 19 Abs. 2 zweiter Satz DO 1966:
Punkte 7, 8.
festgelegten Dienstpflichten eines Beamten verstoßen."
Zur Begründung wird ausgeführt, in dem gegen eine ehemalige Mitarbeiterin der Magistratsabteilung nn anhängig gewesenen Disziplinarverfahren seien durch Aussagen verschiedener Zeugen Tatsachen hervorgekommen, die den Verdacht begründet hätten, daß der Beschuldigte Dienstpflichten, insbesondere durch sein Verhalten gegenüber Mitarbeitern, verletzt habe. Die daraufhin durchgeführten weiteren Erhebungen hätten diesen Verdacht erhärtet. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen seien geeignet, nicht nur das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beschwerdeführers zu beeinträchtigen, sondern auch die Achtung zu untergraben, welche der Stellung als Abteilungsleiter entgegengebracht werden müßte. Gerade das Verhalten eines Abteilungsleiters solle Vorbildwirkung haben und sei daher einer besonderen strengen Kritik zu unterziehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet, und kostenpflichtige Abweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, ein Verhandlungsbeschluß dürfe nur auf Grund eines ausreichend geklärten Sachverhaltes gefaßt werden. Im Spruch des Verhandlungsbeschlusses seien die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Daraus folge, daß im Anschuldigungspunkt der vom Beschwerdeführer angeblich gesetzte strafbare Sachverhalt darzustellen sei, wobei alle Umstände anzugeben seien, die zur Bezeichnung der strafbaren Handlung und zur Subsumtion unter einen bestimmten gesetzlichen Tatbestand notwendig seien. Der vorgeworfene Sachverhalt müsse der Eigenart der Dienstpflichtverletzung entsprechend substantiiert dargestellt werden, also schlüssig alle Einzelumstände enthalten, die Voraussetzung für den Tatbestand der Dienstpflichtverletzung und für die Strafbemessung seien. Dem entgegen stütze sich die belangte Behörde jedoch auf ein mangelhaft gebliebenes Ermittlungsverfahren; auch die Begründung sei unzureichend. Die belangte Behörde wäre im Disziplinarverfahren verpflichtet gewesen, Belastungs- und Entlastungszeugen in gleicher Weise zu hören, soweit dies für die Feststellung des Sachverhaltes erforderlich sei, und sie hätte ferner auf das Parteivorbringen einzugehen gehabt. Insbesondere hätte sie sich nicht über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge ohne Ermittlungen und Begründung hinwegsetzen dürfen. Bei Durchführung dieser Beweise wäre die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gekommen und hätte das Disziplinarverfahren zur Einstellung bringen müssen.
Nach § 79 Abs. 1 DO 1966, idF LGBl. 27/1991, auf den im § 82 Abs. 3 DO 1966 ausdrücklich hingewiesen wird, ist das Disziplinarverfahren von der Disziplinarbehörde, bei der das Verfahren anhängig ist, mit Bescheid einzustellen, wenn
1) der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2) die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3)
Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4)
die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der weiteren Verletzung von Dienstpflichten abzuhalten.
Hinsichtlich des Verhandlungsbeschlusses bestimmten § 82 Abs. 3 und 6 der Dienstordnung 1966, LGBl. für Wien Nr. 37/1967, in der Fassung LGBl. Nr. 13/1988 (im folgenden kurz DO 1966):
"(3) Ist der Sachverhalt ausreichend geklärt, so hat der Senat, sofern das Disziplinarverfahren nicht gemäß § 79 einzustellen ist, die mündliche Verhandlung anzuberaumen (Verhandlungsbeschluß); zu dieser sind die Parteien unter Bekanntgabe des Verhandlungsbeschlusses sowie die in Betracht kommenden Zeugen und Sachverständigen zu laden."
"(6) Im Verhandlungsbeschluß sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Gegen den Verhandlungsbeschluß ist kein Rechtsmittel zulässig."
Diese Regelungen sind mit den Bestimmungen des § 124 BDG 1979 über den Verhandlungsbeschluß im wesentlichen inhaltsgleich, sodaß die Heranziehung der Rechtsprechung aus dem Bereich des Bundesdienstrechtes zulässig ist.
Mit Erkenntnis vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0107, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Anführung weiterer Rechtsprechung zum Verhandlungsbeschluß ausgeführt:
"Für den Verhandlungsbeschluß kommen gleichfalls die Bestimmungen des § 58 Abs. 1 und 2 AVG (vgl. in diesem Beschwerdefall § 72 Abs. 1 DO) zur Anwendung, sodaß er - neben der Rechtsmittelbelehrung - einen Spruch und eine Begründung zu enthalten hat. Nach § 59 Abs. 1 AVG hat der Spruch u.a. die in Verhandlung stehende Angelegenheit in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. In der Begründung wird insbesondere darzulegen sein, welche Beweise und Erhebungen dazu geführt haben, daß der Sachverhalt ausreichend geklärt erscheint. Im Spruch des Verhandlungsbeschlusses sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Daraus folgt, daß im Anschuldigungspunkt der vom Beschuldigten angeblich gesetzte strafbare Sachverhalt darzustellen ist, wobei alle Umstände anzugeben sind, die zur Bezeichnung der strafbaren Handlung und zur Subsumtion unter einen bestimmten gesetzlichen Tatbestand notwendig sind. Aus dem Begriff der Anschuldigung folgt weiters, daß anzugeben ist, welche Dienstpflichten der beschuldigte Beschwerdeführer im einzelnen durch welches Verhalten verletzt haben soll, also welchen gesetzlichen Bestimmungen der konkret dargestellte Sachverhalt zu unterstellen sein wird. Gegenstand und Grundlage eines Disziplinarerkenntnisses dürfen nur die im Verhandlungsbeschluß dem Beamten als Dienstpflichtverletzung zur Last gelegten Verfehlungen sein. Angesichts dieser Bedeutung des Verhandlungsbeschlusses für den Gegenstand und die Entscheidungsgrundlagen des Disziplinarerkenntnisses ist die "BESTIMMTE" Darstellung der Tatsachen, in denen eine Dienstpflichtverletzung erblickt wird, rechtserheblich: Der vorgeworfene Sachverhalt muß der Eigenart der Dienstpflichtverletzung entsprechend substantiiert dargestellt sein, also schlüssig alle Einzelumstände darstellen, die Voraussetzung für den Tatbestand der Dienstpflichtverletzung und für die Strafbemessung sind. Danach gehört zum notwendigen Inhalt eines Verhandlungsbeschlusses die spruchmäßige Darstellung der Tatsachen, in denen eine Dienstpflichtverletzung gesehen wird. Er muß eine so hinreichende Substantiierung enthalten, daß dem Beamten eine sachgerechte Verteidigung möglich und die - an den Inhalt und Umfang der Anschuldigung gebundene - Disziplinarkommission in der Lage ist, den in bestimmter Hinsicht erhobenen Vorwürfen nachzugehen, ohne genötigt zu sein, aus einem allgemeinen Sachverhalt das herauszufiltern, was als konkrete Verletzung der Dienstpflichten in Betracht kommt.
Eine über die noch im Verdachtsbereich zu erfolgende konkrete Anschuldigung hinausgehende Behandlung bzw. Würdigung des angenommenen Sachverhaltes und allfälliger Beweise bzw. eine Auseinandersetzung mit der Schuldfrage ist nicht Aufgabe des zum Verhandlungsbeschluß führenden Verfahrens; es ist vielmehr Aufgabe des nachfolgenden Disziplinarverfahrens die Rechts- bzw. Schuldfrage zu klären (vgl. in diesem Sinne beispielsweise Erkenntnis vom 29. Juni 1989, Zl. 88/09/0126)."
Wenn der Beschwerdeführer behauptet, die Behörde habe seine Beweisanträge in keiner Weise beachtet und diesen auch keine Folge gegeben, so ist ihm unter Hinweis auf das zuletzt genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu entgegnen, daß es nicht Aufgabe des Verfahrens vor Erlassung des Verhandlungsbeschlusses ist, eine dem nachfolgenden Disziplinarverfahren vorbehaltene Klärung der Sach- bzw. Rechtsfrage schon in diesem Stadium herbeizuführen. Da der Verhandlungsbeschluß noch im Verdachtsbereich erfolgt, ist der Sachverhalt nur soweit zu erheben, daß er für die Entscheidung ausreicht, bei Offenkundigkeit des Vorliegens von Gründen nach § 79 Abs. 1 DO 1966 das Verfahren einzustellen oder eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Dabei würde eine Einstellung des Verfahrens nach § 79 Abs. 1 Z. 4 DO 1966 voraussetzen, daß die Tat erwiesen ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1992, Zl. 91/09/0109). Anschuldigungen, die ihrer Natur nach an sich wegen Geringfügigkeit nicht als Dienstpflichtverletzung zu werten wären, können in ihrer Summe und im Zusammenhang mit dem konkreten Vorwurf eines nicht den Dienstpflichten entsprechenden Verhaltens Relevanz gewinnen und so eine Einstellung nach § 79 Abs. 1 Z. 2 DO 1966 nicht geboten erscheinen lassen.
Wenn wie im Beschwerdefall widersprüchliche Zeugenaussagen vorliegen, erfordert es insbesondere der Grundsatz der Unmittelbarkeit und der Mündlichkeit des Disziplinarverfahrens, die Zeugen vor der Disziplinarkommission zu befragen. Auch daraus folgt, daß es rechtlich nicht geboten ist und auch nicht zweckmäßig wäre, bereits in diesem Stadium des Verfahrens (Verhandlungsbeschluß) die in der nachfolgenden mündlichen Verhandlung zwingend durchzuführenden weiteren Einvernahmen, wenn bereits feststeht, daß eine solche durchgeführt werden muß, gleichsam doppelt vorzunehmen bzw. vorwegzunehmen.
Insoferne der Beschwerdeführer - wie bereits einleitend dargelegt - Begründungs- und Konkretisierungsmängel geltend macht, ist er hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 3. bis 17. auf die Darlegung des angelasteten Sachverhaltes im Spruch zu verweisen. Auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes reichen die in Verbindung von Spruch und Begründung gegebenen Darstellungen als Grundlage für die Anschuldigung in der mündlichen Verhandlung aus; der Beschwerdeführer ist in diesem Umfang nicht an einer sachgerechten Verteidigung behindert.
Wenn der Beschwerdeführer ohne nähere Konkretisierung Verfolgungsverjährung unter Hinweis auf eine bereits im Oktober, November 1989 durchgeführte Revision der MA nn im Verhältnis zu der Einleitung des Disziplinarverfahrens mit Schreiben vom 1. Oktober 1990 an die Magistratsdirektion geltend macht, ist ihm entgegenzuhalten, daß aus dem Umstand einer Revision allein nicht folgt, es seien die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen tatsächlich festgestellt worden und damit dem Magistrat im Sinne des § 61 Abs. 1 Z. 1 DO 1966 (in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 27/1991) zur Kenntnis gelangt. Daß dies der Fall gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer weder in seiner Beschwerde noch in dem vorgelagerten Verwaltungsverfahren behauptet. Da die belangte Behörde diesbezüglich auch keine offenkundigen Bedenken im Sinne des § 79 Abs. 1 DO hätte haben müssen, kann dieser Einwand die Beschwerde auch unter Beachtung des für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geltenden Neuerungsverbotes (vgl. Dolp3, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Rechtsprechung zu § 41) nicht zum Erfolg führen. Dies enthebt die Disziplinarbehörden im weiteren Verfahren aber nicht von der Verpflichtung, auf ein diesbezügliches konkretes Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen.
Berechtigung kommt dem Beschwerdevorbringen aber hinsichtlich der nicht ausreichenden Konkretisierung bzw. Begründung der Anschuldigungspunkte 1 und 2 zu. Die diesbezüglich ohne weitere Begründung gebliebenen Anschuldigungen, für die dienstlichen Tätigkeiten und Probleme der Mitarbeiter kein Interesse gezeigt zu haben und nicht hinreichend für eine Auslastung und Leitung aller bzw. zweier namentlich genannter Bediensteter gesorgt zu haben und ihre Verwendung nicht so gelenkt zu haben, daß sie ihren Fähigkeiten weitgehend entsprochen hätte, erfüllt keinesfalls die vorher dargelegten Anforderungen an die Konkretisierung und hindert den Verwaltungsgerichtshof an einer inhaltlichen Überprüfung.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit hinsichtlich der Punkte 1. und 2. mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und mußte daher in diesem Umfange gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufgehoben werden. Im übrigen war die Beschwerde aus den vorher dargelegten Gründen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren an Umsatzsteuer war abzuweisen, weil ein solcher Ersatz in der Pauschalierungsverordnung nicht vorgesehen ist (vgl. beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1983, Zl. 83/07/0182).
Soweit in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Einhaltung der Formvorschriften Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992090016.X00Im RIS seit
21.03.2001