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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des H in M, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 14. Mai 1992, Zl. 5.280/1h-92, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (der belangten Behörde) vom 27. September 1984 war gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen worden.
2. Den vom Beschwerdeführer mit Eingabe an die belangte Behörde vom 17. März 1992 gestellten Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes - dieser wurde einerseits damit begründet, daß der Beschwerdeführer der Meinung gewesen sei, das Aufenthaltsverbot sei mit fünf Jahren befristet gewesen, anderseits damit, daß zwei Schwestern und ein Bruder in Tirol lebten und er hier eine Beschäftigungsbewilligung erhalten habe - wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 14. Mai 1992 gemäß § 8 des Fremdenpolizeigesetzes ab.
Begründend wies sie darauf hin, daß gegen den Beschwerdeführer seinerzeit deshalb ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, weil dieser, nachdem er 1982 sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist sei, hier unerlaubt einer Beschäftigung nachgegangen, nicht polizeilich gemeldet gewesen, nicht im Besitz eines gültigen Reisedokumentes gewesen sei, und sich länger als drei Monate sichtvermerksfrei im Bundesgebiet aufgehalten habe; außerdem sei er als mittellos anzusehen gewesen. Die behördlichen Ermittlungen hätten ergeben, daß der Beschwerdeführer bereits im Jahr 1988 verbotenerweise (ohne Bewilligung gemäß § 6 des Fremdenpolizeigesetzes) nach Österreich eingereist sei, sich hier unerlaubt aufgehalten habe und ohne die hiefür erforderliche Bewilligung einer Beschäftigung nachgegangen sei. Der bevorstehenden Abschiebung und Bestrafung habe er sich damals nur durch Flucht entziehen können. Im November 1991 sei der Beschwerdeführer aus Italien kommend ohne Sichtvermerk und ohne Bewilligung nach § 6 leg. cit. nach Österreich eingereist und habe sich hier drei Tage verbotenerweise aufgehalten. Schließlich sei er am 7. Jänner oder 8. Jänner 1992 neuerlich ohne Bewilligung gemäß § 6 leg. cit. über Ungarn nach Österreich eingereist und habe sich zumindest bis zur Beantragung eines Vollstreckungsaufschubes am 19. Februar 1992 unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten. Die Rechtfertigung des Beschwerdeführers für seine jeweils verbotene Rückkehr in den Jahren 1991 und 1992, er sei der Meinung gewesen, daß das Aufenthaltsverbot bereits abgelaufen sei, vermöge das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers keinesfalls zu entschuldigen bzw. zu rechtfertigen. Wäre nämlich das Aufenthaltsverbot tatsächlich nach fünf Jahren - also im Jahr 1989 - abgelaufen, so hätte der Beschwerdeführer im November 1991 und im Jänner 1992 nicht sichtvermerksfrei nach Österreich einreisen und sich hier aufhalten dürfen, da türkische Staatsangehörige seit 17. Jänner 1990 für die Einreise nach Österreich und einen anschließenden Aufenthalt einen Sichtvermerk benötigen. In diesem Fall hätte der Beschwerdeführer 1991 und 1992 je zwei Übertretungen nach dem Paßgesetz und nach dem Fremdenpolizeigesetz begangen. Im übrigen zeuge es von mangelnder Sorgfalt, daß sich der Beschwerdeführer nicht über den weiteren Bestand des Aufenthaltsverbotes und auch nicht über die ihn treffende Sichtvermerkspflicht bei den zuständigen österreichischen Behörden erkundigt habe. Aufgrund des dargestellten Sachverhaltes sei die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt, daß die seinerzeitigen Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer nicht weggefallen seien. Das vom Beschwerdeführer in den vergangenen acht Jahren gezeigte Verhalten lasse vielmehr den Schluß zu, daß er auch in Zukunft gegen Gesetze, die seinen privaten Absichten zuwiderliefen, verstoßen werde.
Hinsichtlich der privaten Interessen des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde auf die geringe Intensität seiner Bindungen zu Österreich, seine erst seit kurzer Zeit legale Beschäftigung im Bundesgebiet sowie darauf hin, daß er in der Türkei oder in anderen Staaten eine Beschäftigung (in seinem erlernten Beruf als Schneider oder im Gastgewerbe) ausüben könne, die seinen Lebensunterhalt sichere. Ferner sei von Bedeutung, daß die Ehefrau, die Kinder und die Eltern des Beschwerdeführers in der Türkei lebten und sich nur zwei Schwestern und ein Bruder in Österreich aufhielten.
Die gemäß § 3 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes durchzuführende Interessenabwägung führe dazu, daß die öffentlichen Interessen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit; bestmögliche Vermeidung weiterer strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer;
Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenpolizeiwesens; Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) am Fortbestand des Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wögen als die privaten Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familie.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit behauptet und begehrt wird, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2
VwGG gebildeten Senat erwogen:
1.1. Gemäß § 8 Fremdenpolizeigesetz ist das Aufenthaltsverbot von der Behörde, die es erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.
Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhang mit § 3 Fremdenpolizeigesetz gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die für die Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zu Gunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 1992, Zl. 92/18/0100).
1.2. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß auch die seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen Umstände bei der Entscheidung über die Aufhebung dieser Maßnahme zu berücksichtigen sind (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 92/18/0100 m.w.N.).
2.1. In der zuletzt bezeichneten Hinsicht hat die Beschwerde die Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei ungeachtet des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes bereits im Jahr 1988 nach Österreich eingereist und sei hier ohne die erforderliche Bewilligung einer Beschäftigung nachgegangen, nicht nur nicht in Zweifel gezogen, sondern diese wesentliche Sachverhaltsannahme
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wenngleich nur unter Bezugnahme auf Informationen Dritter - ausdrücklich bestätigt. Die Mißachtung dieses Verbotes fällt
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auch hiezu sei nochmals auf das hg. Erkenntnis Zl. 92/18/0100 verwiesen - schwer ins Gewicht, bringt doch gerade dieses Verhalten sehr augenfällig zum Ausdruck, daß der Beschwerdeführer keinde Bedenken hat, sich über die für ihn maßgeblichen fremdenpolizeilichen Vorschriften hinwegzusetzen. Daß der Beschwerdeführer darüber hinaus - wie von der belangten Behörde festgestellt und von der Beschwerde gleichfalls nicht in Abrede gestellt - noch zweimal (im November 1991 und im Jänner 1992) während der Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes in das Bundesgebiet eingereist sei, wird in der Beschwerde damit zu rechtfertigen versucht, daß der Beschwerdeführer "begründet der Annahme sein konnte, daß kein Aufenthaltsverbot mehr aufrecht sei". Die Glaubwürdigkeit dieses schon im Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes erstatteten Vorbringens kann auf sich beruhen, da auch dann, wenn man dieser Darstellung des Beschwerdeführers Glauben schenken wollte, dem Beschwerdeführer aufgrund seiner sichtvermerksfreien Einreise jeweils zu einem Zeitpunkt, zu dem er für die Einreise nach Österreich eines Sichtvermerkes bedurfte, ein strafbares Verhalten anzulasten wäre.
Da nach dem Gesagten dem Beschwerdeführer durch die dargestellten Einreisen in das Bundesgebiet in den Jahren 1988, 1991 und 1992 jedenfalls je ein Verstoß gegen das Paßgesetz 1969 und das Fremdenpolizeigesetz, somit insgesamt jedenfalls sechs Übertretungen von für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bedeutsamen Rechtsvorschriften zur Last liegen, durfte die belangte Behörde das Vorliegen eines (direkt) dem § 3 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes zu subsumierenden Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1992, Zl. 92/18/0237) bejahen und solcherart davon ausgehen, daß die in dieser Norm umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Damit ist auch den von der Beschwerde in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen der Boden entzogen.
2.2. Sohin entspräche auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - vorbehaltlich einer zuungunsten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung gemäß § 3 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes - die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer dem Gesetz.
3. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist auch die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Beschwerde hat nichts vorgebracht, was die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe sich nur sehr kurz in Österreich aufgehalten, und die darauf gründende Beurteilung, er sei daher nur in geringem Maß integriert, entkräften könnte. Der Beschwerdeführer hat aber auch nicht in Abrede gestellt, daß seine Ehefrau, seine Kinder und seine Eltern nach wie vor in der Türkei lebten. Daß diese Tatsache nicht geeignet ist, private (familiäre), für eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sprechende Interessen zu konstituieren, bedarf keiner weiteren Darlegungen. Der in der Beschwerde (wie schon im Aufhebungsantrag) betonte Umstand, daß zwei Schwestern und ein Bruder des Beschwerdeführers in Tirol lebten, fällt schon deshalb nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht, weil diese Personen nicht zu "seinen Familienangehörigen" im Sinne des § 3 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes zählen. Eine Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens des Beschwerdeführers durch das Aufrechterhalten des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes wurde in der Beschwerde nicht behauptet; eine solche ist auch für den Verwaltungsgerichtshof - in Übereinstimmung mit der belangten Behörde - nicht ersichtlich.
4. Da die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180305.X00Im RIS seit
06.08.2001