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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
BArbSchV §43 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 3. April 1992, Zl. 14-SV-3060/3/92, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. April 1992 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher angeführten Ges.m.b.H., somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ, wie durch ein Organ des Arbeitsinspektorates anläßlich einer Kontrolle am 19. Juli 1989 auf einer näher angeführten Baustelle festgestellt worden sei, unterlassen, dafür zu sorgen, daß eine den Schutz der Arbeitnehmer betreffende Sicherheitsvorkehrung eingehalten werde; bei Spenglerarbeiten, die von den Arbeitnehmern X und Y nicht in der Nähe des Dachsaumes ausgeführt worden seien, sei bei einer Dachneigung von 30 Grad und einer Traufenhöhe von ca. 9,5 m (Hausnummer 8, westseitig) eine Schutzblende nicht vorhanden gewesen. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 43 Abs. 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung (BGBl. Nr. 267/1954, im folgenden: BauVO) begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
In der Begründung wurde zum Schuldspruch im wesentlichen angeführt, es sei davon auszugehen, daß die Arbeitnehmer X und Y anläßlich einer Überprüfung am 19. Juli 1989 durch das Arbeitsinspektorat Spenglerarbeiten im mittleren Dachflächenbereich ausgeführt hätten. Die Behörde stütze sich hiebei auf die zeugenschaftliche Aussage des Arbeitsinspektors Ing. P vom 10. Juli 1990, wonach die erwähnten Arbeitnehmer nicht am Dachsaum, sondern in der Mitte bzw. eher im oberen Bereich mit Arbeiten beschäftigt gewesen seien, auf die zeugenschaftliche Aussage des Arbeitsinspektors M vom selben Tag, wonach die beiden Arbeitnehmer im Mittelbereich des Daches bei Arbeiten angetroffen worden seien, sowie auf die Angaben des erstgenannten Arbeitsinspektors in seiner Stellungnahme vom 22. Februar 1990, wonach am 19. Juli 1989 von diesen Arbeitnehmern Spenglerarbeiten am Dach ausgeführt worden seien, jedoch nicht in der Nähe des Dachsaumes. Da es sich - so die belangte Behörde - bei den überprüfenden Arbeitsinspektoren um behördliche Organe handle, die besonders geschult worden seien, die Einhaltung von Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes zu überwachen, und deren Ausführungen widerspruchsfrei und schlüssig seien, sei die Behörde nicht im Zweifel darüber, daß die Angaben wahrheitsgemäß erstattet worden seien. Die Behauptungen des Beschwerdeführers, daß seine Mitarbeiter am Dachsaum beschäftigt worden seien und daß die beiden erwähnten Beamten des Arbeitsinspektorates nicht angegeben hätten, welche Arbeiten anderswo am Dach verrichtet worden sein sollten, gingen nach Ansicht der Behörde ins Leere und sei daher von weiteren Zeugeneinvernahmen Abstand zu nehmen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann von einer Unzuständigkeit der (in erster Instanz eingeschrittenen) Behörde keine Rede sein, da nach der ständigen hg.
Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 12. März 1990, Zlen. 90/19/0091, 0092, 0093) als Ort, an dem die gebotenen Vorsorgehandlungen unterlassen wurden, der Sitz der Unternehmensleitung (und nicht der Ort, an welchem sich die in Rede stehende Baustelle befunden hat) anzusehen ist.
Weiters übersieht der Beschwerdeführer mit seiner Verjährungseinrede, daß jedenfalls das mit 30. November 1989 datierte, innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG 1950 abgefertigte Straferkenntnis eine den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 leg. cit. darstellte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1990, Zl. 89/18/0166).
Allerdings ist der Beschwerdeführer damit im Recht, daß die belangte Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht in einem mängelfreien Verfahren festgestellt hat:
Gemäß § 45 Abs. 3 erster Satz BauVO muß bei Spenglerarbeiten, die nicht in der Nähe des Dachsaumes ausgeführt werden, bei einer Dachneigung von mehr als 20 Grad und einer Traufenhöhe von mehr als 5 m über dem Gelände eine Schutzblende vorhanden sein, die geeignet ist, den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise hintanzuhalten.
Nach § 45 Abs. 4 erster Satz BauVO haben sich bei Spenglerarbeiten am Dachsaum oder an Hängerinnen die damit Beschäftigten, sofern die Arbeiten nicht von einem sicheren Standplatz im Dachbodenraum ausgeführt werden, sicher anzuseilen.
Im Sinne der letztzitierten Vorschrift hatte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren behauptet, die beiden Arbeitnehmer seien mit Spenglerarbeiten am Dachsaum beschäftigt und dabei ordnungsgemäß angeseilt gewesen. Demgegenüber ging die belangte Behörde entsprechend dem Schuldspruch davon aus, daß die beiden Arbeitnehmer Spenglerarbeiten nicht in der Nähe des Dachsaumes ausgeführt hätten, wodurch der Beschwerdeführer gegen die Vorschrift des § 45 Abs. 3 (erster Satz) BauVO verstoßen habe. Der Gerichtshof ist allerdings der Ansicht, daß die der belangten Behörde vorliegenden Verfahrensergebnisse diesen Vorwurf nicht ausreichend zu stützen vermögen:
Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnten Angaben der beiden zur Tatzeit eingeschrittenen Organe des Arbeitsinspektorates sind nämlich in Hinsicht auf die Frage, ob die beiden Arbeitnehmer tatsächlich nicht am Dachsaum, "sondern in der Mitte bzw. eher im oberen Bereich" tätig waren, insoweit nicht ausreichend, als nicht angeführt wurde, um welche Spenglerarbeiten es sich dabei konkret gehandelt haben soll, stand doch diesen Angaben die Zeugenaussagen des Arbeitnehmers Y vom 24. August 1990 und vom 1. März 1991 gegenüber, wonach "an der Traufenkante" Spenglerarbeiten verrichtet worden seien, wobei dieser Zeuge in der letztangeführten Aussage hervorhob, daß es zwar den Tatsachen entsprechend könne, daß sich er und der andere Arbeitnehmer beim Eintreffen der beiden Arbeitsinspektoren "gerade in der Mitte des Daches" befunden hätten, jedoch der "wirkliche Tätigkeitsbereich" an der Traufenkante gewesen sei.
Im Hinblick darauf wäre es erforderlich gewesen, die beiden Organe des Arbeitsinspektorates zu den von ihnen wahrgenommenen, von den beiden Arbeitnehmern konkret verrichteten Arbeiten einzuvernehmen, zumal dies durch die im Akt befindliche, vom Amtsvorstand unterfertigte diesbezügliche Stellungnahme des Arbeitsinspektorates vom 27. Jänner 1992 nicht ersetzt werden konnte.
Weiters rügt der Beschwerdeführer zu Recht, daß der Arbeitnehmer X zwar als Zeuge einvernommen wurde, sich jedoch aus der diesbezüglichen Niederschrift vom 30. Juli 1990 entnehmen läßt, daß sich dessen Aussage in Hinsicht auf die durchgeführten Arbeiten nicht auf den Tattag 19. Juli 1989 (sondern offenbar auf den vorhergehenden Tag, an welchem sich ein Unfall ereignet hat) bezieht. Es wäre der belangten Behörde daher - da die Aussage dieses Arbeitnehmers diesbezüglich durchaus zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen geeignet sein kann - oblegen, eine ergänzende Einvernahme dieses Zeugen in Hinsicht auf die Frage, wo zur Tatzeit Spenglerarbeiten durchgeführt wurden (§ 45 Abs. 3 und Abs. 4, jeweils erster Satz) zu ergänzen.
Für das fortgesetzte Verfahren sei auch darauf verwiesen, daß dem Umstand, ob die beiden Arbeitnehmer entsprechend der Behauptung des Beschwerdeführers und der Zeugenaussage des Arbeitnehmers Z vom 1. März 1991 zur Tatzeit angeseilt ("ordnungsgemäß gesichert") gewesen sind, jedenfalls im Zusammenhang mit der Strafbemessung auch dann Bedeutung zukommen wird, wenn die belangte Behörde (neuerlich) zu dem Ergebnis gelangt, daß die Spenglerarbeiten entgegen der Vorschrift des § 45 Abs. 3 erster Satz BauVO durchgeführt wurden. Es wird daher angezeigt sein, anläßlich der zu ergänzenden Zeugeneinvernahmen auch diesem Umstand Beachtung zu schenken.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180196.X00Im RIS seit
20.07.1992